Gelegenheit macht Diebe: Wie Mitarbeiter ihre Firma betrügen
Kein Unternehmen ist vor Betrug durch Mitarbeiter im Betrieb gefeit. Am Beispiel von Fällen aus der Praxis illustriert der Wirtschaftsprüfer TPA, wodurch Betrug in Unternehmen begünstigt wird.
Wenn Mitarbeiter Geld oder Waren beiseite schaffen, haben meist die Kontrollmechanismen im Unternehmen versagt.
Betrug im Betrieb ist keine Seltenheit. 20 Prozent aller Betriebe mit mehr als 250 Mitarbeitern in Österreich sind von Wirtschaftskriminalität betroffen. Dabei geht es meist um Unterschlagung, Diebstahl und Veruntreuung von Firmeneigentum.
Die Täter kommen vielfach nicht von außen. 80 Prozent der Täter sind Mitarbeiter der geschädigten Unternehmen. Der US-Verband Association of Certified Fraud Examiners analysierte 2.410 Betrugsfälle von Mitarbeitern weltweit. Demnach findet die Unterschlagung von Vermögen zwar nur in zehn Prozent der Fälle statt, verursacht aber den größten Schaden. Die Dauer bis Betrugsdelikte wie Gehaltsabrechnungen, Finanzbetrug, Missbrauch von Kostenerstattungen und Abrechnungsbetrug aufgedeckt werden, beträgt im Schnitt 24 Monate. Aufgedeckt werden die Missbräuche zu knapp 40 Prozent durch Hinweise. Sei es durch die Belegschaft des eigenen Unternehmens, Kunden, Lieferanten, Zwischenhändler oder letztlich doch durch Kontrollmechanismen, die vorher lange versagt haben.
Nicht selten machen es Firmen den Mitarbeitern vergleichsweise einfach zum Betrüger zu werden. Die Wirtschaftsprüfer der TPA haben aus ihrer Praxis typische Fehler bei der Kontrolle im Unternehmen aufgelistet. Vor allem im Handel haben es Mitarbeitern oft nicht allzu schwer, Geld oder Waren auf die Seite zu räumen.
Beispiel 1: Zu wenig Mitarbeiter für die Kontrolle der Zahlungseingänge
Ein Unternehmen betreibt mobile Verkaufsstände, die von jeweils einem Mitarbeiter betreut werden. Die Verkaufsumsätze werden über die Registrierkassa erfasst. Am Ende des Tages sollte die Barlosung aufs Bankkonto des Unternehmens eingezahlt werden. Ein Mitarbeiter zahlte die Losung eines Tages aber nicht auf das Firmenbankkonto ein, sondern behielt den Geldbetrag. Das wurde im Unternehmen nicht gleich entdeckt, da nur ein einziger Mitarbeiter im Rechnungswesen für die Kontrolle des gesamten Zahlungseingangs zuständig war.
Beispiel 2: Fehlendes Vieraugenprinzip im Bereich Lager und Inventur
In einem anderen Fall war ein langjähriger Mitarbeiter alleine für das Lager und die Kontrollzählungen bei der Inventur zuständig. Die laufenden Produktentnahmen und privaten Verkäufe des Mitarbeiters konnten über mehrere Jahre nicht aufgedeckt werden.
Beispiel 3: Übernahme der Aufgaben anderer Mitarbeiter ermöglicht Selbstprüfung
Die Mitarbeiter eines Unternehmens haben treuhändig Geld von Kunden verwaltet. Zur Kontrolle sollten detaillierte Listen geführt werden und eine gegenseitige Kontrolle durch andere Mitarbeiter erfolgen. Außerdem war die Vorgesetzte zu unterjährigen Stichprobenprüfungen und einer jährlichen Vollprüfung angehalten.
Mitarbeiter A hat vermehrt Aufgaben und Extraschichten von anderen Mitarbeitern übernommen und ging selten auf Urlaub. Für die unterjährige Stichprobenprüfung hat er die Stichprobe selbst ausgewählt, sodass keine Unstimmigkeiten festgestellt werden konnten. Erst im Zuge der Vollprüfung zum Jahresende wurde der Betrug festgestellt.
Was Wirtschaftskriminalität begünstigt
Damit aus Mitarbeitern Täter werden, müssen laut dem amerikanischen Kriminologen Donald R. Cressey drei Bedingungen (Fraud Triangle) vorliegen, die wirtschaftskriminelles Verhalten begünstigen:
- Wahrgenommene Gelegenheit: Der Täter erkennt eine Schwachstelle im System, die es ihm ermöglicht, die Tat zu begehen.
- Anreiz / Druck / Motiv: Beweggründe, die den Täter zur Begehung einer dolosen, also einer arglistigen oder betrügerischen Handlung verleiten. Die Motive dafür können Gier, Bedürfnisbefriedigung, ungerecht empfundene Vergütungs- oder Beförderungspraxis oder Überarbeitung sein.
- Innere Rechtfertigung: Der Täter ist überzeugt, dass seine Tat gerechtfertigt, nicht kriminell oder Teil einer Situation ist, die er nicht beeinflussen kann.
Um dieses Fraud Triangle zu durchbrechen, empfiehlt TPA Wirtschaftsprüferin Manuela Ponesch-Urbanek speziell beim Punkt „Wahrgenommene Gelegenheit“ anzusetzen. „Ein wirksames internes Kontrollsystem signalisiert, dass die Chancen auf eine erfolgreiche Tat gering sind.“ Vor allem im geldnahen Bereich seien flächendeckende Kontrollen notwendig.