Der B2B-Mittelstand muss sich sputen

Inflation, Ukrainekrieg, Energiekosten-Explosion und Lieferkettenprobleme – in der Post-Pandemie-Welt hat der Mittelstand eine Vielzahl von Krisen zu bewältigen. Mit Konsequenzen auf das Unternehmensergebnis.

Der B2B-Mittelstand muss sich sputen

Nur einer von 100 CEOs in Mittelstandsunternehmen geht von einer Verbesserung der Geschäftszahlen aus. Dies geht aus einer Befragung des Bundesverband Deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und der DZ Bank hervor, die im Herbst 2022 Unternehmen des Mittelstands zu ihrer Einschätzung befragt haben. Während in den letzten Jahren die Digitalisierung ein wahrer Booster für Wachstum war, geht das Narrativ nun in Richtung Konsolidierung und der Fokus auf Value.

In der Pandemie waren zahlreiche Unternehmen gezwungen, digitales Marketing und den Vertrieb um jeden Preis voranzutreiben. Denn der digitale Reifegrad korreliert direkt mit der EBIT-Marge, wie das Beratungsunternehmen KPMG in seinem KPMG Digitalisierungsindex 2023 aufgezeigt hat. Neben einer höheren Kundenbindung und -zufriedenheit entstanden dadurch außerdem Kostenvorteile, etwa durch Automatisierung.

Die Verbreitung von eCommerce-Plattformen nahm rasant zu, nicht selten jedoch ohne dabei ernsthaft Kunden zu beeindrucken. Denn die Umsetzung und Skalierbarkeit digitaler Initiativen stellen für viele Unternehmen nach wie vor eine Herausforderung dar.

Der Großteil der Entscheidungsträger (92 %) in B2B-Unternehmen, die in diesem Zusammenhang Herausforderungen mit dem eigenen Tech-Stack wahrnehmen, gaben in einer Befragung des Harvard Business Review an, die Technologie sei die größte Hürde auf dem Weg zum digitalen Vertrieb.

Fakt ist, Unternehmen müssen sich der Transformation stellen, um den veränderten digitalen Kunden-Anforderungen gerecht zu werden. Diese Anforderungen sind mittlerweile - getrieben von Erfahrungen aus dem B2C-Umfeld – enorm hoch und übertragen sich folglich auch auf die Erwartungen der Kunden bzw. B2B-Einkäufer. Um diesen nachzukommen, sollten Unternehmen ihren Fokus künftig auf folgende Bereiche legen:

  • B2B-Consumerization als Treiber für mehr Service
    Der Begriff Consumerization fasst die Nutzung kundenzentrierter Technologie als digitale Schnittstelle zu Kunden zusammen – B2B folgt hier den B2C Trends. Bei Unternehmen entstehen hier verbesserte Möglichkeiten einen Einkauf auch digital zu servicieren. Dies kann einerseits durch den Aufbau von Enterprise Marketplaces, Kundenportalen und Self-Service-Lösungen, aber auch durch die Nutzung von Digital-Experience-Plattformen geschehen, auf denen kanalübergreifend Funktionen aus Marketing, Sales, Service und Contentmanagement vereint werden.
  • Optimierung der Omni-Channel Journey
    B2B-Einkäufer erwarten und fordern zum Teil sogar ein einheitliches Kundenerlebnis über die gesamte Purchasing Journey hinweg - von der Awareness, über den Sales bis hin zum Service. Dies betrifft nicht nur unsere physische, sondern immer mehr auch die digitale Welt. Eine kanalübergreifend abgestimmte Kommunikation in jeder Phase bedeutet daher eine Aktivierung relevanter Marken- und Produktbotschaften
  • Priorisieren von kundenzentrierten Erlebnissen
    Neben einer optimierten Customer Journey, erwarten sich die B2B-Einkäufer außerdem eine auf ihre individuellen Beschaffungsbedürfnisse zugeschnittene und personalisierte Kommunikation. Da die Product Journey im B2B Sektor oft einen besonders relevanten Faktor darstellt, muss ein tiefgreifendes Verständnis über die Motive der Kunden aufgebaut und die User Experience optimiert werden. Aufgrund der Fülle an Funktionen und Anpassungsmöglichkeiten, muss gerade auf die Auffindbarkeit der Produkte besonderes Augenmerk gelegt werden.
  • Mehr Erfolg durch digital integrierte Dienstleistungen
    Gerade im B2B-Sektor können sich die Elemente der Wertschöpfungskette grundlegend voneinander unterscheiden. Um auch Kollaboration zwischen Unternehmen in einem Ökosystem oder auch Upselling Potenziale optimal nutzen zu können, bedarf es daher integrierte Lösungen, beispielsweise in Form von Produkt Konfiguratoren (CPQ) oder digitale Services, welche eine verzahnte Arbeitsweise von Planung bis hin zur Beratung und Schulung ermöglichen.

Aus den genannten Erwartungen der Kunden bzw. der B2B-Einkäufer an das Kundenerlebnis leiten sich für die Kundenzentrierung folglich Schlüsselbereiche für die Organisation, insbesondere im Front Office von Marketing zu Sales, Service und Commerce ab:

  • Neudenken des Vertriebs
    Auch bei der Nutzung von datengetriebenen Schnittstellen besteht Handlungsbedarf, insbesondere bei der Verkettung von Digital mit dem klassischen B2B-Vertrieb.
    Einen besonderen Stellenwert nehmen dabei die digitale Neukundenakquise und das Lead Management ein. So können mit Hilfe von digitalen Tools und automatisierten Prozessen potenzielle Kunden angesprochen, sowie Leads generiert und qualifiziert werden.
  • Employee Experience: vom Tech Enablement bis zur Personalsuche
    Die bessere Vermarktung des Unternehmens gilt als zentraler Aspekt, wenn es um das Sichern von Nachwuchstalenten und die Reduktion des Fachkräftemangels geht.
    Durch zielgruppenorientiertes Employer Branding werden potenzielle Mitarbeiter gezielt angesprochen und im besten Fall gewonnen. Doch auch auf technologischer Ebene kann die Employee Experience verbessert werden, wie beispielsweise durch den Einsatz von Automatisierung und KI-Tools, die den Mitarbeitern mehr Zeit für anspruchsvolle Tätigkeiten sichern soll.
  • Etablierung von New Tech and Data Architecture
    Um monolithische Systeme abzulösen und Mehrwert von Daten freizusetzen, liegt der Fokus auf der Flexibilisierung der digitalen Systemlandschaft. In einem Best-of-Breed-Ansatz werden Systeme unterschiedlicher Anbieter miteinander kombiniert. Composable Commerce und Headless Architecture ermöglichen folglich ein Setup, bei dem einzelne Komponenten unabhängig voneinander in verschiedenen Umgebungen eingesetzt werden können. Dazu gehört unter anderem auch ein integriertes Datenmanagement, denn gerade im B2B-Bereich erwarten Käufer, dass Produkt-, Preis-, Bestands-, Versand- und Kundendaten über alle Touchpoints hinweg korrekt sind.
  • Kollaboration statt Silo-Denke
    Ein kundenzentriertes B2B-Betriebsmodell erfordert eine datengetriebene Vernetzung des gesamten Front-Offices (Marketing, Sales, Commerce und Service). Nur so kann eine integrierte und ergebnisorientierte Planung, Steuerung und Optimierung des gesamten Kundenerlebnisses entstehen und erfolgreich fortgeführt werden. Neben der systemischen Ebene werden u.a. auch Analyse, Lead Management und Marketing Aktivierungs-Prozesse im Regelbetrieb mit Hilfe von MarTech und schlanken Prozessen skaliert. So können Synergieeffekte geschaffen und schlussendlich nahtlose und personalisierte Customer Journey über alle Touchpoints hinweg gewährleistet werden.

Fazit. Für eine optimale B2B-Experience ist ein tiefgreifender Wandel notwendig, der das gesamte Front Office umfasst – von Marketing und Commerce über Sales, bis hin zu Service. Die Herausforderungen liegen sowohl in der erhöhten Komplexität von B2B-Geschäftsmodellen als auch in der Notwendigkeit einer kundenorientierten Ausrichtung der Organisation. Hier ist es vor allem notwendig, die Belegschaft beim Wandel zu begleiten.

Während die Krisengewinner ihre Erträge in neues digitales Wachstum investieren können, müssen andere ihre bestehenden Strukturen vor dem Hintergrund der Digitalisierung hinterfragen, um Kostenpotenziale zu realisieren. In beiden Fällen sind B2B-Unternehmen gut darin beraten, eine Vision auf Basis eines tiefgreifenden Umdenkens zu formulieren und rasch in die Umsetzung zu kommen.

Über den Autor:

Valentino Ritter ist Partner bei TOWA. Er verantwortet den Bereich Business Design & Consulting und bringt seine Erfahrung im Umfeld digitaler Transformation mit.

TOWA entwickelt maßgeschneiderte digitale Lösungen mit Fokus auf den Mittelstand.

Als Experte für Digitale Geschäftsmodelle, Marketing und Transformation hatte Ritter bis vor Kurzem diverse Lead Funktionen im global agierenden Beratungskonzern Accenture Song inne. Ritter erweitert nun die Unternehmenskompetenzen von TOWA in bestehenden sowie neuen, nationalen und internationalen Bereichen.

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