Leadership: Erneuerung durch Verzicht und Ballast abwerfen

Verzicht als Jungbrunnen, auch für Unternehmen. Wie dadurch Kraft und Raum für Neues geschaffen wird erklären Nathalie Karré und Helga Pattart-Drexler, Head of Executive Education der WU Executive Academy.

Themen: Executive Education, Fasten: Kraft und Energie durch Verzicht
Leadership: Erneuerung durch Verzicht und Ballast abwerfen

Change: Wer Neues will, muss Altes abwerfen.

Wir werden überflutet: von Reizen, schlechten Nachrichten, Workload und Fremderwartungen. Gerade Führungskräfte sind derzeit an vielen Fronten gleichzeitig gefordert: Corona-Krise, Home Office, ein Wandel bei den Arbeitsprozessen und im Führungsverständnis, neue technologische Anforderungen und dazu kommt noch das Tagesgeschäft mit Quartalszielen und ein enormer Erfolgsdruck. Was übrig bleibt, ist häufig das Gefühl, alles irgendwie schaffen zu müssen.

Die Lösung liegt hier paradoxerweise im Weniger und nicht im Mehr – also im bewussten Verzicht: „Wir haben oft die Angst, dass, wenn wir auf etwas verzichten, uns etwas verloren geht“, sagt Helga Pattart-Drexler, Head of Executive Education an der WU Executive Academy. Dabei liegt im Verzicht immer auch ein Gewinn – an mehr Fokus, mehr Qualität im Tun, mehr Raum für neue Ideen und Lösungen.

Das bestätigt auch Nathalie Karré, Managing Partner von ACCELOR – the Transformation Company. Seit mehr als zwei Jahrzehnten begleitet sie Menschen und Organisationen in Veränderungs- und Entwicklungsprozessen, an der WU Executive Academy absolvierte sie den Executive MBA.

Nathalie Karré (li.) und Helga Pattart-Dexler

Nathalie Karré (li.) und Helga Pattart-Drexler: "Verzicht schafft Raum und Kraft für Neues."

Zellreinigung im Körper und im Unternehmen

In ihrem Bestseller „Der Jungbrunnen-Effekt“ propagiert Karré das 16-Stunden-Fasten: Durch Phasen der Enthaltsamkeit und des bewussten Verzichts (auf Essen) haben die Zellen im Körper die Möglichkeit, sich zu erneuern. Ähnlich können auch Führungskräfte in ihrem Unternehmen eine Zellauffrischung vorantreiben. „In der Enthaltsamkeit beim Fasten oder Meditieren, erhält man mehr Klarheit, mehr Kraft und Energie, eine intensivere Wahrnehmung. Alles was man einschränkt, nimmt man danach verstärkt wahr“, so Karré. Dann setzt die Autophagie, die Abfallvernichtung und Reinigung ein: Der Körper verbrennt belastende Rückstände in den Zellen und repariert sie.

Ähnlich der Autophagie können Führungskräfte bei sich, in ihrem Team und im Unternehmen einen Reinigungsprozess in Gang setzen und so Raum und Kraft für Neues schaffen.

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Pattart-Drexler und Karré empfehlen ihnen, sich sich bewusst von den folgenden acht "Ballaststoffen" zu trennen:


1. Energiefresser im Unternehmen

Gerade in großen Unternehmen haben sich häufig Projekte, Prozesse und Strukturen angesammelt, die – manchmal aus machtpolitischen Gründen, manchmal aufgrund mangelnder Reflexionsfähigkeit – weiterverfolgt werden, obwohl sie niemand vermissen würde. Dabei binden sie Ressourcen, Arbeitszeit und Arbeitskraft. Das System mit zu vielen Projekten und Tools vollzustopfen, sorgt für Verzögerungen, Überforderungen, Ineffektivität und Frust im Team. „Energiefresser gemeinsam mit den eigenen Mitarbeitern zu identifizieren und mal ordentlich zu entrümpeln, macht Raum, Zeit und Energie für neue Projekte und effektivere Abläufe frei“, empfiehlt Pattart-Drexler.


2. Macht und Ego

Gerade in traditionellen, sehr hierarchisch strukturierten Unternehmen würden Machtverhältnisse zementiert und die, die am lautesten schreiben, mit dem Aufstieg belohnt. „In solchen Strukturen nutzen Menschen oft die Leistung, Ergebnisse und Netzwerke anderer zu ihrem Vorteil“, sagt Karré. Dass einzelne Führungskräfte sich Lorbeeren für die Leistungen ihres Teams abholen, müsse der Vergangenheit angehören, meint auch Pattart-Drexler.

Sich mit lauter Mini-Mes, Kleinausgaben seiner selbst, zu umgeben, die das eigene Verhalten bestätigen, sei kontraproduktiv. „Führungskräfte sollten nach Mitarbeitern Ausschau halten, die besser und anders sind als sie“, betont Karré. Denn nicht der Vorteil für den Einzelnen zähle: „Erfolg setzt sich schließlich aus der Summe der Leistungen aller im Team zusammen.“ Wichtig wäre, sich zurückzunehmen und den Mitarbeitern und ihren Meinungen Raum zu geben. Das führe auch dazu, dass man wirksam für andere wird, wie es Management-Vordenker Fredmund Malik schon lange propagiert.


3. Blockierende Glaubenssätze

Oft sind Führungskräfte von ihren eigenen Glaubenssätzen geprägt. Nicht selten werden Experten zu Führungskräften befördert – wegen ihres ausgezeichneten Fachwissens, nicht aber wegen ihrer Führungskompetenz – trotzdem mit einem riesigen Hebel für zehn, 50, hundert Mitarbeiter. Sich von althergebrachten Praktiken zu verabschieden sei unbedingt notwendig, wie etwa der Idee, als Führungskraft kein Feedback zu benötigen. Eine Führungskraft, die nie ehrliches Feedback erhält, könne kaum zu einer positiven Unternehmenskultur beitragen.

„Führungskräfte müssen lernen, sich selbst ständig zu hinterfragen und zu reflektieren. Ich kann nur wachsen und mein Team mit mir, wenn wir uns die eigenen blinden Flecken regelmäßig ansehen“, sagt Pattart-Drexler. „Leider sparen wir alle oft mit Lob und Anerkennung, gerade aber Führungskräfte brauchen positives Feedback. Aber: Konstruktives Feedback zu geben und anzunehmen, will gelernt sein“, sagt sie.


4. Emotionaler Stress

Der Arbeitsalltag ist gerade für Führungskräfte fordernd. Mit Selbstmanagement und Emotionsregulierung können stressbedingte Disbalancen ausgeglichen werden. Dazu gehört, Emotionen zwar anzuerkennen, sie aber nicht unkontrolliert an anderen Menschen auszulassen und sich bei überbordendem Stress ausgleichende, beruhigende Aktivitäten zu suchen. Neun von zehn erfolgreichen Top-Managern meditieren. Karré: „Wer in sich selbst ruht und sein Leben in Balance hält – dazu gehören Arbeit, Freizeit, Familie, Gesundheit und Zeit für sich selbst – der kann auch anderen Entwicklungsräume erlauben.“ Wie gehe ich gut mit mir um und wie gehe ich gut mit anderen – mit Mitarbeitern, Kooperationspartnern – um? „Ich bekomme im Coaching mit: viele Menschen gehen mit sich selbst nicht gut um, mit anderen besser."


5. Alles kontrollieren

„Relax, nothing is under control.“ Dieser Spruch hat sich spätestens seit der Corona-Krise mehr als bewahrheitet. „Wir können uns nicht mehr für alles absichern, nicht mehr alle Faktoren in Entscheidungen einbeziehen und daher weder planen noch kontrollieren“, sagt Pattart-Drexler. Kontrolle gibt zwar vermeintlich Sicherheit, ist in der Wirtschaft – und Gesellschaft – des 21. Jahrhunderts eine Illusion.

Mit schlechten Erfahrungen würde man auch dazu neigen, ähnliche Erfahrungen wieder zu vermeiden. Häufig haben Führungskräfte immer noch Angst vor einem Gesichtsverlust, wenn Fehler passieren. „Endlich stehen wir nun – paradoxerweise wegen Corona - vor der Situation, dass Unternehmen ihren Mitarbeitern mehr vertrauen, allerdings wird nun reglementiert, wie der Heimarbeitsplatz genau auszusehen hat“, sagt Karré, „Das ist absurd.“ Die Learnings aus der Corona-Zeit müssten in die gemeinsamen Arbeitsprozesse in Zukunft integriert werden.


6. Falsche Verantwortung

Sich für alles verantwortlich fühlen und für die Mitarbeiter entscheiden zu müssen, Experte für alles sein und alles wissen zu müssen: diese Glaubenssätze stammen noch aus Command & Control-Führungsmustern. „Es kann und muss auch nicht alles von Führungskräften abgedeckt werden“, sagt Pattart-Drexler. Führungskräfte müssen heute zunehmend das große Ganze im Auge behalten: das Zusammenspiel des Teams, die strategische Ausrichtung, die Ziele des Projekts, der Abteilung, des Unternehmens. Micro-Management belastet und stresst nicht nur die Führungskraft, sondern auch die Beziehung zu den Mitarbeitern.

Verantwortung abzugeben wird also zur Notwendigkeit, um den Kopf für die Menschen- und Strategieführung freizuhaben. Eine Studie von Wayne Baker zeigt deutlich: Dort, wo Menschen andere mit Wissen versorgen, sie ermutigen, Energie ins System hineinbringen und lösungsorientiert agieren, steckt die meiste Leistung in Unternehmen. „Solche Menschen arbeiten lösungsorientiert, bestärken andere, geben Feedback und stehen ein für etwas Größeres als sie selbst“. Genau so könnten Führungskräfte Mitarbeiter dabei unterstützen, zu wachsen.


7. Hohle Phrasen

Leitbilder und auf Wänden gepinnte Werte-Gebote sind zwar nett, greifen aber zu kurz. „Sobald Werte in den Unternehmen tatsächlich auch gelebt werden, haben Führungskräfte eine gemeinsame Richtung und das Engagement der Mitarbeiter steigt“, sagt Karré, die als Consultant auch Unternehmen in ihrem Kulturprozess im Rahmen der „Great Place to Work“-Auszeichnung begleitet. Ergebnisse einer werteorientierten Kultur seien evident: weniger Krankenstände, geringere Burnout-Raten, ein höheres EBIT und besser passende Bewerbungen auf offene Stellen. Führungskräfte sind als Umsetzer der Wertekultur gefragt – schließlich nehmen sie eine Vorbildfunktion ein.


8. Blaupausen und Rezepte

Da sich Mitarbeiterführung darauf konzentriert, dass Menschen sich entwickeln und entfalten können und Eigenverantwortung übernehmen, müssen Führungskräfte auch lernen, situativ zu führen. „Jeder Mensch ist anders. Manche benötigen mehr Freiraum und entscheiden gern selbst, andere brauchen mehr Führung und Struktur“, so Pattart-Drexler. Nach dem Gießkannenprinzip alle gleich zu führen, sei wenig sinnvoll und sogar kontraproduktiv. Sich mit der Persönlichkeit der Mitarbeiter auseinanderzusetzen, sei eine der wichtigsten Führungsaufgaben überhaupt, sagt Karré.


WU Executive Academy

Die WU Wien bündelt in ihrer Executive Academy ihr Programmportfolio im Bereich „Executive Education“. Zu diesen zählen MBA, Master of Laws und Professional Master Programme, das Universitätsstudium Diplom BetriebswirtIn, Universitätslehrgänge, kompakte Weiterbildungsprogramme und Custom Programs.

Die WU Executive Academy gehört heute zu den führenden Weiterbildungsanbietern in Zentral- und Osteuropa. Durchschnittlich 750 Graduate Students und ca. 900 Führungskräfte, Fachleute und High-Potentials aus über 75 Ländern werden jedes Jahr in den Programmen aus- und weitergebildet.

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