Robin Lumsden: Stanford goes Pentagon

Der Wiener Wirtschaftsanwalt Robin Lumsden hat zwei Jahre für den trend von seinen Studien an der US-Eliteuni berichtet. Zurück in Wien hält er Kontakt zu Stanford. Diesmal: Wie sein Klassenkollege Nand Mulchandani, erfolgreicher Softwareunternehmer, zum Chief Technology Officer im amerikanischen Verteidigungsministerium wurde.

Robin Lumsden: Stanford goes Pentagon

DER AUTOR Robin Lumsden (li.) mit Nand Mulchandani, der sich als schon vielfacher Millionär noch einmal in den Klassenraum der US-Uni setzte, um sich fortzubilden.

NACH DEN ERSTEN 100 TAGEN von Präsident Joseph Biden herrscht auch in Stanford reges Interesse an den ersten Zwischenbilanzen. Die positiven Eindrücke überwiegen. Das Impfziel konnte mehr als erreicht werden, auch die wirtschaftliche Erholung ist längst in Griffweite.

Über die relative Erfolgsbilanz ist man in Stanford wenig überrascht: Man kennt die speziell in Krisenzeiten pragmatische Mentalität der USA und deren technologischen Vorsprung. Im Silicon Valley ist man überzeugt, dass es die umfassende Verfügbarkeit von Daten und der gezielte Einsatz von Artificial Intelligence (AI =künstliche Intelligenz, deutsch KI) sind, die für die Erholung im Land verantwortlich waren -und auch für den zukünftigen Erfolg der USA sein werden.

Ein besonderer Experte im Bereich AI ist der derzeit wohl erfolgreichste meiner Stanford- Klassenkollegen, Nand Mulchandani. Nachdem er mehrere Softwareunternehmen gründete und zu dreistelligen Millionenbeträgen verkaufte, ist er jetzt der Chief Technology Officer im US-Pentagon. Er ist im Pentagon verantwortlich für die militärische AI-Strategie und sitzt an den zentralen Schalthebeln rund um Verteidigungsminister Lloyd Austin und Präsident Joe Biden.

Seine Hauptaufgabe: die digitale Modernisierung des US-Militärs mit besonderem Fokus auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Bisherige Grunderkenntnis: Die Pandemie hätte gezeigt, wie schnell und vernetzt ein Land reagieren müsse, um nationale oder globale Bedrohungsszenarien abzuwenden, man will in Zukunft noch besser aufgestellt sein und noch mehr innovative Technologien verwenden.

In den USA steht man dem Einsatz von AI und dem zielgerichteten Einsatz von Daten im Regierungs- und Militärbereich grundsätzlich positiv gegenüber. Wohl berechtigt: So hat in einigen Regionen ein Algorithmus berechnet, welche Personengruppen für die Impfung zu priorisieren sind, treffsicherer als eine reine Kategorisierung nach dem Lebensalter. In vielen Gegenden überwiegt noch ein zusätzlicher Vorteil, argumentieren die Befürworter: Solche AI-basierten Systeme könnten Verbrechen noch verhindern, bevor sie begangen werden. Insbesondere das US-Militär wird in den nächsten Jahren noch stärker auf AI setzen und seine diesbezügliche Technologie massiv ausbauen - schließlich befindet man sich auch auf diesem Feld in einem sehr harten Wettbewerb mit China.

AUCH EUROPA WÄRE GUT BERATEN, hier nicht den Anschluss zu verlieren. Freilich sind hier auch manche vorsichtige Töne verständlich: Künstliche Intelligenz (KI), die für die einen eine Zukunftshoffnung schlechthin ist, bietet für andere auch ein bedrohliches Szenario. Einig sind sich beide Seiten in einem Punkt: Selbstlernende Computerprogramme, die ihre Leistung durch die Analyse großer Datenmengen stetig verbessern, sind ein mächtiges Werkzeug. Aber soll nun künftig KI darüber entscheiden, wer eine Stelle bekommt oder wer bei einer Triage die besten Chancen hat und das letzte Intensivbett bekommt?

Vor diesem Hintergrund will die EU nun klare Regeln für die Nutzung von KI aufstellen und sensible Anwendungen sogar vollständig verbieten. Etwa die Nutzung von KI, um das Verhalten oder Entscheidungen von Menschen oder Gruppen direkt zu ihrem Nachteil zu beeinflussen oder um Schwachstellen aufzudecken, die dafür genutzt werden können. Zudem sollen die willkürliche Überwachung von Menschen und die Nutzung von KI zum "Social Scoring" verboten sein.



Nand und ich planen bereits eine physische Veranstaltung am Campus von Stanford. Viele sehnen sich danach.

Unter Social Scoring versteht man den Versuch, mit Hilfe eines Punktesystems soziale Phänomene oder die Eigenschaften von Personen zu beschreiben, vergleichbar zu machen und zu bewerten. Als negatives Extrembeispiel gilt das chinesische System: Dort werden Menschen auf Grund von Punkten für systemkonformes Verhalten belohnt und für Verstöße bestraft. Für Unternehmen sollen die Strafen bis zu vier Prozent des jährlichen globalen Umsatzes betragen können.

BEI ALLEN BEDENKEN
will die EU nun aber versuchen, ein attraktives Umfeld für KI-Entwickler zu bieten. Die Regulierung risikobehafteter Produkte soll dabei sogar zum Vorteil werden: Die Zulassung in der EU soll, quasi als Gütesiegel, dazu beitragen, dass die Bürger der Technik vertrauen. Um diesen Effekt zu verstärken, will sich die EU mit den USA enger abstimmen und auch Regulierungen für die Techbranche besprechen.

Washington ist an einer Technologiepartnerschaft mit Europa interessiert. Die USA fürchten, ihre technologische Vormachtstellung an China zu verlieren. "Chinas Einsatz von KI im eigenen Land ist ein abschreckender Präzedenzfall", heißt es im kürzlich veröffentlichten Bericht der National Security Commission on Artificial Intelligence, "Amerika muss seine ältesten Verbündeten einbinden, um eine sicherere Welt für das KI-Zeitalter zu schaffen."

Nand Mulchandani könnte dafür ein wichtiges Bindeglied sein. Das gibt es nur in Stanford: Als vielfacher Millionär setzte er sich nochmals in den Klassenraum. Im Silicon Valley ist man nun sehr stolz auf ihn und fühlt sich dadurch noch besser in Washingtoner Regierungskreisen vertreten.

Nand und ich planen jedenfalls bereits eine der ersten physischen Stanford-Veranstaltungen für diesen Sommer. Dort werden nicht nur Absolventen, erfolgreiche Silicon-Valley-Pioniere sowie das ein oder andere ehemalige Mitglied der US-Regierung eingeladen sein, sondern jeder, der sich wieder sehnsüchtig nach menschlichen Treffen am wunderschönen Stanford-Campus sehnt. Und das sind extrem viele.

Zum Autor

Robin Lumsden ist Anwalt in Wien, New York und Washington. Zwei Jahre verbrachte er an der US-Eliteuniversität Stanford. Seine Arbeit als Anwalt und die dort gewonnenen Erfahrungen verarbeitet er jetzt dieser Kolumne.



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