Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor im Beschaffungsmanagement
Lieferengpässe wie nach der Katastrophe in Japan, aber auch die Lage auf Rohstoffmärkten machen Beschaffungsmanagement zum Top-Thema. Ein Lösungsansatz ist laut Roland-Berger-Experten Nachhaltigkeit.
Vor lauter Aufregung um Tomaten, Gurken und Sprossen kann sich kaum jemand mehr erinnern, dass erst vor wenigen Monaten ein Skandal um dioxinverseuchtes Tierfutter in unserem größten Nachbarland die Fleischwaren in den Supermärkten ebenso unverkäuflich machte wie heute das Grünzeug. Damals konnte wenigstens die Quelle aufgeklärt werden: Am Anfang der Lieferkette stand Industriefett, das von dubiosen Händlern an Futtermittelhersteller verkauft, von diesen verarbeitet, an die Bauern geliefert und von jenen an Schlachttiere verfüttert wurde, über die der ganze Dreck schließlich sein Endlager im Konsumenten finden sollte.
Wer keinerlei Kontrolle über seine Lieferkette hat, ist solchen Risiken ausgesetzt. Egal ob er nun Gurken oder Schnitzel verkauft oder Autos oder Computer. Einwandfreie Qualität der Zulieferungen zu sichern ist nämlich nur eine der Herausforderungen, vor der das strategische Beschaffungsmanagement steht. Eine andere, nämlich die Verfügbarkeit notwendiger Vorlieferungen zu gewährleisten, wurde vielen Unternehmen erst mit der japanischen Erdbeben-, Tsunami und Atomkatastrophe bewusst. Weltweit kam es bei Auto- und Elektronikherstellern zu Lieferengpässen und Produktionsstillständen.
Neben Krisen und Katastrophen sind knappe Rohstoffe ein weiterer Faktor, der das Bewusstsein für Versorgungssicherheit steigen lässt. Roland Falb, Managing Partner des Strategieberaters Roland Berger, nennt als Antwort auf diese Problemstellungen ein Schlüsselwort: Nachhaltigkeit. Das hatte vielleicht einen esoterischen Anstrich, ist aber gerade im Beschaffungsbereich pures wirtschaftliches Kalkül.
Lieferanten fördern und fordern
Das kann etwa bedeuten, dass ein Gummiwarenhersteller seinen Kautschukbedarf nicht mehr am volatilen Spotmarkt deckt, sondern langfristige Liefervereinbarungen und sogar Partnerschaften mit den Produzenten eingeht. Roland Berger hat zusammen mit dem deutschen Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik erhoben, inwieweit bei Unternehmen ein solches Nachhaltigkeitsbewusstsein bereits ausgeprägt ist und welche konkreten Initiativen sie setzen, um sich auf der Beschaffungsseite langfristig abzusichern. Ergebnis: Die Einkaufsverantwortlichen sind in den Unternehmen gleich nach dem Marketing die wichtigsten Treiber von Nachhaltigkeitsinitiativen klar vor Entwicklungsabteilungen oder Produktion. Falb überrascht das nicht: Wer will schon sein Image ruinieren, weil bei einem Zulieferer Ausbeutung oder Kinderarbeit üblich sind?
Geht es um die konkreten Maßnahmen, die solche Schäden hintanhalten sollen, steht heute die Information von Lieferanten an erster Stelle allerdings tun auch das erst 25 Prozent der Unternehmen. Bestandteil von Lieferverträgen sind Nachhaltigkeitskriterien bei 18 Prozent, bei etwa gleich vielen droht bei Verstößen der Ausschluss aus dem Lieferantenpool.
Wachsende Bedeutung
Der Ausblick auf die nächsten fünf Jahre zeigt, welche Managementkapazitäten demnächst in diesen Bereich investiert werden: Mehr als die Hälfte der Unternehmen wollen bis dahin Nachhaltigkeitskriterien in die Lieferverträge integrieren und bei Verstößen Sanktionen anwenden. Zugleich sollen aber auch die Informationstätigkeit intensiviert sowie Instrumente wie Audits und Scorecards installiert werden. Immerhin ein Drittel der Abnehmer geben an, ihren Lieferanten auch höhere Preise zuzugestehen, wenn sie nachhaltig und verlässlich liefern. Langfristigere Verträge können ebenso eine Komponente von Nachhaltigkeit sein wie das Einbeziehen von Umweltrisiken oder politischer Stabilität bei der Auswahl der Lieferanten, konstatiert dazu Roland-Berger-Experte Falb.
Er ist nicht der einzige Consulter, der im Einkauf einen Schlüssel für den Unternehmenserfolg sieht. So sind die beiden aus Deutschland stammenden, auf den Einkaufsbereich spezialisierten Unternehmensberater Kerkhoff Consulting und Kloepfel Consulting mittlerweile mit Niederlassungen und steigendem Geschäftsvolumen in Wien vertreten. Auch eine von Fraunhofer Austria Research für das ÖPWZ durchgeführte Studie, die am 17. Juni beim Österreichischen Einkäufertag in Salzburg präsentiert wird, unterstreicht das. Demnach kann strategisches Einkaufsmanagement rund fünf Prozent der Kosten einsparen. Um dieselbe Ergebniswirkung im Verkauf zu erzielen, wäre eine Umsatzsteigerung um 30 Prozent erforderlich!
Michael Schmid