<small><i>Andreas Lampl</i></small>
Boulevardpolitik
Das Phänomen Krone, nach dem Tod von Hans Dichand in aller Munde, gibt es, weil Politik in Österreich weitgehend nach den Regeln des Boulevardjournalismus funktioniert.
Für die Kronen Zeitung war 1970 ein erfolgreiches Jahr. Hans Dichand konnte quasi zum Nulltarif das Wiener Pressehaus von der roten Gewerkschaftsbank Bawag übernehmen. Und der sozialistische Vorwärts-Verlag (Aufsichtsratspräsident: Bruno Kreisky) verkaufte ihm das Boulevardblatt Express, einen unliebsamen Konkurrenten, den Dichand kurz darauf einstellte.
In diesem Umfeld erschien 1970 erstmals das Wirtschaftsmagazin trend, das also jetzt seinen 40. Geburtstag feiert. Damals ein für Österreich völlig neuartiges Medium, von Parteiinteressen ganz weit entfernt und im Verein mit dem wenig später gegründeten Magazin profil das wichtigste Sprachrohr einer sich etablierenden Gegenöffentlichkeit. Die Krone wuchs im Windschatten der Politik zum Auflagen-Giganten. trend und profil erarbeiteten sich kleiner und feiner Respekt, Einfluss, aber auch kommerziellen Erfolg.
Mit dem Tod von Hans Dichand ist eine Debatte um sein Erbe entbrannt und auch wieder einmal eine über Medienpolitik, die Macht des Boulevards und das schwere Los von Qualitätsjournalismus. Aber egal, ob zukünftig die deutsche WAZ-Gruppe oder die Familie Dichand mit österreichischen Partnern 100 Prozent der Krone in ihren Besitz bringen kann, die hinter dem Phänomen Krone erkennbare Realität wird sich nicht ändern: nämlich dass Politik in Österreich weitgehend nach Regeln des Boulevardjournalismus funktioniert.
Innenpolitik zeichnet sich hierzulande durch einen Mangel an Wettbewerbsorientierung und einen Mangel an Überzeugung aus. Die Mehrzahl der Politiker verstehen unter ihrem Job nicht vorrangig, im Wettbewerb der besten Ideen bestehen zu können, sondern bestenfalls im Widerstreit von Einzelinteressen. Und sie sind nur selten davon angetrieben, standfest ihren Ideen zum Durchbruch zu verhelfen, sondern davon, sich möglichst gut an Schwankungen der öffentlichen Meinung anzupassen was dann als volksnah verkauft wird, aber in Wahrheit mangelnder Mut oder Intellekt für eine funktionierende Überzeugungsarbeit ist.
Die Schweiz beweist: je mehr Wettbewerb in allen Belangen, desto besser funktioniert eine Demokratie. Darum hat sie auch eine andere Medienlandschaft. Wer hingegen Demokratie als Boulevardpolitik begreift, wer gewohnt ist, politische Beschlüsse fast ausschließlich in Lobbyingvereinen auszupackeln, der braucht keine Medienvielfalt, sondern Zeitungen, die parallel zu den eigenen Meinungsumfragen verlässlich die Stimmungslage der Wähler wiedergeben und der politischen Reaktion darauf Raum zur Verfügung stellen.
Aktuelles Beispiel Pensionsdebatte: Natürlich ist es mühsam, die Bürger von einer radikalen Pensionsreform zu überzeugen, weil die versprochenen Leistungen unhaltbar sind und die staatlichen Zuschüsse explodieren. Da ist es viel bequemer, so zu tun, als wäre alles halb so wild. Das hören die Senioren und mit ihnen die Krone gerne.
Aber: Der Eigentümer einer Zeitung ist Unternehmer. Er darf sich darauf beschränken, nur die Stimme des Volkes zu spielen. Ein ernst zu nehmender Politiker darf das nicht.
Hans Dichand hat das in Österreich besonders ausgeprägte Bedürfnis, politische Strategie durch Meinungsumfragen zu ersetzen, virtuos genutzt: indem die Krone nach und nach die Meinungsumfragen ersetzt hat. Der untaugliche Versuch der Politik, wie in Diktaturen die Massenmedien zu instrumentalisieren, endete in der österreichischen Demokratie mit der Unterwerfung unter die Diktatur des Boulevards.
Und weil Politik hier größtenteils so funktioniert, beschränkt sich Medienpolitik darauf, dass die Regierung beim ORF als Eigentümer auftritt, was sie nicht ist und versucht (hat), den ORF-General öffentlich zu demontieren, weil er nicht wie gewünscht spurt. Beim neuen ORF-Gesetz geht es mehr um den Postenschacher dahinter als um die Erhöhung der Qualität. Es fehlt an tauglichen Wettbewerbsregeln für die Medienbranche wozu auch? In Bezug auf das Krone-Erbe interessiert den Kanzler vor allem, dass Raiffeisen ferngehalten wird. Es existiert kein nachvollziehbares Fördersystem. Dafür pumpen Parteien und ihnen nahestehende Unternehmen viel Geld in die Massenblätter zum Beispiel die ÖBB, die dafür sogar einen Verbindungsmann ins Kanzleramt haben. Der trend wird sich dennoch, wie in den vergangenen 40 Jahren, auch weiter wacker behaupten.