Günter Bresnik über Dominic Thiem: "Lieber gar nicht als nicht richtig"
Seit Jahrzehnten betreut Erfolgstrainer Günter Bresnik die weltweite Tenniselite. Auch Dominic Thiem, der eben in das Halbfinale der French Open in Paris eingezogen ist, ist sein Schützling. Im trend-Interview spricht Bresnik über schwierige Eltern, Erfolgsfaktoren und klare Ziele im Leben.
Dominic Thiem, die Nummer eins im österreichischen Tennis, im Trainingszentrum Südstadt (Mai 2014).
trend:
Mit Dominic Thiem zählt wieder ein Österreicher zu den besten Tennnisspielern der Welt. Haben Sie als sein Trainer schon vor zehn Jahren gewusst, dass er es in die Top Ten schaffen wird?
Günter Bresnik:
Nein, wissen kann man das nie. Ich hab mit Dominic angefangen zu trainieren, da war er acht, neun Jahre alt. Wenn man als Trainer so früh mit jemandem beginnt und täglich zwei bis vier Stunden mit ihm verbringt, überlegt man sich schon sehr gründlich, ob sich dieser Aufwand lohnt. Das meine ich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional. Sich einem Spieler in dieser Intensität zu widmen, muss auch persönlich befriedigend sein.

Tennis-Coach Günter Bresnik: "Als Trainer überlegt man sich sehr gründlich, ob sich der Aufwand lohnt."
trend:
Inwiefern?
Bresnik:
Natürlich muss sich irgendwann Erfolg einstellen, und dafür ist die zwischenmenschliche Beziehung ebenfalls wichtig. Viele Spieler sind ja wie Lämmchen zu ihrem Trainer -bis sie Erfolg haben. Kaum gewinnen sie, glauben sie, sie müssen auf den Tisch klopfen. Das ist aber auch eine Frage der Erziehung, und solche Fragen sind in höherem Maße beeinflussbar, wenn man früh mit einem Spieler beginnt und wenn die Eltern und die Familie voll dabei sind. Das war bei Dominic absolut der Fall.
trend:
Dennoch: Wie erkennen Sie, ob ein Spieler das Zeug hat, zur Weltspitze zu gehören?
Bresnik:
Bei Dominic war zum Beispiel ganz klar eine unglaubliche Leidenschaft da. Er hat nie davon geredet, einmal die Nummer eins sein zu wollen, aber er war rund um die Uhr mit einem Ball und einem Schläger unterwegs. Wenn er auf irgendetwas warten musste, wenn er unbeobachtet war, hat er immer gespielt. Außerdem war Dominic schon als Kind sehr konzentrationsfähig. Über einen Zeitraum von bis zu zwei Stunden konnte er ohne Leerläufe trainieren. Er lernte zwar gar nicht unbedingt schneller als andere Spieler, aber er merkte sich besser, was er gelernt hatte. Wir konnten ohne Rückschritte auf dem Gelernten aufbauen. Das gilt auch jetzt noch, seine Aufnahmefähigkeit erschöpft sich nicht. Er hat sich immer weiter verbessert, nicht nur technisch, sondern auch körperlich, mental und taktisch. Er versteht das Spiel, und er versteht, was er tut.
Dominic Thiems Matchball zum Einzug ins Semifinale der French Open 2017.
trend:
Und er hat richtig früh ernsthaft zu spielen begonnen.
Bresnik:
Mich fragen ja Eltern von jungen Spielern oft: "Hat es denn Sinn, dass mein Kind Tennis spielt?" Da zucke ich regelmäßig aus. Eltern sind übrigens einer jener Faktoren, die eine potenziell große Karriere zum Scheitern bringen, weil sie sich einmischen. Ich frage dann: "Was, bitte, hat denn Sinn im Leben?" Es ist klar, dass es nur wenige schaffen, wirklich erfolgreich zu sein, aber wenn ein Kind mit großer Begeisterung bei einer Sache ist, dann hat es doch immer Sinn, das zu tun. Und ja, dass ich mit Dominic so früh beginnen konnte, hat mir geholfen, gleich eine gute Basis zu schaffen. Als ich begann, Horst Skoff zu trainieren, war er schon 19, alle anderen meiner Spieler waren noch älter. Das ist ein ganz anderes Arbeiten. Bei Dominic war das für mich das Trainer-Eldorado: Ich konnte meine gesamte Erfahrung von Anfang an einbringen. Das Schlimmste, das passieren konnte, war, dass er sein Potenzial nicht voll nutzt.
trend:
Sie betonen, wie wichtig Leidenschaft für eine Sportkarriere ist. Welche anderen Erfolgsfaktoren gibt es für Sie, und welche davon gelten auch außerhalb des Spitzensports?
Bresnik:
Wenn ich eine Sache nicht gerne mache, mache ich sie nicht gut, das ist klar. Wenn meine Ausbildung nicht gut war, wenn ich die Basis dessen, was ich tue, nicht verstanden habe, dann werde ich nicht erfolgreich werden. Dafür muss ich aber verstehen, was ich noch nicht weiß. In jedem Fall braucht es auch Durchsetzungsvermögen, eine gewisse Belastbarkeit und die Konsequenz, etwas über einen längeren Zeitraum zu machen, und zwar richtig. Es ist besser, gar nicht zu arbeiten, als falsch zu arbeiten. Das Falsche manifestiert sich sonst. Talent ist in diesem Zusammenhang übrigens relativ unbedeutend.
trend:
Wann macht man es denn richtig?
Bresnik:
Ich rege mich regelmäßig darüber auf, wenn jemand zum Training kommt und dann zwei Stunden in der Gegend herumsteht, unkonzentriert ist, weil er zum Beispiel danach einen Friseurtermin hat. "Geh zum Friseur", sage ich dann, "und danach trainierst du wieder richtig, bist wirklich bei der Sache." Eine andere Erfolgsvoraussetzung ist es, ein klares Ziel zu haben, das man selbst erreichen kann, ohne dabei von anderen abhängig zu sein. Sonst ist es kein Ziel, sondern ein Wunsch. Und wer glaubt mehrere große Ziele gleichzeitig verfolgen zu müssen, der wird sie vielleicht sogar erreichen, aber er wird nicht außergewöhnlich gut.
trend:
Was war Ihr Ziel mit Dominic Thiem?
Bresnik:
Ich habe ja keinen Einfluss darauf, wie er spielt, aber mein Ziel ist natürlich, dass er in der Rangliste weit oben steht und dass er dann, wenn er mit seiner Karriere aufhört, die Möglichkeit hat, jene Dinge zu tun, die er sich dann zum Ziel setzt. Mein Ziel war es auch, dass er mit 16 Jahren so dasteht, dass jeder Mensch auf der Welt sieht, dass Dominic eigentlich alles kann. Ich wollte, dass ich als Trainer keine körperlichen Fehler bei ihm mache, dass er zum Beispiel Ausdauer bekommt, ohne ständig nur am Laufband zu stehen. Größtenteils habe ich die, glaube ich, gut umgesetzt.
trend:
Brauchen Menschen immer andere Menschen wie Sie als Trainer, um ihr Potenzial voll auszuschöpfen?
Bresnik:
Ich glaube daran, dass niemand als Champion geboren wird und dass es auch nicht ausreicht, einen IQ von 200 zu haben, um Außergewöhnliches zu vollbringen. Da spielen sehr viel mehr Faktoren mit. Als Trainer habe ich die Aufgabe, jemanden besser zu machen, egal übrigens, wer das ist. Ich muss erkennen, was seine Anlagen sind, und darauf aufbauen. Aber der Antrieb dazu muss beim Spieler selbst da sein. Mit dem Gerede über den Trainer als Motivator kann ich nichts anfangen.
trend:
Was stört Sie daran?
Bresnik:
Jeder, der Außergewöhnliches erreichen will, aber erst motiviert werden muss, ist fehl am Platz. Ich suche mir motivierte Menschen, um mit ihnen zu arbeiten, und ich finde, so sollte das auch Gastwirt tun oder ein Schuster oder ein Manager. Ich helfe einem Spitzensportler dabei, seinen Beruf auszuüben, den er sich selbst ausgesucht hat, und ich mache das so, wie es seinem Naturell am besten entspricht. Denn jeder Spieler verhält sich ganz anders, wenn es zum Beispiel im dritten und entscheidenden Satz 5:5 steht und es sich jetzt entscheidet, ob er gewinnt oder verliert. Aber ich kann ihm zeigen, was ich für allgemein wichtig halte: dass er sich diesem Konflikt, dieser Situation immer stellt, und zweitens, dass er sie kontrolliert.
Zur Person
GÜNTER BRESNIK, 55, hat Horst Skoff ebenso trainiert wie Boris Becker, Henri Leconte und Stefan Koubek. Mit Dominic Thiem, derzeit Nummer sieben der Welt, arbeitet Bresnik seit dessen Kindheit.
Das Buch

Günter Bresnik: Die Dominic Thiem Methode. Erhältlich im trend.shop
DIE DOMINIC THIEM METHODE. Erfolg gegen jede Regel - Wie aus einem Achtjährigen ein Tennisstar wurde und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um auch abseits des Sports Erfolge zu erzielen. Seifert Verlag, 24,95 €
Siegen kann man lernen: Günter Bresnik, einer der anerkanntesten Tennis-Coaches der Welt, erzählt in Die Dominic-Thiem-Methode die unglaubliche Geschichte der Karriere seines Lieblingsschülers. Und er verrät seine Erfolgs-Prinzipien, die auf dem Tennisplatz ebenso anwendbar sind wie in Alltag und Beruf.
Das Buch ist erhältlich im trend-Shop. Um zum Shop zu gelangen klicken Sie hier oder auf die obige Abbildung.
Das Interview mit Günter Bresnik wurde anlässlich der Veröffentlichung des Buchs "Die Dominic Thiem Methode" geführt und ist ursprünglich in der trend-Ausgabe 42/2016 erschienen.