Aktiendeals: Director’s Cut

Wie die Führungskräfte der Wiener Börsenunternehmen mit Aktienspekulationen, Stock Options oder Kurspflege Millionen abcashen. Oder in den Sand setzen.

Rudolf Streicher ist ein wahrer Pechvogel. Nicht, weil er 1992 Thomas Klestil, dem eigentlich nur Außenseiterchancen zugebilligt worden waren, in der Wahl zum Bundespräsidenten unterlag. Sondern vielmehr, weil er als Aufsichtsratschef von Böhler-Uddeholm am 22.12.2006 einen im Rückblick folgenschweren Fehler begangen hatte: Er verkaufte seine 56.144 Böhler-Aktien zu 52,02 Euro das Stück und freute sich über immerhin 2,92 Millionen Euro Erlös. Aber nur kurz. Denn keine drei Monate später legte zuerst ein britischer Hedgefonds und letztlich die Voest Alpine AG ein Übernahmeangebot für Böhler-Uddeholm – und zwar für 73 Euro je Anteilsschein. Streicher hatte gut eine Million Euro liegen gelassen.

Ganz anders Böhler-Vorstand Heimo Stix, der lange genug wartete und für seinen Anteilsverkauf zwei Tage vor dem erhöhten Übernahmeangebot der voestalpine schon 73 Euro dafür bekam (was Sprecher Randolf Fochler mit der rückwirkenden Wirksamkeit des Voest-Angebots erklärt). Streicher zerknirscht: „Ich wollte eigentlich alles richtig machen – auch um die Insiderregeln nicht zu verletzen.“

Das war auch gut so. Denn wie Manager, Firmeneigentümer und deren Aufsichtsratsvertreter beim Handel mit eigenen Aktien umgehen, ist seit der Meinl-Affäre zum Knackpunkt bei der Beurteilung börsennotierter Unternehmen geworden. Führungskräfte sind nun mal Insider. Zwar müssen alle Deals der Finanzmarktaufsicht zur Erstellung einer eigenen „Directors’ Dealings“-Liste gemeldet werden. Dennoch gelten die Börsengesetze – aber auch die freiwillige Corporate-Governance-Vereinbarung, die missbräuchlichen Insiderhandel hintanhalten soll – in Wien als äußerst schwach ausgeprägt. Matthias Kopetzky, Gerichtssachverständiger und Autor des Standardwerks „Handbuch Wirtschaftskriminalität“: „Da wären rigide Regeln notwendig, nicht so lasche wie bei uns. Aber der Gesetzgeber hat sich da bewusst in eine Jurisdiktion geflüchtet, die das möglich macht.“

Offiziell scheint es in Wien keine schwarzen Schafe zu geben: So wurden im Jahr 2006 zwar 2472 Routineanalysen wegen Missbrauch von Insiderinformationen, Marktmanipulation und Verletzung der Handelsregeln durchgeführt, aber nur elf Voruntersuchungen eingeleitet, sieben wurden eingestellt, vier zur internen rechtlichen Behandlung weitergereicht, und genau ein Fall führte zu einer Anzeige an die Staatsanwaltschaft. Und dieser endete im Frühjahr 2007 mit einem überraschenden Freispruch. Kein Wunder, dass das internationale Beraterunternehmen Heidrick & Struggles Österreich in Bezug auf Corporate Governance ganz aktuell nicht nur hinter alle zehn verglichenen europäischen Länder reiht, sondern sogar eine Vergrößerung des Abstands diagnostiziert.

Gedealt wird jedenfalls, was die Börse hergibt. Das reicht von Stock Options (also die bevorzugte Zuteilung von Unternehmensaktien als Gehaltsbestandteil) über Kurspflege (dabei wird ein Aktienkurs durch Aktienkäufe vom Emittenten oder einem beauftragten „Market-Maker“ künstlich hoch gehalten) bis hin zu simplen Anteilsverschiebungen zwischen Konzerngesellschaften. Manchmal mit abenteuerlichen Gewinnen für die betroffenen Manager und ihre Firmen, manchmal aber auch mit zumindest recht auffälligen Aspekten, wie eine Durchsicht der „Directors’ Dealings“ zeigt.

Höchst bemerkenswert ist etwa, dass in der schwer gebeutelten Immobilienbranche der Handel mit eigenen oder eng verbundenen Unternehmensaktien keineswegs eine ausschließliche Domäne der Meinl-Manager war. So hat etwa Günter Kerblers (Aufsichtsrat) Conwert Immobilien Invest AG im Laufe der vergangenen Monate immerhin über 100 Millionen Euro in Aktien der Tochterfirma ECO Business-Immobilien AG investiert. Genützt hat die Kurspflege wenig, und die Erklärung Kerblers klingt so: „Wir kommen nie wieder so billig zu ECO-Aktien. Wir mussten die Chance nützen.“

Noch viel interessanter sind die Transaktionen rund um die beiden größten börsennotierten Immogesellschaften Österreichs, Immofinanz und Immoeast. Nicht nur, dass der Verlauf des Immoeast-Charts im Frühjahr exakt bis zu einer Kapitalerhöhung eine auffallende Aufwärtsphase aufweist, in einer Zeit, als alle anderen Immobilienwerte deutlich verloren. Als es dann doch abwärts ging, zeigte Immoeast-Vorstandsvorsitzender Karl Petrikovics Mut zum Risiko: Er steckte Ende Juli ganz privat fast zwei Millionen Euro in 200.000 Immoeast-Aktien.

Eine Woche später begann die Immofinanz, deren Vorstand Petrikovics auch ist, mit einem rund 100 Millionen Euro schweren Kurspflegeprogramm für ihre Tochter Immoeast. Gleich, ob mit der Absicht, den Kurs zu stützen oder die niedrigen Kurse zur Schnäppchenjagd zu nützen – das hat Petrikovics’ Privatinvestment mit Sicherheit nicht geschadet. Der Immobilienexperte sieht darin nichts Böses: „Die Immofinanz nutzte einfach die Gelegenheit, billig einzukaufen. Und was für die Firma gilt, gilt auch für mich privat.“ Die Anleger bekamen die Information über die Stützungskäufe allerdings erst mit dreiwöchiger Verspätung mitgeteilt.

Die erhellende Liste der „Directors’ Dealings“ zeigt auch, dass die Immobilienkrise andere Topmanager hart getroffen hat: Günter Kerbler und seine Frau etwa investierten auch privat 16,5 Millionen Euro in Conwert-Aktien. Dementsprechend böse erwischte sie der Kurssturz persönlich, knurrt Kerbler: „Meinen Töchtern habe ich schon gesagt, dass wir jetzt um ein paar Millionen ärmer sind.“ 7,7 Millionen, um genau zu sein, sind es, die Familie Kerbler zurzeit weniger auf ihrem Depotauszug stehen hat.

Ebenfalls bei Immobilienaktien verspekuliert hatte sich zuletzt Immoeast-Aufsichtsrat Wolfgang Reithofer. Nach einer blendend gelaufenen Immoeast-Transaktion im Jahr 2006 wollte der Wienerberger-Chef den Coup 2007 wiederholen und kaufte 200.000 Unternehmensaktien um 2,04 Millionen Euro. Doch diesmal ging es schief: Im allgemeinen Absturz der Immo-Werte verloren auch seine Aktien im gleichen Ausmaß an Wert. Womit der Gewinn aus 2006 auch schon wieder futsch wäre.

Er ist dabei in bester Gesellschaft – auch Erhard Schaschl, Ex-Immoeast-Aufsichtsrat, wird mit Sorge auf das dortige Investment seiner ES-Privatstiftung schauen. Immerhin ist diese seit 2005 zuerst mit 8,7 Millionen Euro in der Muttergesellschaft Immofinanz und nach einigen Umschichtungen einen Monat später gar mit 28,6 Millionen Euro auch in der Tochterfirma engagiert.

Wie Wolfgang Reithofer hat sich auch Hannes Androsch bei dem Versuch, einen guten Deal zu wiederholen, geschnitten: Als Haupteigentümer und Aufsichtsrat der Firma bwin konnte er 2005 beinahe am Höhepunkt des bwin-Hypes 200.000 Aktien noch um 19 Millionen Euro verkaufen. 2006 ging dieselbe Aktion schief: Der für rund 360.000 bwin-Aktien investierte Vorjahresgewinn von zirka zwölf Millionen Euro verlor seither rund die Hälfte des Werts.

Aber es gibt auch echte Gewinner, zeigen die „Directors’ Dealings“. Attila Dogudan etwa, der in den vergangenen beiden Jahren 11,3 Millionen Euro in eigene Do&Co-Aktien investierte und nun um drei Millionen Euro mehr am Depotauszug stehen hat. Oder KTM-Eigentümer Stefan Pierer, der eine kleine Kurssteigerung von 14 auf 17 Euro im Juli 2007 bei der UIAG, die er kurz zuvor eigentlich langfristig übernommen hatte, sofort zur Teilgewinnmitnahme (4,2 Millionen Euro) nützte. Oder Wolfgang Leitner, Vorstand und Eigentümer des Anlagenbauers Andritz, der schon im Zuge des Börsengangs 2001 aussteigen wollte und die Aktion verschob, weil der Andritz-Finanzier UIAG gleichzeitig wegen seines umstrittenen Libro-Börsengangs unter Druck kam (offiziell war das Abflauen des Internethypes der Grund). Im Nachhinein ein ziemliches Glück, denn statt 21 Euro (Emissionspreis) bekam Leitner fünf Jahre später (2006) bis zu 130 Euro je Aktie. Gesamterlös: 28,8 Millionen Euro.

Zu den Gewinnern zählen vor allem jene Bosse, die mit ihren Firmen so genannte Stock Options vereinbart hatten: Aktien, die ihnen zur Belohnung für bestimmte Unternehmensergebnisse zu vorteilhaften Bedingungen angeboten werden. Im Sommer 2007 etwa machte Alexander von Gabain, Chef und Gründer der Biotechfirma Intercell, seine Stock Options zu Geld: Um relativ bescheidene jeweils 2,28 Euro bekam er 401.000 Intercell-Aktien zugeteilt, gesamt 0,9 Millionen Euro. Noch am selben Tag verkaufte er 273.436 Stück wieder, aber zum realen Kursniveau von 27,12 Euro. Erlös: 7,4 Millionen Euro.

Noch lukrativer die Deals der beiden bwin-Bosse Manfred Bodner und Norbert Teufelberger im Rahmen der Ausübung ihrer Stock Options im März 2006. Beinahe am Höhepunkt des bwin-Hypes verkauften sie je 150.000 Aktien zu 95 Euro. Das brachte jedem 14,2 Millionen Euro ein. Ein Leichtes daher, die 1,3 Millionen Euro aufzubringen, die sie nur eine Woche später für die je 650.000 Aktien aus dem nächsten Stock-Options-Programm benötigten (zu schlanken zwei Euro das Stück). Der reale Wert dieser Aktienpakete nach Börsenkursen lag damals bei der Kleinigkeit von jeweils 61,7 Millionen Euro.

Von Markus Groll

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