In der Mobilfunk-Industrie ist der große Patent-Krieg ausgebrochen

Streit-Macht Apple: Das seit kurzem wertvollste Unternehmen des Globus legt sich rücksichtslos mit allen an, die es am Weg zur digitalen Weltherrschaft behindern könnten. Der iKrieg ist ausgebrochen.

Extrem cool und extrem kompromisslos, das sind die zwei Seiten von Apple. Viele Konsumenten sehen in dem amerikanischen Hightech-Konzern die Verheißung des elektronischen Garten Eden. Geschäftspartnern, Verbraucherschützern und Konkurrenten präsentiert sich das Unternehmen, getrieben von Übervater Steve Jobs, aber oft als rücksichtslose Maschinerie. Wobei diese dunkle Seite der Macht gegenwärtig besonders deutlich wird.

Der koreanische Elektronikriese Samsung bekam das am 9. August zu spüren. Apple erwirkte vor einem deutschen Gericht per einstweilige Verfügung überraschend einen sofortigen Verkaufsstopp des neuen Tablet-Computers von Samsung in der gesamten EU (ausgenommen die Niederlande) – und das punktgenau zu dessen Markteinführung.

Der juristische Feldzug zum Schutz des iPad trifft Samsung ins Mark und dürfte der Beginn einer beinharten Auseinandersetzung sein. Und die Koreaner sind nicht allein. Steve Jobs hat sich eine Phalanx an Gegnern aufgebaut, die vom Platz geboxt werden sollen. Apple gegen alle, das scheint die Devise zu sein. Aus dem sympathischen Underdog der frühen 1990er-Jahre ist ein Konzern geworden, der wild um sich schlägt, wie Microsoft in seinen besten Jahren. Jobs scheint ähnliche Allmachtsfantasien zu entwickeln wie einst der Softwaregigant. Aber das daraus resultierende Image ist Microsoft nicht immer gut bekommen. Der Unterschied: Apple hat die cooleren Produkte.

Apple ist eine Streit-Macht im vollen Wortsinn. Buchhändler Amazon wurde wegen der Verwendung des Namens „appstore“ geklagt. Peanuts im Vergleich zu den Verfahren, mit denen Apple seit einiger Zeit alle Konkurrenten am Handymarkt eingedeckt hat. Google-Apps im hauseigenen App Store zu blockieren ist fast schon eine Selbstverständlichkeit. Der Erzfeind wird auch gern vor Gericht zitiert, wenn es etwa um den mobilen Werbemarkt geht. Adobes Flash-Technologie wurde von iPhone und iPad verbannt, was die Wettbewerbsbehörde auf den Plan rief. France Télécom wagte als einer der wenigen Netzbetreiber, Diskussionen über die iPhone-Umsatzteilung zu führen. Aber mit Apple ist nicht gut Kirschen essen, und wer mit den Preisvorstellungen der Kalifornier nicht d’accord geht, wird wie NBC einfach von der Musikplattform iTunes ausgesperrt.

Mit Zeitungsverlagen, die das iPad zu Beginn als Rettungsanker feierten, liegt Apple nun ebenfalls im Clinch. Denn nachdem die Amerikaner bei iPad-Apps auch inhaltlich mitreden wollen, beginnen sich einige Verleger zu wehren.

Apple scheut nicht einmal davor zurück, den deutschen Eierbecher-Produzenten eiPott vor den Kadi zu ziehen. Der Streit mit Cisco um den Namen iPhone und der mit der Beatles-Plattenfirma um das Apfel-Logo ist schon Firmengeschichte. Ab und zu legt sich Apple sogar mit den eigenen Kunden an: In der Location-Gate-Causa wurden ohne Erlaubnis Ortsdaten von Nutzern gespeichert, erst nach scharfen Protesten gab Apple klein bei.

Konsumenten in den USA haben nun, im Hintergrund unterstützt von Amazon, Apple und etliche Buchverlage bei der Wettbewerbsbehörde angezeigt, weil diese angeblich die – hohen – Preise für elektronische Bücher abgesprochen haben.

Was Apple antreibt

Es fragt sich: Hat der wertvollste Konzern der Welt es wirklich nötig, gegen alle Welt Krieg zu führen und etwa gegen den wichtigsten Lieferanten, Samsung, vor den Kadi zu ziehen? Ist es die „Arroganz der Macht“, wie das deutsche „manager magazin“ unlängst titelte? Oder ist es die Angst, die eigene Vormachtstellung gegen mächtige Wettbewerber wie Google und Samsung auf Dauer nicht halten zu können?

Wohl beides. Wobei die Zahlen dafür sprechen würden, dass sich Apple eigentlich in eine Art Standby-Modus begeben könnte. Ein Rekordquartal jagt das andere, die Aktie ist explodiert. Auf einem Fünftel der weltweit verkauften Smartphones prangt das Apple-Logo. Mit iCloud (demnächst) ist der Konzern bereit, den Verbrauchern einen stylishen Datentresor für ihre digitalen Schätze zu offerieren. Das iPad hat einen Markt neu erschaffen. Den Musikweltmarkt regiert Apple immerhin noch mit mehr als 50 Prozent.

Bei jedem Modell der Cashcow iPhone wurde die Gewinnmarge vergrößert. Selbst das Groscherlgeschäft mit den Apps hat es in sich. Auch wenn Apple schon 2,5 Milliarden Dollar Provisionen an Abertausende App-Entwickler gezahlt hat, sind noch immer gute 800 Millionen Dollar in Cupertino geblieben. Gutes Geld für eine kurze Qualitätskontrolle, bevor die Ware in die virtuellen Regale kommt. Und mit 225 Millionen angemeldeten Benutzerkonten hat der Konzern eine riesige Anhängerschar für seinen einzigartigen digitalen Lebensstil begeistern können.

Aber wer die Apple-DNA studiert, kommt rasch zu der Erkenntnis, dass genug bei Apple noch nie genügt hat. Die Persönlichkeit des Steve Jobs ist der Schlüssel. Und seine iLeadership (Titel eines Managementratgebers) wirkt selbst dann, wenn er krankheitsbedingt gar nicht am Firmencampus weilt. Seine spätpubertäre Sozialisation als kurzzeitiger Biofarmer und die Sinnsuche in Zen-Klöstern konnten nie über seine egomanischen, aggressiven Charakterzüge hinwegtäuschen, sagen die meisten seiner Weggefährten, etwa im Apple-Buch von Michael Moritz.

Wiewohl der erste Apple-Computer der genuinen Ingenieursleistung von Steve Wozniak geschuldet war, ging es schon beim jungen Jobs nicht an, Mitarbeiter Nr. 2 zu sein. Er forderte einen Ausweis mit der Nummer 0 an. Die Kunst, Lieferanten und Partner bis auf die Unterhose auszuziehen, beherrschte Jobs schon, als die Firma erst eine Hand voll Mitarbeiter hatte. Das „an den Eiern packen“ (früher O-Ton von Jobs) war kein rhetorisches Geplänkel. Die Programmierer von VisiCalc zählten zu den ersten, die das am eigenen Leib erfahren durften. Viele Kunden hatten den Apple II nur wegen dieses Programms gekauft. Als die VisiCalc-Leute die Software auch an die Konkurrenz lizenzieren wollten, jagte Jobs sie zum Teufel. Dankbarkeit ist keine Kategorie bei Apple.

Die Spielregeln sind heute dieselben – und gelten auch für Mitarbeiter, die sich dafür zum Klub der Auserwählten zählen dürfen. Jobrotation oder Mitarbeiterentwicklung im herkömmlichen Sinn ist nicht vorgesehen. Die Apple-Soldaten sind nach ihren Fähigkeiten ausgewählt und sollen nur das ihnen Zugedachte machen, das aber exzellenter als alles andere. Jobs ist das große Kunststück gelungen, aus einem 50.000-Mann-Heer eine wendige Truppe zu machen, wie man sie sonst nur von Start-ups kennt. Preisänderungen zwei Tage vor Produkteinführung? Kein Problem für Apple! Die Behäbigkeit des mittleren Managements, die Jobs an vielen Firmen so verachtet, trieb er seinen Leuten mit Erfolg aus.

Weltweiter Patentkrieg

Seit einigen Jahren marschieren im Apple-Heer immer mehr Juristen mit, die als strategische Manöver Mitbewerber aller Größenordnungen systematisch mit Klagen eindecken. Die eigentliche „Kriegserklärung“ Apples gegen Samsung können Interessierte seit 15. April auf der Apple-Website – eingebettet in die üblichen PR-Preisungen – nachlesen. Auf 373 Seiten ist detailliert ausgehängt, welche Patente die Kalifornier durch den iPad-Klon von Samsung verletzt sehen. Die Presse wird in den Zeugenstand gerufen, um den revolutionären Charakter der Apple-Produkte zu untermauern. Bestritten wird diese von Apple angezettelte Revolution von niemandem mehr. Das geben selbst Konkurrenten wie Samsung oder Nokia ohne Umschweife und gern zu. Aber deswegen überlässt man das Feld nicht allein Steve Jobs.

Die Frage, die Apple nun vor Gericht klären will, ist der pekuniäre Wert, den diese Revolution – fünf Jahre nachdem Apple erstmals einen iPod mit Telefoniefunktion vorstellte – noch haben kann. Aus einem einzigartigen Produkt ist in der Zwischenzeit ein Standard für die Gerätegattung Smartphones geworden, der dem Vorbild einmal mehr, einmal weniger ähnelt. „Apple erlebt das, was auch Prada und Puma passiert ist“, sagt Telekommunikationsexperte Karim Taga von Arthur D. Little, „das ist das Schicksal aller erfolgreichen Marken.“ Vor allem in Asien wird aber unverschämt kopiert. Erst Anfang August wurden in der chinesischen Stadt Kunming fünfzig von Apple nicht lizenzierte Shops entdeckt. Der lange Arm von Apple reicht nicht weit genug im Reich der Mitte, und die Gadget-gierigen Chinesen behelfen sich am lokalen Markt schamlos mit Imitaten wie einem „HiPhone“.

Exempel statuieren

Der Schutz des geistigen Eigentums ist bei tragbaren Minicomputern nicht einfacher als bei Ledertaschen und Schuhwerk. Mit dem Bau eines Smartphones können rein rechnerisch bis zu 250.000 (!) Patente verletzt werden. Über deren Sinnhaftigkeit kann zuweilen gestritten werden. Am US-Patentamt hat sich Apple unter der Nummer 3886196 die symbolhafte Abbildung eines weißen Telefonhörers schützen lassen, in allen möglichen Grünschattierungen und mit abgerundeten Ecken. Wer so ein Piktogramm – ohne die Lizenzgebühr zu zahlen – in seinem Produkt verwendet, riskiert eine Klage wegen Patentrechtsverletzungen. Apple hat eine Reihe „sklavischer Nachahmer“ ausgemacht, wie es in der Klagsschrift heißt, „Samsung ist der Anführer“. An den Koreanern wird öffentlichkeitswirksam ein Exempel statuiert.

Aber bei aller unbestreitbaren Selbstherrlichkeit – die Angst von Apple ist nicht unbegründet. Die Kalifornier sind nicht unverwundbar. Die überraschende Übernahme von Motorolas Mobilfunk sparte durch Google am 15. August macht den Hauptgegner von Apple nun noch stärker. Jobs nimmt diesen Deal, wie alles, was Google tut, persönlich. Denn das Smartphone-Betriebssystem Android des Suchmaschinenkonzerns ist innerhalb von zwei Jahren von null auf 43 Prozent Weltmarktanteil geschossen. Das iPhone stagniert bei knapp 5 Prozent.

Apple versucht, Google mit Patentverfahren in die Schranken zu weisen, und hat auch zahlreiche Handyproduzenten wie HTC, die auf Android setzen, mit Klagen überhäuft. Diese Strategie untergräbt Google mit dem Motorola-Kauf. Denn das Filetstück des mit mehr als 12 Milliarden Dollar fürstlich bezahlten Unternehmens (nur zwei Prozent Marktanteil) sind die besagten Patente, die Google für viele Entwicklungen im Mobilfunk- und Multimediabereich absichern dürften. Google wird nun noch schlagkräftiger und hat neue Trümpfe gegen Apple in der Hand.

Dass sich Apple offen mit einem seiner Hauptlieferanten, Samsung, anlegt und sich auch von den Netzbetreibern, den wichtigsten Partnern im iPhone-Vertrieb, emanzipiert, dürfte auch mit möglichen Kurskorrekturen in der Produktpolitik zu tun haben. Über die Display-Lieferungen für das nächste iPad-Modell (2012) wird sowohl mit Samsung als auch mit dem zweiten koreanischen Elektronikriesen LG verhandelt. Gut möglich, dass Samsung seine Schuldigkeit getan hat.

Gerüchten zufolge dürfte das nächste iPhone-Modell auch in einer abgespeckten Version daherkommen. So wird es im Verkauf billiger und bezieht seine Intelligenz aus dem neuen Hirn von Apple: der im Anmarsch befindlichen iCloud. Schnellerer Prozessor und schnellere Datenübertragung am Gerät, das muss reichen. Die Daten lagern in der Wolke. Dort liegen dann die Inhalte, mit denen Apple noch mehr Nutzer in sein abgeschlossenes Universum holen will.

Was mit Musik am iPod begonnen hat, geht mit Apps am iPhone/iPad weiter und soll mit Apple-TV am Fernseher enden. Ein Drittel der Umsätze dieser Content-Fabrik geht an Apple, ob das ein Song, ein Spiel oder eine digitale Zeitschrift ist. Provisionen für die Vermittlung dieser Inhalte zu kassieren ist legitim. Dass Apple aber auch die Preise diktieren und inhaltliches Mitspracherecht will, erhitzt die Gemüter zunehmend, vor allem in der Verlagsbranche, in der manche Steve Jobs vorschnell als Retter der Presse priesen.

Nach eingehender Lektüre der Apple-Verträge stieß vielen Verlegern sauer auf, dass sie nicht befugt waren, Inhalte außerhalb von iTunes auf die Displays des iPads zu bringen. Wer eine Zeitschrift um zwei Euro verkauft, muss sie eigentlich mit 2,60 Euro bei Apple auspreisen, wenn er die Marge halten will. Apple hat den Verlegern aber vorgeschrieben, dass sie ihre Produkte nur gleichwertig bzw. zu niedrigeren Preisen verkaufen dürfen und über iTunes abrechnen müssen, womit die Kundendaten komplett in Apples Hand wären. Dem Vernehmen nach hat Apple seine Vorgaben vor dem Sommer etwas gelockert, den Beteiligten aber noch nicht klar kommuniziert.

Aufstand der Mobilfunker

Ambivalent ist die Beziehung von Apple zu seinen wichtigsten Vertriebspartnern, den Mobilfunkern. Wer die Waffe der mobilen Revolution, das iPhone, haben wollte, musste die härtesten Knebelverträge unterschreiben, die es jemals in der Mobilfunkindustrie gab. Das Gerät wurde in seiner Hochblüte mit dem sechsfachen Preis im Vergleich zu anderen Geräten gestützt, und Apple „regelte“ alles – bis hin zu dem auf den Zentimeter ausgemessenen exakten Standort im Betreiberladen, an dem das Gerät zu präsentieren ist. Und inklusive der Werbemillionen, die Mobilfunker in Marketingkampagnen zu investieren hatten.

„Ihr zahlt, wir schaffen an“, diese Politik von Apple führt immer häufiger zu Unmut unter den Betreibern, die sich offiziell aber nicht äußern (dürfen). Auf die Apple-Produkte können sie noch nicht verzichten, doch hinter den Kulissen gibt es „klar den Auftrag, nach Alternativen zu suchen“, sagt ein Topmanager aus der Branche. Die Provider sind froh, dass sich mit Handys und Tablets auf Google-Betriebssystem endlich eine echte Alternative am Markt abzeichnet, die den Apple-Produkten ganz oder zumindest in Teilbereichen Paroli bieten kann. Gut möglich, dass die Netzbetreiber beim Verkauf eines iPad 2 nicht mehr jede Apple-Forderung akzeptieren. Immer weniger wollen sich dieser Rosskur ein zweites Mal unterziehen.

Eine mittlere Revolte gegen Apple ist bereits im Gang. Media Markt und zahlreiche Netzbetreiber verkaufen das Samsung-Tablet trotz des Verkaufsstopps. Das Argument: Die Geräte im Lager seien vor dem Gerichtsbeschluss am 9. August ausgeliefert worden. Ein taktisch cooler Schachzug von Samsung, der aus der Apple-Schule stammen könnte. Die nächste Verhandlung vor Gericht ist am 25. August.

– Barbara Mayerl

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