Johanna Rachinger: Powerfrau - ein unpassender Begriff

Die Chefin der Österreichischen Nationalbibliothek, Johanna Rachinger, über die Hürden auf dem Weg zur Gleichstellung und warum weibliche Führungskräfte eine besondere Verantwortung bei der Frauenförderung haben.

Johanna Rachinger: Powerfrau - ein unpassender Begriff

Johanna Rachinger: "Frauen in Spitzenpositionen sollten selbstwusst über ihre Leistungen sprechen - öffentlich sichtbare Beispiele sind wichtig."

Die berufliche Gleichstellung von Frauen ist eines der großen gesellschaftspolitischen Ziele. Wobei Gleichstellung nicht nur das Fehlen von geschlechterspezifischer Diskriminierung und die Möglichkeit eines selbstbestimmten Lebens für Frauen bedeutet, sondern auch eine tatsächlich ausgewogene Vertretung von Frauen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, auch den Führungsebenen - also dort, wo wichtige, weitreichende Entscheidungen fallen.

Erst wenn Frauen die Möglichkeit bekommen, Entscheidungsprozesse in gleichem Maße mitzutragen und mitzubestimmen, können wir behaupten, eine jahrhundertelang von Männern dominierte Gesellschaftsordnung überwunden zu haben. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir uns diesem Ziel mit der nötigen Beharrlichkeit schrittweise nähern werden - auch wenn wir heute noch weit davon entfernt sind.

Wo stehen wir?

Optimistisch stimmt mich der Blick auf den Bereich Schule und höhere Bildung, wo wir in Österreich bereits ein völlig ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern erreicht haben. Sowohl bei den Maturantinnen und Maturanten als auch bei den Absolventinnen und Absolventen von Universitäten sind Frauen in der Überzahl. Das ist eine bemerkenswerte Tatsache, bedenkt man, dass Frauen erst seit etwas mehr als hundert Jahren überhaupt zum Studium zugelassen sind. Mit 42 Prozent des gesamten wissenschaftlichen Personals sind Frauen an Universitäten heute relativ gut vertreten.

Aufholbedarf gibt es allerdings bei den Professorinnen. Hier liegt der Anteil immer noch bei nur knapp 26 Prozent. Es ist noch nicht lange her, dass mit Ingela Bruner 2007 die erste weibliche Rektorin in Österreich an die Universität für Bodenkultur bestellt wurde. Heute sind es immerhin bereits fünf weibliche von insgesamt 22 Rektorinnen und Rektoren.

Betrachtet man die Führungsebenen von Unternehmen, sieht es allerdings noch ziemlich trist aus - hier hinkt Österreich gegenüber vergleichbaren Ländern deutlich hinterher. Zwar hat sich der Frauenanteil in Aufsichtsräten seit Einführung der Frauenquote 2018 wesentlich verbessert und liegt jetzt in quotenpflichtigen Unternehmen bei über 32 Prozent, in staatsnahen Unternehmen (mit einer öffentlichen Beteiligung von mindestens 50 Prozent) sogar bereits bei 43 Prozent.

Auf die Vorstandsebenen hatte dies bisher jedoch kaum Auswirkungen: Dort sind Frauen immer noch die große Ausnahme. In den ATX-gelisteten Unternehmen liegt der Frauenanteil bei sieben, bei den 200 umsatzstärksten bei neun Prozent. Ein Blick auf die ausgegliederten Bundesmuseen inklusive der Österreichischen Nationalbibliothek zeigt, dass es auch anders geht: Sechs der acht Leitungspositionen sind derzeit mit Frauen besetzt.

Es ist anzunehmen, dass nicht in allen Bereichen der Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Kultur eine völlige statistische Gleichstellung der Frauen erreicht werden kann, aber im generellen Schnitt sollte dieses Gleichgewicht bestehen. So wie es auch Studienrichtungen gibt, die stark männlich, und solche, die stark weiblich dominiert sind. Auch das ist sicherlich noch Ausdruck eingefahrener gesellschaftlicher Stereotypen, mit denen Kinder von klein auf konfrontiert sind. Ich würde darin aber keine strukturelle Ungerechtigkeit sehen, sondern auf einen kulturellen Transformationsprozess vertrauen.

Wo liegt das Problem?

Wie Frauen und Männer sich typischerweise verhalten, wie sie denken, fühlen und sich selbst definieren, ist weitgehend gesellschaftlich-kulturell determiniert, nicht naturgegeben - das wissen wir heute. Ich glaube daher auch nicht, dass Frauen generell anders führen als Männer. Sehr leicht geraten wir hier wieder in genau die geschlechterspezifischen Stereotypen in der unheilvollen Tradition eines Otto Weininger etwa -, gegen die wir ja anzukämpfen versuchen. Es gibt nicht einen weiblichen Führungsstil, wie es auch nicht den einen männlichen gibt, sondern individuelle Führungspersönlichkeiten.

Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass viele Frauen sehr sachlich, zielorientiert und verantwortungsvoll entscheiden. Wie wissenschaftliche Studien zeigen, wirkt sich ein steigender Frauenanteil in der Managementebene durchwegs positiv sowohl auf die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen aus. Geschlechtermäßig gemischte Führungen sind ein Erfolgsmodell. Der stark negativ besetzte Ausdruck der " Quotenfrauen" verhindert den Blick auf diese klaren Tatsachen. Wir brauchen gesetzlich festgelegte Frauenquoten, um den Gleichstellungsprozess zu beschleunigen beziehungsweise überhaupt in Gang zu bringen. Auch die gesetzliche Regelung, im öffentlichen Dienst bei gleicher Qualifikation Frauen zu bevorzugen, sehe ich als wichtige Maßnahme in dieser Richtung.

Dass Frauen in den Führungsebenen immer noch drastisch unterrepräsentiert sind, liegt nicht an ihrer mangelnden Kompetenz, sondern an verschiedenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die wir analysieren und möglichst verändern müssen. An erster Stelle steht hier nach wie vor die Doppelbelastung der Frauen in Familie und Beruf, insbesondere der berühmte Karriereknick durch die Babykarenz. Es ist fraglos für viele Frauen auch mit bester Ausbildung und hervorragenden Berufschancen noch immer das größte Problem, dass sie in eine Entscheidung zwischen Karriere oder Familie gedrängt werden.

Um diese Zwangslage zu verbessern, fehlen uns immer noch wirklich taugliche Rahmenbedingungen, obwohl mit gesetzlichen Vorgaben - Stichwort Papamonat, Väterkarenz - zuletzt versucht wurde, die Situation zu verbessern. Immer noch kämpfen Frauen allzu oft mit dem unterschwelligen Vorwurf, sie seien schlechte Mütter, wenn sie nicht bereit sind, ihre berufliche Karriere den Interessen von Familie und Kindern zu opfern. Warum machen wir diesen Vorwurf aber niemals den Vätern?

Das heißt, plakativ ausgedrückt: Wir werden eine Gleichstellung der Geschlechter im Beruf erst erreichen, wenn wir sie auch in Familie und Kindererziehung durchgesetzt haben. Der unpassende Begriff der "Powerfrau" ist ja nur ein Ausdruck dieses bestehenden Ungleichgewichts, dass selbstverständlich von den Frauen erwartet wird, mit der Doppel- und Dreifachbelastung im Alltag fertigzuwerden.

Was können wir tun?

Was ich von Führungskräften, insbesondere auch Frauen in diesen Positionen, erwarte, ist eine besondere Sensibilität bei der Förderung von Frauen in ihrem unmittelbaren Umkreis. Dabei geht es nicht allein um die Besetzungen von Stellen, sondern um ein gleiches Geschlechterverhältnis auf allen Ebenen wie temporären Arbeitsgruppen, Projekten, Beratungsorganen etc.

Es geht um einen unvoreingenommenen Blick und das Vertrauen darauf, was Frauen zu leisten im Stande sind, denn oftmals ist das auf den ersten Blick nicht so sichtbar, weil Frauen vieles erledigen, aber nicht immer darüber sprechen. Sehr wichtig sind auch positive, in der Öffentlichkeit sichtbare Beispiele. Frauen in Spitzenpositionen sollten selbstbewusst über ihre Leistungen sprechen. Vorbilder geben Motivation und Orientierung für die junge Generation. Nicht zuletzt geht es um Selbstvertrauen und Mut als Schlüssel zum Erfolg.

Die Autorin

Johanna Rachinger ist seit 2001 Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek. Sie war davor Geschäftsführerin des Ueberreuter-Verlags. Rachinger ist u. a. Aufsichtsrätin der Erste Stiftung und der Uniqa Stiftung.



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