Unternehmensstrategie: Warum ein klares Leitbild so wichtig ist

Zukunftsgerichtete Unternehmen müssen sich mit den Kernfragen "Wozu sind wir da?" und "Was ist unser Beitrag zu einer nachhaltigen Wirtschaft?" beschäftigen. Überzeugende Antworten steigern die Arbeitsleistung im Unternehmen und werden zunehmend von Kunden und Investoren gefordert.

Thema: Management Commentary
Oliver Greiner, Strategieberater und Partner bei der Managementberatung Horváth & Partners in Stuttgart

Oliver Greiner, Strategieberater und Partner bei der Managementberatung Horváth & Partners in Stuttgart

Ein klares Verständnis von Sinn, Auftrag und Anspruch bietet gerade in unsicheren Zeiten Orientierung und steigert die Identifikation von Mitarbeitern mit ihrem Arbeitgeber. Auch externe Stakeholder wie Kunden, Bewerber und Investoren legen immer mehr Wert darauf, dass Firmen eine übergeordnete Existenzberechtigung vorweisen können – also einen gesellschaftlichen Auftrag haben.

Die erforderliche Auseinandersetzung mit diesem Auftrag bietet zugleich die Chance, das bestehende Unternehmensleitbild mit Blick auf etablierte Konzepte wie Mission, Leitsätze und Werte zu modernisieren. Viele Experten sind sich darin einig: Ein sinnvoller und nachvollziehbarer Daseinszweck für die Allgemeinheit wird in Zukunft immer mehr darüber entscheiden, ob ein Unternehmen erfolgreich bleiben wird.

Nachholbedarf in vielen Unternehmen

Umso erstaunlicher ist, dass führende Unternehmen ein klares Leitbild als Kompass für ihr Handeln vermissen lassen. Das geht zumindest aus unserer Leitbildstudie 2020 hervor, für die wir in Deutschland über 90 DAX-30- sowie MDAX-Unternehmen analysiert haben: Zu unserer Überraschung hat lediglich ein einziges Unternehmen ein vollständiges Leitbild definiert.

Ein vollständiges Leitbild setzt sich unserem Verständnis nach aus fünf wesentlichen Faktoren zusammen: Purpose, Mission, Vision, Leitsätze und Werte. Betrachtet man die öffentlich verfügbare Kommunikation vieler Unternehmen, fällt die inkonsistente Handhabung dieser Elemente auf. Vielfach bleibt es bei einer lapidaren Vision, einem rudimentären Bekenntnis zur Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Umwelt oder banalen Stehsätzen zu den Werten, denen man verpflichtet ist.

Zentrale Antworten bleiben offen

Was hingegen fehlt, sind fundierte Antworten auf zentrale Fragen: Welchen Beitrag leistet das Unternehmen für eine bessere Welt (Purpose)? Welchen Auftrag erfüllt es für seine Kunden (Mission)? Welches Zukunftsbild hat es (Vision)? An welchen Eckpunkten kann sich die tägliche Entscheidungsfindung orientieren (Leitsätze)? Und welches Verhalten wird von Mitarbeitern erwartet (Werte)? Ein überzeugendes Leitbild erwächst erst aus dem Zusammenspiel dieser fünf Komponenten.

Orientierung gesucht

Gerade in unsicheren Zeiten wie der aktuellen COVID-19-Pandemie benötigen Unternehmen einen eindeutigen Leitstern als Kompass. Aus gutem Grund: Der zunehmende Fachkräftemangel, aber auch das wachsende Nachhaltigkeitsdenken der nächsten Generation sind immer mehr Anlass, über das eigene Tun nachzudenken, sich öffentlich seiner Verantwortung zu stellen und diese aktiv zu kommunizieren. Lippenbekenntnisse allein werden da nicht mehr ausreichen. Junge und exzellente Fachkräfte, die sich ihren Arbeitsplatz aussuchen können, schauen genau darauf, was der potenzielle Arbeitgeber verspricht, und wie er sich verhält.

Leitbilddiskussion in Bewegung

Diese jüngsten Entwicklungen haben dazu geführt, dass in die Konzernzentralen Bewegung gekommen ist. Einige Unternehmen haben im vergangenen Jahr ihre Hausaufgaben gemacht und einen Unternehmenszweck formuliert. Das belegt der Vergleich der Studienergebnisse mit der Vorjahresuntersuchung: Während 2019 bei nur 20 Prozent der DAX-30- und MDAX-Kandidaten ein Purpose zu finden war, sind es in diesem Jahr bereits 39 Prozent.

Mit einer Mission können in diesem Jahr 40 Prozent aufwarten, 63 Prozent mit einer Vision und 24 Prozent mit Leitsätzen. Werte sind mit 66 Prozent das am häufigsten kommunizierte Element. So setzt sich in den Chefetagen langsam die Erkenntnis durch, dass man sich beim Leitbild keine Schwäche erlauben darf. Offen bleibt allerdings, wie viele Unternehmen sich tatsächlich nachhaltig am Wohl der Gesellschaft ausrichten werden – und es nicht bei Lippenbekenntnissen belassen.


Fazit: Die Erstellung eines Leitbildes sollte zum Standard der Strategiearbeit von Unternehmen gehören, um den langfristigen Markterfolg abzusichern. Ein funktionierendes Leitbild ist vergleichbar einem Kompass und trägt dazu bei, dass Mitarbeiter ebenso wie Investoren, Lieferanten und Kunden – mit gutem Gewissen und gutem Gefühl – einem Unternehmen, seinen Produkten und Dienstleistungen vertrauen können.

Für die Leitbildstudie 2020 hat Horváth & Partners die öffentlich kommunizierten Leitbilder der 90 DAX-30- und MDAX- Unternehmen recherchiert und analysiert. Die Studie finden Sie hier zum Download.


Über den Autor

Oliver Greiner ist Strategieberater und Partner bei der Managementberatung Horváth & Partners in Stuttgart. Er ist u.a. Autor des Strategiebuchs "TOUCHDOWN! Wie Unternehmen unschlagbar werden.
E-Mail: ogreiner <AT> horvath-partners.com


Die Serie "Management Commentary" ist eine Kooperation von trend.at und der Unternehmensberatung Horváth & Partners. Die bisher erschienen Beiträge finden Sie zusammengefasst im Thema "Management Commentary".


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