Aber glaube!
Was bringt die Österreicher dazu, an vermögenmehrendes Glücksspiel, gleichbleibende Gesundheitskosten, weise Fondsmanager und an KHG zu glauben?
Der Mensch ist ein vernünftiges Wesen. Die unglaubliche Entwicklung von Speichermedien und von deren Vernetzung wird schon bald (ja, mit Heisenbergschen Unschärferändern) alle unsere Atome und deren Wechselwirkung beschreiben können. Dann werden wir uns selbst endlich kennen (und alle anderen werden genauso viel über uns wissen wie wir). Die Frage nach der Natur der Zukunft, die von den allergescheitesten Mathematikern und Physikern auf der Suche nach der Weltformel geprüft wird, ist dann auch keine mehr.
Zu diesem Zeitpunkt sollten wir auch klären können, auf welcher vernünftigen Molekülkonstellation die scheinbar unvernünftigen Seiten des Lebens aufsetzen.
Zum Beispiel diese:
Die Casinos Austria haben eben ein neues Spiel auf den Markt gebracht, das durch europaweite Vernetzung noch wesentlich höhere Gewinnsummen auszahlen kann als 6 aus 45 oder die Klassenlotterie. Leo Wallner, längstdienender Generaldirektor des Landes und Zockerkönig mit Heiligenschein, schafft es einmal mehr, die Unvernunft in ein Industrieprodukt zu gießen.
Kleines Einmaleins lehrt uns, dass Spielen am Roulettetisch zu Verlust von Geld führen muss: Ein Anteil, der einer Zahl entspricht, wird nicht ausgeschüttet. Das bringt eine negative Rendite von rund drei Prozent auf das eingesetzte Kapital für die Spieler. Die Casinos profitieren im selben Maße.
6 aus 45, Rubbellose, Brieflose: Von irgendetwas müssen die Mitarbeiter der Casinos Austria und der Lotto-Gesellschaft ja leben. Irgendwoher muss die Monopolrendite des Finanzministers ja kommen. Aus den zwingend vorgegebenen Verlusten der Spieler.
Das neue, europaweite Lotto: Höhere Einzelgewinne bedeuten nicht höhere Renditen. Höherer Gewinn bedeutet vielmehr eine geringere Chance zu gewinnen.
Unvernunft in der Politik, ausnahmsweise nicht aufseiten der Politiker: Die Gesundheitsministerin kämpft seit einem Jahr mit der Rationalität des Gesundheitswesens. Sie soll eine Reform durchziehen, für die der Bevölkerung der Wille zum Verstehen fehlt.
Tatsache ist: Menschen werden älter und brauchen daher über längere Zeit Ärzte, Maschinen und Medikamente, was folgerichtig mehr Geld kostet. Die Kosten steigen nicht proportional, weil erstens der größte Teil im nun längeren hohen Alter anfällt und zweitens die hochtechnisierte Medizin teurer ist als ein Aderlass. Somit müssen die Begünstigten, also alle, mehr zahlen: entweder über höhere Beiträge oder über direkte Rechnung.
Dieser Logik scheint sich die Bevölkerung zu verschließen.
Logisch (und eine Grundhaltung dieses Magazins) sind auch einige Weisheiten zur Geldanlage. Die wichtigste: Die globalen Finanzmärkte wissen so ziemlich alles; wüssten sie es nicht, dann wären sie keine. Daraus folgt: Wer mehr weiß, ist entweder ein Insider und darf sein Wissen daher nicht verwerten, oder er ist ein Blender. Ausnahmen sind selten. Daher wissen Aktienanalysten selten mehr, als in den Kursen ohnehin enthalten sein muss. Und daher kostet ein Fondsmanager den Investor Geld: Er weiß nicht mehr, als die Medien, die Märkte und jeder halbwegs vernünftige Anleger wissen können. Die Rendite eines Fonds ist daher die Rendite der Wertpapiere selbst minus der Kosten für das Fondsmanagement minus der Gewinne der Fondsgesellschaft.
Das lässt sich immer und immer wieder an Statistiken beweisen. Den Gegenbeweis sind die Anlagegesellschaften schuldig.
Der Mensch ist ein vernünftiges Wesen. Deshalb weiß er am Ende des Tages doch um die Notwendigkeiten des Lebens. Deshalb liebt er den Menschen, der ihm am meisten nimmt: den Finanzminister. Finanzminister sind nicht nur beliebt, sie werden oft sogar Regierungschefs. Vranitzky, Klima; Androsch kam ein Wahlonkel dazwischen.
Wie vernünftig sind die Österreicher, wenn sie an Karl-Heinz Grasser denken? Er war einer der beliebtesten Finanzminister der Zweiten Republik und ist zugleich einer der schlechtesten. Sein Nulldefizit ist zu einem Zweidefizit (Copyright: profil) geworden. Er schwindelt, wenn er sagt, daran sei die Steuerreform schuld. Er sagt die blanke Unwahrheit, wenn er behauptet, das Budget 2005 sei besser als das beste, das je ein roter Finanzminister vorgelegt hat. Er hat keine Visionen, keine Linie, kein Programm.
Wie vernünftig die Österreicher sind, wird man bei den Wahlen 2006 sehen. Der Kanzler wird ihn wohl im Team haben. Beim letzten Mal hat er Schüssel den Sieg gebracht. Kann die Vernunft der Österreicher über KHG siegen?