Leadership: Mit Wertschätzung und Respekt zu Erfolg
Wenn es in Unternehmen brennt, wird der Umgangston oft rauer. Der Respekt im Umgang miteinander geht also verloren, die Mitarbeiter spüren die Wertschätzung ihrer Vorgesetzten nicht mehr. Das wirkt sich negativ auf ihre Motivation und Leistung aus. Unternehmens- und Organisationsberater Klaus Doll über die Macht des guten Tons.
Viele Daumen hoch: Wertschätzung schafft Team-Spirit und ist ein Erfolgsfaktor.
Führungskräfte sollten einen wertschätzenden, von wechselseitigem Respekt geprägten Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegen. Das wird in Führungsseminaren oft betont. Doch im Arbeitsalltag spüren die Mitarbeiter hiervon häufig wenig. Es herrscht nicht selten ein eher rauer Umgangston, besondere dann, wenn es im Gebälk des Unternehmens brennt. Wenn etwa die Einnahmen wegbrechen und die Führungskräfte selbst unter einem hohen Druck stehen, dann werden oft sogar die banalsten Benimm-Regeln vergessen, die im menschlichen Miteinander eigentlich gelten.
Mangelnder Respekt hat viele Gesichter
Da geht zum Beispiel ein altgedienter Mitarbeiter in den Ruhestand, ohne dass zuvor ein Vorgesetzter mal vorbeischaut, ihm die Hand reicht und ein Wort des Dankes sagt. Da wird zum Beispiel eine hochqualifizierte und engagierte Fachkraft, die in einem Meeting sachliche Bedenken gegen die Planungen ihres Vorgesetzten äußert, von diesem vor versammelter Mannschaft angeraunzt: „Wollen oder können Sie nicht? In beiden Fällen sind Sie hier fehl am Platz.“ Da erhält zum Beispiel eine Controllerin von ihrem Chef, der ein Zimmer weiter sein Büro hat, zehn Minuten vor Feierabend per Mail die Anweisung, sie müsse bis zum nächsten Morgen eine Präsentation vorbereiten, obwohl dieser weiß: Sie muss ihr Kind vom Hort abholen.
Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen. Die Anekdoten aus dem Betriebsalltag, die man als Trainer in Seminaren hört, ergeben hierfür einen großen Fundus. Und regelmäßig hört man von den Teilnehmern: „Das Klima in unserem Betrieb hat sich verschlechtert. Der Umgangston wird immer rauer.“
Den Letzten beißen oft die Hunde
Das fängt bei den sogenannten mittleren Führungskräften an. Sie sind um ihre Sandwich-Position als Mittler zwischen den „Chefs ganz oben“ und den „Werkern“ auf der operativen Ebene nicht zu beneiden. Denn sie bekommen die Nervosität und Hektik, die in den Chefetagen vieler Unternehmen gerade in Corona-Zeiten oft herrscht, meist unmittelbar zu spüren.
Und weil sie selbst unter einem enormen Druck stehen, geben sie diesen nicht selten ungefiltert an ihre Untergebenen weiter. Dabei gilt die Faustregel: Der Umgangston wird umso rauer
- je weiter man in der Unternehmenshierarchie nach unten kommt und
- je einfacher die Mitarbeiter aufgrund ihrer (geringen) Qualifikation) durch andere Personen zu ersetzen wären.
Denn auch in vielen Unternehmen gilt: Den Letzten beißen stets die Hunde. Oder wie es ein Personalvorstand mal smarter formulierte: „Unsere Top-Führungskräfte und -Spezialisten hofieren wir, den Rest unserer Kernmannschaft pflegen wir. Und das Fußvolk? Das sourcen wir entweder out oder minimieren die Kosten.“
Schon lange existiert denn auch in den meisten Kapitalunternehmen nicht mehr ein Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es sich früher in solchen Begriffen wie die Siemens- oder Bosch-Familie artikulierte. Und in welchen Betrieben nennen sich die Mitarbeiter noch stolz wie früher zum Beispiel „Opelaner“? Nur in ganz wenigen Unternehmen ist dies noch der Fall! In deutlich mehr Unternehmen regiert heute – obwohl sie eine bereichs- und funktionsübergreifende Team- und Projektarbeit propagieren – das Einzelkämpfertum; zumindest wenn es hart auf hart kommt. Jeder ist sozusagen mit dem eigenen Überleben beschäftigt.
Mitarbeiter empfinden sich als „Human-Kapital“
Das überrascht zum Teil. Denn bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie boomte die Wirtschaft – über ein Jahrzehnt lang. Und die Zahlen fast aller Unternehmen stimmten. Deshalb hätten die Verantwortlichen an der Spitze eigentlich ganz relaxt sein können und die Herausforderungen – vor denen ihre Unternehmen zweifellos unter anderem aufgrund der Digitalisierung stehen – ganz entspannt und systematisch angehen können. Das taten sie aber nicht. Stattdessen wurde der Druck im „Kessel“, teils auch getrieben durch die Finanzmärkte, weiter erhöht, mit der Konsequenz, dass das Betriebsklima stets rauer wurde. Zugleich wurde jedoch betont: „Wir brauchen intrinsisch motivierte Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren und sich eigeninitiativ für das Erreichen der Ziele des Unternehmens engagieren.“
Doch woher sollen diese kommen, wenn die Mitarbeiter zugleich registrieren: „Wir sind eigentlich nur noch Human-Kapital, das je nach Bedarf gehätschelt oder getreten bzw. auf- oder abgebaut wird.“ Wenn Mitarbeiter diesen Widerspruch spüren, dann gehen sie zu Recht emotional auf Distanz zum Unternehmen, und ihre Handlungsmaxime lautet wie bei den Kapitalgebern: Wie ziehe ich aus der Beziehung den größtmöglichen Profit? Und wenn aus Ihrer Warte das wechselseitige Geben-und-Nehmen nicht mehr stimmt? Dann verabschieden sie sich zumindest mental vom Unternehmen. Das heißt, ihre Leistung sinkt. Das ist gerade in Krisen- und Marktumbruchzeiten wie den aktuellen fatal, denn dann ist nicht selten von allen Beteiligten eine Mehrleistung nötig, um das Schiff Unternehmen auf Kurs zu halten.
Mitarbeiter müssen Wertschätzung spüren
Nicht oft genug, kann deshalb betont werden: Wenn in den offiziellen Verlautbarungen der Unternehmen immer wieder von einem partnerschaftlichen, von wechselseitigem Respekt geprägten Umgang miteinander gesprochen wird, dann müssen die Mitarbeiter dies auch im Betriebsalltag spüren.
Dann ist es schlicht ein No-go, dass ein altgedienter Mitarbeiter ohne ein Wort des Dankes in den Ruhestand entlassen wird. Denn dann denken alle verbleibenden Mitarbeiter: „Dieses Schicksal droht mir auch einmal.“ Ebenso ist es ein No-go, dass eine Führungskraft, wenn eine Fachkraft in einem Meeting sachliche Einwände artikuliert, diese nicht ernst nimmt und den Mitarbeiter vor der versammelten Mannschaft maßregelt. Denn dann denken alle Anwesenden: „Ich bin künftig besser ruhig." Ebenso ist es ein No-go, dass eine Führungskraft, wenn sie von einem Mitarbeiter kurzfristig Mehrarbeit erwartet, ihm dies einfach per Mail mitteilt. Dann sollte sie sich vom Stuhl erheben und dies dem oder der Betroffenen persönlich sagen – oder zum Telefonhörer greifen, wenn sich der Mitarbeiter im Homeoffice befindet. Denn sonst denken alle Kollegen, die dies erfahren: „Meine bzw. unsere persönlichen Interessen, Ziele und Verpflichtungen interessieren hier offensichtlich niemand. Warum soll ich mich dann für das Unternehmen – mehr als es mir nützt – engagieren?“
Entsprechend reagieren die Mitarbeiter, wenn ihre Führungskraft, weil sie etwas möchte, plötzlich an das Wir appelliert. „Wir sollten ...“, „Wir wollen...“, „Wir müssen ...“ Dann sagen zwar alle mit den Lippen ja und täuschen das gewünschte Engagement vor, doch faktisch denken sie: „Und was habe ich davon? Die können mich mal.“
Respekt zeigt sich in vielen scheinbaren Kleinigkeiten
Denken Sie deshalb als Führungskraft bei Ihrer Führungsarbeit daran: Wie viel Respekt und Wertschätzung Sie Ihren Mitarbeitern entgegen bringen, zeigt sich für diese in vielen scheinbaren Kleinigkeiten. Es zeigt sich unter anderem darin,
- wieviel Zeit Sie sich für Ihre Mitarbeiter nehmen und wie aufmerksam Sie ihnen zuhören,
- ob Sie sich auch für sie als Mensch bzw. Privatperson interessieren,
- wie kompromissbereit Sie bei Interessengegensätzen und Zielkonflikten zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern sind,
- wie Sie auf Fehler und Versäumnisse von ihnen reagieren,
- und, und, und....
Sonst ist die Gefahr groß, dass Sie irgendwann nur noch von Ja-Sagern und Egoisten umgeben sind, die Engagement für die Bereichs- und Unternehmensziele zwar heucheln, aber nicht zeigen. Und dies wirkt sich auch auf Ihren beruflichen Erfolg aus, denn: Ihre Leistung wird von Ihren Vorgesetzten an der Leistung Ihres Teams gemessen.
Tipps: Führen und kommunizieren
- Reflektieren Sie, bevor Sie mit Mitarbeitern kommunizieren, deren Befindlichkeit. Speziell in Krisensituationen ist dies wichtig, denn diese verunsichern auch Ihre Mitarbeiter.
- Verfassen und versenden Sie nie spontan zum Beispiel aus einem Gefühl der Wut heraus eine Mail. Sie bereuen dies meist kurze Zeit später. Speichen Sie die Mail zunächst im Entwürfe-Ordner und lesen Sie diese mit etwas zeitlichen Abstand noch ein, zwei Mal gegen, bevor Sie auf den Versenden-Button drücken.
- Reflektieren Sie, bevor Sie mit Mitarbeitern – ganz gleich über welchen Kanal – kommunizieren, stets auch Ihre eigene Befindlichkeit. Wenn Sie sich nicht in der Lage fühlen, wertschätzend zu kommunizieren, vertagen Sie das Gespräch oder tun Sie zunächst etwas, um Ihre Stimmung zu verbessern.
- Akzeptieren Sie, dass auch Sie ein Wesen aus Fleisch und Blut sind und oft nicht so rational reagieren, wie Sie dies gern möchten. Machen Sie sich bewusst, welche Emotionen Sie gerade verspüren, die Ihr Empfinden und Handeln mitbeeinflussen. Emotionen sind keine Krankheiten, sie sind ein Teil von uns.
- Wenn Sie sich angesichts der Ist-Situation unsicher oder gar hilflos fühlen, setzen Sie sich damit auseinander – möglichst mit stabilen, reflektierten Persönlichkeiten aus Ihrem Netzwerk oder einem guten Coach. Verschaffen Sie sich so viel Sicherheit wie möglich, ohne sich etwas vorzumachen. Nehmen Sie das Ruder in die Hand statt ein „Opfer der Umstände“ zu sein.
- Versuchen Sie die schlechten Umstände oder Rahmenbedingungen so zu akzeptieren wie das Wetter – entsprechend der Maxime: „Change it, love it or leave it“. Es gibt für jedes Wetter eine geeignete Kleidung und für jede Situation bzw. Konstellation ein adäquates Verhalten.
- Als Führungskraft müssen Sie in der Lage sein, Ihren Gefühlshaushalt zu steuern, denn es zählt zu Ihren Aufgaben, Ihren Mitarbeitern Orientierung und Halt zu geben. Sorgen Sie dafür, dass Sie stets auch den Silberstreifen am Horizont bzw. das Licht am Ende des Tunnels sehen. Zum Beispiel, indem Sie sich bewusst machen, welche Schwierigkeiten Sie und Ihr Team in der Vergangenheit schon gemeistert haben.
- Suchen Sie in Krisensituationen verstärkt das persönliche Gespräch mit Ihren Mitarbeitern. Erkundigen Sie nach Ihrem persönlichen Befinden. Geben Sie ihnen auch Einblicke in Ihr Gefühlsleben. Das macht Sie menschlich und festigt ihre Beziehung.
- Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihr Verhalten. Entschuldigen Sie sich aufrichtig, wenn Sie sich mal im Ton vergriffen haben oder aus emotionalen Gründen über das Ziel hinaus schossen. Verzeihen Sie sich selbst solche „kleinen Fehler“, denn „Nobody ist perfect“.
- Machen Sie sich bewusst: Eine gelungene Kommunikation setzt stets die wechselseitige Bereitschaft voraus, den jeweils anderen richtig zu verstehen. Deshalb sind Sie nicht für jedes Missverständnis verantwortlich. Klären Sie diese trotzdem rasch.
- Lassen Sie sich nicht dazu verführen, auf die Suche nach persönlich „Schuldigen“ zu gehen. Das kostet nur Zeit und bringt schlechte Stimmung. Suchen Sie lieber nach den (Problem-)Ursachen und Lösungen.
- Sprechen Sie, sofern dies Ihre Unternehmenskultur zulässt, auch mit Kollegen aus dem Führungskreis über Ihr Gefühle und Bedenken. Dann werden Sie fast immer feststellen: Sie haben diese nicht allein. Folglich sind sie auch kein Ausdruck persönlicher Schwächen, sondern situationsbedingt. Sollte dies in Ihrem Unternehmen nicht möglich sein, suchen Sie sich ein anderes Austauschforum – wie zum Beispiel meine Werkstatt für Führung und Veränderung.
- Sorgen Sie dafür, dass Menschen in Ihrem Umfeld Ihnen regelmäßig ungeschönt Ihre Außenwirkung widerspiegeln. Dies ist Ihre einzige Möglichkeit zu erfahren, ob Ihr Verhalten bei anderen das auslöst, was Sie erreichen möchten oder genau das Gegenteil bewirkt.
- Sorgen Sie für Ihre Psychohygiene und Work-life-balance gerade in Krisen- und Stresssituationen – zum Beispiel, indem Sie in Ihrer Freizeit durch Sport oder eine gezielte Entspannung für den nötigen Ausgleich sorgen. Sonst brechen Ihre angestauten negativen Emotionen plötzlich unkontrolliert aus Ihnen heraus und Ihr Umfeld geht erschrocken auf Distanz zu Ihnen.
Der Autor
Klaus Doll ist Inhaber der Klaus Doll Organisationsberatung. Der Führungskräftetrainer und -coach ist spezialisiert auf die Beratung von Unternehmen und ihrer Führungskräfte in Umbruchsituationen.