Fachkräftemangel: Wie CFOs den Personalmangel bekämpfen können

Der Fachkräftemangel stellt Unternehmen vor immer größere Herausforderungen und macht auch vor den Finanzabteilungen nicht Halt. In Controlling, Buchhaltung und Lohnverrechnung fehlt es allerorts an Nachwuchs. Dabei hat der Kampf um die besten Talente erst begonnen.

Thema: Management Commentary
Peter Schentler, Partner bei der Managementberatung Horváth in Wien und Spezialist für CFO-Beratung

Peter Schentler, Partner bei der Managementberatung Horváth in Wien und Spezialist für CFO-Beratung

Für die Finanzverantwortlichen der großen Unternehmen steht fest: Mittelfristig ist das Unternehmensrisiko fehlender Mitarbeiter in den Finanz-, Controlling- und IT-Abteilungen größer als alle Angst vor Inflation und Versorgungsengpässen. Die CFOs gehen davon aus, dass die betriebswirtschaftlichen Risiken bis 2025 in den Griff zu bekommen sind, der Fachkräftemangel aber nicht.

Schon jetzt schmerzen die Auswirkungen: Bereits jede zehnte Stelle in den Finanz- und Controlling-Abteilungen bleibt unbesetzt, wie die jüngste *CFO-Befragung der Managementberatung Horváth zeigt – Tendenz steigend. Die Personalkosten werden so zwangsläufig überproportional steigen. Hinzu kommt, dass der Personalengpass zu Problemen führt, neue regulatorische Pflichten zu erfüllen oder Innovationen umzusetzen.

Wirtschaftsabsolventen begehrt wie nie

Vor allem Controller (73%) und IT/Data Management (68%) sind gesucht. In weiteren Finanzbereichen wie dem Accounting sind die Personalnöte zwar geringer (32%), nehmen aber ebenso zu. Die befragten Finanzchefs führen die Besetzungsprobleme auf hohe Anforderungen an Qualifikationen zurück, auch wenn diese durchaus erfüllbar und gar nicht allzu spezifisch sind. Zudem liefern die Universitäten dem Arbeitsmarkt so viele Absolventen wie nie.

Während die befragten CFOs davon ausgehen, dass es nicht an der Attraktivität der Positionen liegt, sagen HR-Experten, dass es genau das ist, was heute zählt. Gute Gehälter allein sind nicht mehr ausreichend – Bewerber wünschen sich moderne Organisationsstrukturen, adäquate IT-Ausstattung und flexible Arbeitsmodelle. Dem wollen oder können aber nur die Hälfte der befragten Unternehmen begegnen. Dabei kann gerade hier ein wichtiger Wettbewerbsvorteil liegen.

Die Süße der Finanzlebens

Hippe Finanzorganisationen, die es schaffen, die hohe Arbeitslast durch interdisziplinäre Teamarbeit und automatisierte, digitale Prozesse ebenso wie attraktive Goodies („Fringe Benefits“) zu verknüpfen, sind für Fachkräfte generell attraktiver. Hingegen führen die aktuellen Rekrutierungsschwierigkeiten bei den meisten befragten CFOs (93%) zu Überstunden im bestehenden Team und tragen dazu bei, dass sich Leute wegen Überlastung verabschieden.

Wie die Horváth-Studie zeigt, sehen inzwischen 70 Prozent ein mittleres bis hohes Risiko, dass die Krankheitsraten aufgrund der Arbeitslast ansteigen. Dazu kommt: Werden Neueinstellungen überdurchschnittlich hoch bezahlt, wird das gesamte Gehaltsgefüge verzerrt, was zu Unfrieden in der Stammbelegschaft führen kann. Es geht also darum, ein vernünftiges Maß an Arbeitszeit und Arbeitslast mit attraktiven Arbeitsbedingungen und Extra-Belohnungen zu ergänzen, eine gute Balance zwischen „alten“ und „neuen“ Mitarbeitern herzustellen.

Junge wollen Neuland erobern

Viele Unternehmen (70%) haben die Personalnöte vorausgesehen und schon damit begonnen, digitale Lösungen zu implementieren, um wiederkehrende Prozesse zu automatisieren und die Zusammenarbeit zu vereinfachen. Diese digitalen Entwicklungen sind natürlich wichtig und attraktiv für Neueinsteiger, doch auch die Organisationsstrukturen sowie die Unternehmenskultur müssen Schritt halten. Die Jungen verabscheuen alte Trampelpfade, sie wollen Neuland erobern!

Interne Weiterbildung und Trainings werden der CFO-Studie zufolge nur von jedem dritten Finanzchef als geeignete Maßnahmen gesehen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dabei zeigen Umfragen unter Neueinsteigern ebenso wie ein Blick auf die künftig benötigten Kompetenzen, dass es v.a. Kommunikationsfähigkeiten und Stakeholder-Management sind, die gebraucht werden, um die Transformation zu meistern. Und das macht Kandidat/innen garantiert hellhörig.

Fazit: Wer im „War of Talents“ der Zukunft punkten will, muss den Wünschen und Interessen der jungen Generation entgegen kommen. Das gilt zwar grundsätzlich für jede Branche, ist aber gerade im Finanzwesen unerlässlich. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, frische Organisationsstrukturen und innovative Weiterbildungsangebote. Im Finanzwesen braucht es gar keine Wunder, sondern einfach die Besten der Besten.


*Für die Horváth-Studienausgabe der CFO Insights zum Fachkräftemangel in den Finanzabteilungen (“Finance and the war for talents“) wurden branchen- und länderübergreifend 50 CFOs aus Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern und 250 Millionen Euro Jahresumsatz befragt.


DER AUTOR

Peter Schentler ist Partner bei der Managementberatung Horváth in Wien und Spezialist für CFO-Beratung. Er betreut seit Jahren komplexe Transformationsprojekte im internationalen Umfeld

Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Unternehmensberatung Horváth. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".


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