"Eine konservative, von Männern geprägte Gesellschaft"

Frauen in Führungspositionen sind in Österreich immer noch die Ausnahme. Executive Search Spezialistin Doris Hofmeister, beleuchtet das Thema aus der Sicht des Recruitings: Österreichs Unternehmen denken viel zu konservativ und vergeben dabei viele Chancen.

Thema: Executive Education
Doris Hofmeister, Partnerin und Director International Business Mercuri Urval

Doris Hofmeister, Partnerin und Director International Business Mercuri Urval

Das trend-Ranking der 100 mächtigsten Business-Frauen Österreichs (Ausgabe 09/2019) hat für große Aufregung gesorgt. Besonders die im Zuge des Rankings veröffentlichten Zahlen der BCG-Studie zur Gender Equality in Österreichs börsennotierten Unternehmen. Zahlen, die schonungslos aufzeigen, dass der Frauenanteil in den Führungsetagen der heimischen Top-Unternehmen beschämend gering ist und dass Frauen – sofern ihnen überhaupt der Aufstieg in die obersten Managementebenen gelingt – auch in diesen Ebenen noch deutlich weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen.

Elisabeth Stadler, CEO der Vienna Insurance Group, ist die erste Frau an der Spitze eines ATX-Unternehmens. Nur acht der 165 Vorstände der 50 größten börsennotierten Unternehmen Österreichs sind Frauen. Für Doris Hofmeister, Partnerin und Director International Business von Mercuri Urval Österreich, eine schockierende Bilanz. Trotz aller Bemühungen sieht sie keine Chance auf eine rasche Änderung und meint: “Es wird noch 20 Jahre dauern bis wir eine adäquate Frauenquote haben.“


trend: Der jüngst im trend veröffentlichten BCG-Studie zufolge gibt es in Österreichs 50 größten börsennotierten Unternehmen 165 Vorstandspositionen, von denen nur acht mit Frauen besetzt sind. Was sagen Sie als Recruiterin dazu?
Doris Hofmeister: Das habe ich in der Vorbereitung auf dieses Gespräch auch gelesen. Und es war schockierend für mich.

Wie erklären Sie sich diese Quote?
Ich kann das nur auf die Personen zurückführen, die die Personalentscheidungen treffen. Darauf, in welchen Kreisen sich die Leute bewegen, wie ihre Entscheidungsmuster sind. Entscheidungsträger im Bereich Executive Search sind heute meistens über 50 oder über 60 Jahre alt. Sie haben ein traditionelles Rollenbild kennengelernt. Wir leben in einer von Männern und konservativen Mustern geprägten Gesellschaft. Das Weibliche ist oft unbekannt.

Was ist daran unbekannt?
Unternehmen versuchen, Risiken zu minimieren. Sie suchen daher möglichst Leute, die einen Job schon einmal wo gemacht haben, geben dem Unbekannten selten eine Chance. Der Sicherheitsgedanke ist sehr ausgeprägt. Man ist gewohnt, in reinen Männerteams zu sein. Es gibt genug Frauen, die bereit wären eine Führungsposition einzunehmen, genug Anwärterinnen, auch auf Vorstandsposten oder Aufsichtsratsmandate. Aber Frauen kommen nicht zum Zug.

Bewegen sich Unternehmen, die das Risiko so minimieren wollen nicht in eine Sackgasse?
Unternehmen müssen definitiv mehr über den Tellerrand schauen, auch anderes zulassen, querdenken. Das Recruiting geht in die falsche Richtung. Man sollte sich fragen, welche Persönlichkeit man braucht. Fachlich kann man das eine oder andere lernen – Persönlichkeit kann man nicht lernen. Man sollte nachhaltig daran arbeiten, ein Team aufzubauen.
Und Positionen nicht mit Frauen zu besetzen, auch weil die schwanger werden könnten, ist sehr kurzfristig gedacht. Doch da ist eine Änderung in Sicht. Bei der Generation die jetzt Anfang 30 ist, ist es normal, dass auch der Mann zuhause bleibt und die Frau Karriere macht. Das eigentliche gesellschaftliche Problem ist die mangelnde Bereitschaft der Entscheidungsträger, so etwas auch zuzulassen.


Österreich ist beim Thema Karenzen noch sehr traditionell und altmodisch.

Wären Teilzeit-Karenzen eine Idee?
Frauen in Management-Funktionen sind ohnehin nie ganz in Karenz. Es ist zwar vielleicht nicht immer ganz legal, aber die Frauen bleiben vernetzt mit dem Unternehmen, erledigen vielleicht auch kleine Arbeiten, bleiben eingebunden. Hier ist wieder Leadership gefragt: Führungspersonen, die den Frauen und Männern in Karenz adäquate Aufgaben geben. Dafür ist Flexibilität seitens des Arbeitgebers nötig. Natürlich muss eine flexible Arbeitszeit auch zum Job passen, aber mit Telefonkonferenz oder Skype ist vieles auch virtuell möglich.
Es stimmt aber, dass Österreich beim Thema Karenzen im Vergleich mit Skandinavien oder Osteuropa noch sehr traditionell und altmodisch ist. Hier kann es vielleicht sogar wirklich Signalwirkung haben, dass jetzt auch Regierungsmitglieder in Karenz gehen. Unabhängig von Parteipolitik halte ich das für gut und löblich, für ein wichtiges Signal.

Verkaufen sich Frauen vielleicht beim Recruiting unter ihrem Wert?
Ich merke oft bei Frauen, besonders bei denen ab 40, dass das Selbstwertgefühl nicht in dem Maße vorhanden ist. Sie stellen ihr Licht eher unter den Scheffel und treten mit weniger Selbstbewusstsein auf. Versuchen nicht mit Kompetenzen zu punkten, sondern suchen eher Mängel um eine Position befüllen zu können bei sich. Bei den Jüngeren ist das anders. Die werden oft auch gepusht durch die Ausbildung – die muss man mitunter auch einbremsen.
Ich sehe es als Beratungsleistung für Unternehmen und Kandidaten, sie über ihren Marktwert zu informieren. Auch dann, wenn sie sich unter dem Wert verkaufen würden. Ich berate, was ein faires Gehalt für eine bestimmte Position ist. Es gibt immer wieder Leute, die sich nicht marktgerecht einschätzen und Frauen treten in Gehaltsforderungen generell moderater auf – besonders im Management-Bereich. Eine Aufstellung der Kompetenzen führt oft auch zu einem Erwachen. Für Kandidatinnen ist es oft selbstverständlich, dass sie etwas können.

Aktuell gibt es in Österreich eine einzige Frau unter den ATX-CEOs. Wann schätzen Sie, dass es eine adäquate Quote gibt?
In etwa 20 Jahren. Bis dahin haben wir eine Chance, dass die im Schulsystem gesetzten Maßnahmen greifen.

Davon haben aber die heute 40-jährigen nichts mehr.
Das ist richtig. Der Prozess geht in die richtige Richtung, aber bis wir eine 30- oder 50-Prozent-Quote haben wird das so lange dauern. Man kann sich wünschen, dass es schneller geht, aber Österreich als eher traditionelles Land wird den Weg Schritt für Schritt gehen und nicht im Eiltempo vorangehen.


Die gesetzten Maßnahmen werden am Arbeitsmarkt erst in 20 Jahren relevant.

Welche Möglichkeiten gäbe es denn, um das Tempo zu beschleunigen?
Leadership Development, Business Coaching, Potenziale fördern, aktives Talent Management betreiben. Auch diejenigen fördern, die nicht selbst aufzeigen. Vielleicht brauchen Frauen wirklich mehr Coaching und Mentoring. Aber wenn sie in ein Team kommen, dann ist es auch wichtig, dass sie authentisch bleiben, sich selbst treu bleiben und zu eigenen Positionen stehen. Es hängt an den Frauen, professionell damit umzugehen.

Gerade in technischen Berufen fehlen Frauen, es gibt es dort kaum weibliche Karrieren.
Im mittleren Management fehlt es in Österreich an Frauen mit technischer Ausbildung. Im Personal und Marketing bewerben sich viele, im Finanzbereich und der Produktion aber nur Männer. Das Problem ist: HTL- oder TU-Absolventinnen werden in Österreich nicht gefördert. Es werden zwar viele Initiativen gestartet, aber wir stecken hier wirklich noch in den Kinderschuhen. Die Folge ist, dass es für ausgeschriebene Stellen wie zum Beispiel eine Produktionsleitung keine einzige Bewerbung einer Frau gibt. Auch wenn ein Unternehmen bereit wäre, einer Frau den Job zu geben. In Osteuropa ist das anders. Dort gibt es viele Frauen im Top-Management, auch im technischen Bereich. Hier sind wir bei den Themen Erziehung und Schulsystem, aber auch beim Rollenbild und beim gesellschaftlichen Rollenverständnis. Frauen in technischen Berufen sind in Osteuropa ganz normal.

Gibt es denn eine Tendenz, dass sich daran in Österreich etwas ändert?
Für mich noch nicht spürbar. Bei den aktuellen Bewerbungen nicht. In der jungen Generation gibt es zwar ein anderes Rollenbild, das wird jedoch wie die im Bereich der Bildung gesetzten Maßnahmen im Executive Bereich am Arbeitsmarkt auch erst in etwa 20 Jahren relevant. Aber damit Österreich auch ein kompetitiver Standort bleiben kann muss man etwas tun, damit zu mehr Gleichstellung kommt. Auch in technischen Bereichen – Stichwort Facharbeitermangel.

Können Frauenquoten dazu etwas beitragen?
Ich war zu Beginn kein Freund der Frauenquote und der Meinung, dass man durch Leistung überzeugen soll. Die Realität zeigt aber, dass es ohne Quote keine Änderung gibt. Deshalb habe ich meine Meinung auch geändert. Leistung muss man ohnehin zeigen, die nötige Kompetenz haben. Und warum sollte man Frauen nicht den Vorzug geben?

Sind international tätige Unternehmen hier vielleicht einen Schritt weiter?
Ja, aber wir haben es in der Praxis mit dem österreichischen Mittelstand, unseren Hidden Champions zu tun. Da gibt es oft tatsächlich noch Barrieren, die schwer zu überwinden sind. Dabei sind sich viele Unternehmen des War-of-Talent bewusst und auch, dass sie etwas für ihre Employer Brand machen müssen. Eine entsprechende Frauenquote ist dabei wichtig.


Doris Hofmeister, Partnerin und Director International Business des internationalen tätigen, auf Executive Search Unternehmens Mercuri Urval, war anlässlich des „World Women’s Day“ am 8. März zu Gast bei dem vom Female Leaders Network der WU Executive Academy mitorganisierten Female Laders Breakfast. Sie hat dort über weibliche Karrieren speziell aus der Executive Search Perspektive referiert.


Executive Education - Schwung für Ihre Karriere

In Kooperation mit der WU Executive Academy liefert Ihnen der trend im …

Sieger im trend. Top Arbeitgeber Ranking 2023: Mercedes-Benz Österreich GmbH
Österreichs beste Arbeitgeber 2023: Mercedes-Benz Österreich siegt

Zum siebenten Mal hat der trend in Zusammenarbeit mit Statista, Xing und …

Ex-Hofer-Chef Günther Helm folgt dem Ruf aus Saudi-Arabien

Nach Hofer und Müller übernimmt der Handelsmanager Günther Helm die …

Kommentar
Alois Czipin, Czipin Produktivitätssteigerungs-GmbH
Alois Czipin: Den Betriebsrat ins Boot holen

Unternehmensberater Alois Czipin berichtet über Immer wieder scheiternde …