Über soziale Netzwerke können Firmen günstig kommunizieren...

Soziale Netzwerke wachsen rasant. Immer mehr Firmen wollen über diesen Kanal mit den Kunden kommunizieren. Welche Spielregeln dabei gelten und warum Strategie jedenfalls vor Schnelligkeit gehen sollte.

Niki Lauda hat schon einige Abenteuer überstanden. Seit wenigen Tagen weiß er, dass einem Airliner nicht nur Aschewolken das Leben schwermachen können, sondern auch sogenannte „Shit Storms“. Der Schwulen-Sager hatte im Internet einen Orkan an Beschimpfungen und Negativ-PR ausgelöst. Niki Nazionale sah sich nach einer kurzen Nachdenkphase genötigt, auf der Facebook-Site von NIKI eine Entschuldigung zu veröffentlichen.

Die Niki-Episode ist symptomatisch für den Paradigmenwechsel in der Firmenkommunikation. Über zwei Millionen Österreicher haben ein Facebook-Profil angelegt, Hunderttausende sind im Job-Netzwerk Xing, Zehntausende folgen den Nachrichtenströmen auf Twitter. Und YouTube ist für die junge Generation sowieso besser als Fernsehen. Mit dem Social-Media-Zug fahren längst nicht mehr nur die internationalen Markenartikler. Image verbessern, Kundenkontakt halten und neue Produkte vorstellen – das sind die stärksten Motive für Unternehmer.

Die Nachfrage nach Social-Media-Dienstleistungen ist zurzeit stärker ausgeprägt, als Kompetenz dafür am Markt vorhanden ist. Markus Höfinger, Geschäftsführer der PXP interactive, hat hinreichend Erfahrung gesammelt und beschreibt seine wichtigste Erkenntnis aus dem letzten Jahr: „Die Plattformen eignen sich gut, um viral etwas anzustoßen. Das Erlebnis selbst muss draußen stattfinden.“ Für Sölden wurde 2010 ein eigener Song („Rehgehege“) produziert, der, wie von den Machern geplant, zum YouTube-Hit (über 160.000 Views) wurde. Die Rehgehege-Kampagne wurde durchinszeniert bis hin zu Aufklebern auf den Skigondeln in Sölden. Höfinger: „Ein Facebook-Spielchen reicht heute längst nicht mehr, um aufzufallen.“

„Eine zündende Idee zu haben ist extrem wichtig“, bestätigt Peter Baumgartner, Bereichsleiter bei der AUA, die mit 32.000 Facebook-Freunden zu den großen Communities in Österreich zählt, „wir haben aber gewartet, bis es die richtigen Werkzeuge dafür gab.“ Neben der extrem erfolgreichen MyAustrian-Kampagne setzt die AUA Twitter und Facebook auch schon für Krisenkommunikation wie Schneechaos oder Aschewolke ein. Baumgartner: „Gerade bei der Aschewolke haben wir gesehen, wie intensiv Twitter als Kanal von den Kunden genutzt wurde.“ Mit einem direkten Draht lässt sich hauseigene Marktforschung betreiben. Über den „red guide“ darf abgestimmt werden, welche Langstrecke als Nächstes kommen soll oder ob an Bord Äpfel oder Schokoriegel bevorzugt werden. Auch das Empfehlungsmarketing gewinnt mit Social Media an Bedeutung: „Mit Facebook sind die Barrieren weniger geworden. Früher musste der Kunde einen Brief oder eine Mail schreiben.“

Heute drückt er idealerweise den „Like“-Button bei Facebook. Integraler Bestandteil der Geschäftsbeziehung sind Social Media auch beim Mobilfunker T-Mobile. Das größte Projekt 2010 war die den Life Ball begleitende Crossmedia-Kampagne von Philippes Projekt (Agentur ambuzzador), die – von Print- und TV-begleitet – eine Facebook-Fan-Schar von 60.000 generierte. Als Sängerin Katy Perry gemeinsam mit dem Mobilfunker ein paar Statisten für ihr Video suchte, stellten über 1.000 Fans ihre selbst produzierten Clips auf YouTube. „Social Media ist bei uns nicht nur ein Marketingwerkzeug“, sagt E-Business-Spezialist Stefan Cantarino, „wir haben ein firmenübergreifendes Gremium, wo Kollegen aus dem Kundenservice und HR dabei sind. Was wir auf Facebook machen, ist nur die Spitze des Eisbergs.“

Vorsicht bei Facebook

Unbestritten ist die Erfolgswelle, auf der Facebook derzeit schwimmt. Die Zuckerberg-Truppe ist heute so sexy, wie Google es vor zehn Jahren war. Ungezählte Ratgeber beschäftigen sich ausschließlich mit dem Thema „Facebook-Marketing“. Wovor alle von FORMAT befragten Experten warnen, ist, mit fliegenden Fahnen komplett ins blaue Lager zu wechseln und seine Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen dorthin zu verlegen. PXP-Mann Höfinger: „Facebook ist unberechenbar. Die Firma wechselt fast im Wochentakt die Geschäftsbedingungen.“

Im Oktober 2010 war die Wien-Tourismus-Facebook-Site über Nacht von 6.000 auf 145.000 Mitglieder angewachsen, weil man im Facebook-Hauptquartier in Palo Alto fand, dass sich da zwei Facebook-Gruppen ähneln, und sie einfach zusammenlegte. Eggler erinnert an das kleine Marketing-Abc: „Das Wertvollste sind die Kundendaten, und die hat noch immer Facebook. Eine Firma muss mitunter ordentlich Geld investieren, um den Kunden einen Anreiz zu geben, sich in ihrer Datenbank zu registrieren.“

Der große Irrtum mit den Kosten

Noch sind die Netzwerke wie Facebook, YouTube oder Twitter gratis für ihre Kunden. Teilweise verdienen sie mit Werbung, teilweise sind sie noch auf der Suche nach probaten Erlösmodellen. Nur weil die Accounts in der Regel nichts kosten, bedeutet das nicht, dass Social-Media-Kommunikation gratis ist. Anitra Eggler: „Social Media ist sicher ein kostengünstiger Weg der Kommunikation, muss aber einer Strategie folgen und zur Firma passen.“ Slow-Food-Bäckerin Denise Pölzelbauer zählt zu den typischen Ein-Personen-Unternehmen und konnte es sich überhaupt nur mit einer Wirtschaftskammerförderung leisten, ein Marketingkonzept ausarbeiten zu lassen. Wie man mit einer authentischen Strategie, einer Website und einer Facebook-Site Kunden gewinnt, erlebt sie jetzt täglich.

Auf Netzwerke als stärkste Vertriebsstütze zu bauen können sich nur wenige leisten, und auch die nur indirekt. Paulo Coelho ist einer, der dafür als Blau pause dienen kann: Mit 4,2 Millionen Facebook-Freunden und 1,1 Verfolgern auf Twitter lebt er den Dialog mit seinen Lesern. „Ich war fünf Jahre nicht mehr oben in den Bestsellerlisten. Jetzt habe ich das geschafft, obwohl ich kein einziges Interview gegeben habe, um das jüngste Buch zu vermarkten.“

Bevor es an die soziale Vermarktung geht, steht die genaue Analyse der Zielgruppe an. Wer unter 25-Jährige heute noch mit Newsletter-Marketing anspricht, wird wenig Erfolg haben. „In Geschäftskundenzielgruppen kann ein Newsletter aber mehr bringen als eine halbherzig gemachte Facebook-Seite“, sagt Eggler. Eggler rät von Schnellschüssen ab. „Die einschlägige Social-Netzwerk-URL muss man rasch reservieren und dann gegebenenfalls dort kommunizieren, dass man an exklusivem Mehrwert arbeitet.“ Wenn der digital-soziale Selbstfindungsprozess abgeschlossen ist, kommen in der Umsetzung spannende Projekte heraus, die im besten Falle sogar Geschäftsprozesse verbessern.

Die amerikanische Elektrokette Best Buy zeigt mit ihrem Twitter-Service-Kanal „twelpforce“, was alles denk- und umsetzbar ist. Die Berater nutzen die kundenfreie Zeit, um technische Anfragen zu beantworten. Best buy garantiert Antwort binnen einer Stunde, profitiert von guter PR und hat seine Verkäufer besser ausgelastet.

Social Radar

Was AUA-Mann Baumgartner als Schneeballeffekt fasziniert, funktioniert natürlich auch umgekehrt – die Bad News verbreiten sich extrem schnell. Was über die Firma oder ein Produkt gesagt wird, muss in Echtzeit überwacht werden. Dafür gibt es Softwareprogramme und eine wachsende Zahl an Dienstleistern. Robert Wauer von der Berliner Agentur azionare ist ein Monitoring-Experte und beobachtet für Firmen wie IBM, Bosch oder die Deutsche Post. Den Google-Wecker (Google Alerts) hält er für keine gute Idee. „Google indiziert oft erst Tage später, das kann für Krisen-Kommunikation schon viel zu spät sein.“

Und selbst mächtige Werkzeuge aus dem angelsächsischen Raum haben oft Probleme mit deutschen Redewendungen oder Dialekten in Foren. Wenn in den sozialen Netzwerken die Schubumkehr eingesetzt hat, gilt es, rasch zu handeln, soll die Glaubwürdigkeit nicht leiden. Hier werden Reaktionszeiten im Halbstundentakt und nicht in Tagen gemessen. Für sein Statement hat Lauda mit flyniki.com die richtige Plattform gewählt und konnte damit sicher sein, dass die Botschaft die Kritiker auf schnellstmöglichem, direktem Weg erreicht. Allein: Die Zeit, die man bei NIKI zum Nachdenken brauchte, ist in den sozialen Medien schon eine kleine Ewigkeit.

– Barbara Mayerl

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