Macht & Intrige: Überleben im Büro-Dschungel

Machtspielchen, Intrigen, Leistungsdruck - die tägliche Performance und das Verhalten im Büro unter der Lupe der Evolution: Verhaltensforscher Gregor Fauma erklärt, warum wir im Büro noch so ticken wie unsere Vorfahren im Dschungel.

Gregor Fauma

Gregor Fauma

Gestern noch im Dschungel, liefert sich die Spezies Mensch ihren Kampf ums Überleben heute täglich im Büro. Zwischen Portiersloge und Chefetage: Je wilder es zwischen den Menschen zugeht, desto deutlicher, aber auch wichtiger werden die Grundmechanismen von Macht, Hierarchie, Führungsverhalten, Kooperationsbereitschaft – und die Fähigkeit, sich gut darzustellen, um sich und seine Ideen zu präsentieren.

Letztendlich dreht sich bei allen Lebewesen alles um ein paar wenige Dinge, die Gregor Fauma für den Businessalltag herunterbricht. Sechs Fragen an den Verhaltensbiologen.

trend: Warum bezeichnen Sie als Verhaltensforscher Unternehmen als eine Art Freigehege für Ihre Studien?
Gregor Fauma : Wir haben einen evolutionären Autopiloten, der uns leitet wie ein Navi. Der hat sich aber in einer ganz anderen Umwelt entwickelt. Sehen wir die 15 Millionen Jahre seit dem Menschenaffen als Zeitleiste von eineinhalb Metern Länge, umfasst der Zeitraum des Homo sapiens gerade zwei Zentimeter. Seit einem Millimeter wird Ackerbau und Viehzucht betrieben. Der Mensch ist physisch, vom Verhalten und Denken an eine andere Umgebung angepasst. Wenn der Säbelzahntiger näher gekommen ist, war keine Zeit, einen Sesselkreis zu bilden.

trend: Was ist daran im Arbeitsumfeld problematisch?
Fauma: Unter Stress verhalten wir uns wie früher. Es kommt zu einer selektiven Wahrnehmung, einem Trichter. So kann man keine guten Entscheidungen treffen. Krisenmanagement unter Adrenalin führt dazu, dass man wie bei einer Bedrohung nur ein Ziel und daher wenig Alternativen sieht. Oder es trifft ein E-Mail mit einem Vorwurf ein: Man gerät in Wut und hat den Impuls, sofort zu antworten. Dabei wäre darüber schlafen wirklich besser, denn es dauert Stunden, um aus diesem Reaktionsmechanismus herauszukommen.


Für den Status machen wir uns kaputt.

trend: Das ist der Hintergrund von Konflikten?
Fauma: Es geht bei Konflikten letztlich um Status. Dafür rennen wir, dafür machen wir uns kaputt, denn er ist entscheidend für die sexuelle Selektion. Männer mit höherem Status gehen ja auch häufiger mit einer jüngeren Partnerin in eine zweite Fortpflanzungsrunde. Statussymbole sind Ausdruck des sozioökonomischen Status. Führungskräfte verteilen Reputation und Status - durch Lob oder das neue Diensthandy - und sie sollten sich dessen bewusst sein.

Die komplette Keynote "Unter Affen" von Gregor Fauma für über 400 Gäste, gehalten am Immobilienforum 2017

trend: Das ist die Rolle von Chefs?
Fauma: Mitarbeiter gruppieren sich wie eine Horde Paviane am Hügel um das Alphatier: je näher, desto besser der Platz - und der wird verteidigt. Wenn alle zufrieden sind, ist die Gruppe entspannt. Aber sobald einer ausschert und eine neue Position fordert, wird das Team in Unruhe gebracht. Dann ist die Führungskraft gefragt: Ihr Job ist, bei Ressourcenstreit für Frieden in der Truppe zu sorgen und dafür, dass jeder seinen Platz einnimmt.


Man muss permanent im Kampfmodus bleiben.

trend: Und wenn ein Chef das nicht tut oder nicht schafft?
Fauma: Den Machiavelli können die Affen gut. Wer sich in die Gedanken anderer hineinversetzen kann, kann Strategien entwickeln und Allianzen bilden. So kommt es zu Intrigen, zum Mobbing. Doch wer so nach oben kommt, der weiß auch, dass andere an seinem Sessel sägen. Dagegen kann man sich wiederum durch eigene Allianzen absichern, durch Netzwerke, die einen auch weiter nach oben bringen. Doch dazu muss man permanent im Kampfmodus bleiben, und das verursacht Stress.

trend: Geben Sie Verhaltensempfehlungen?
Fauma: Die Mad-Dog-Strategie empfehle ich nicht. Chefs wenden sie oft an, wenn Mitarbeiter ständig Grenzen ausloten und zu ihren Gunsten verschieben wollen: unberechenbar sanktionieren, einmal viel durchgehen lassen und ein anderes Mal das kleinste Vergehen rigoros strafen. Mein Generaltipp: mit dem Wissen, wie wir evolutionär ticken, sich selbst und Kollegen beobachten, darüber schmunzeln und an sich arbeiten.


Zur Person

Gregor Fauma ist Verhaltensbiologe, lehrt an der Donau-Universität in Krems und fakultativ an der Anthropologie in Wien. Er arbeitet seit 2001 als Kommunikationstrainer und Systemischer Business-Coach mit Führungskräften aus Österreich und Deutschland und hat in dieser Funktion u.a. für die ORF-ZiB1 die Wahlkonfrontationen der Spitzenkandidaten hinsichtlich der Körpersprache analysiert. Der Schwerpunkt seiner Keynotes ist das evolutionäre Erbe der menschlichen Verhaltensweisen, speziell im Unternehmenskontext.


Buchtipp

Je stressiger es zwischen uns Menschen zugeht, desto deutlicher werden die Grundmechanismen unseres täglichen Verhaltens am Arbeitsplatz: Es geht unter anderem um Kooperationsbereitschaft unter Kollegen, um das Streben nach Macht, um Führungsverhalten – aber auch um einen Flirt im Büro oder das Vermeiden von offenen Konflikten.

Gregor Fauma analysiert, wie Menschen evolutionär ticken, was uns antreibt und was uns manchmal auch hindert, im Büroalltag kluge Entscheidungen zu treffen.

Vom Business-Catwalk Stiegenhaus über die Kampfarena Konferenzraum und den Flirt in der Kaffeeküche bis hin zum Chefbüro – die erkenntnisreiche Lektüre fasziniert mit aufschlussreichen Beobachtungen und humorigen Aha-Erlebnissen.

Gregor Fauma: Unter Affen - Warum das Büro ein Dschungel ist

Gregor Fauma: Unter Affen - Warum das Büro ein Dschungel ist

  • Gregor Fauma Unter Affen
  • Verlag Goldegg
  • Gebundene Ausgabe 220 Seiten; 19,95 €
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