Frauen ins Top-Management: Der Ball liegt bei den Unternehmen
Die Begeisterung für Frauen in Führungspositionen ist in Österreich groß. Lippenbekenntnissen zu besseren Quoten folgen jedoch kaum Taten. Anspruch und Wirklichkeit klaffen immer noch weit auseinander. Konservative Werthaltungen und die fehlende Förderung zählen zu den Hauptgründen, dass Frauen der Aufstieg an die Spitze oft verwehrt bleibt.
Frauen in Top-Management-Positionen: Österreich hat großen Aufholbedarf
Alle Jahre wieder bestätigten die Studien zum Weltfrauentag immer wieder dasselbe: Frauen in Führungspositionen sind - unverändert - eine absolute Minderheit. Und stets geloben Unternehmenslenker Besserung.
Zwar hat sich in den vergangenen gut 20 Jahren das Verständnis dahingehend gewandelt, auch Frauen zu fördern und in Führungspositionen zu bringen. Selbst Quoten sind kein Tabu mehr. Aber vielfach bleibt es nur beim Wunsch, dass Frauen der Aufstieg gelingt wie Männern. Frauen in Top-Positionen sind weiterhin ein Minderheitenprogramm. Top-Management-Ebenen eine Männerdomäne. Anspruch und Wirklichkeit klaffen auch im Jahr 2019 noch weit auseinander, Frauen haben noch immer nicht dieselben Chancen wie Männer.
Der Großteil der Unternehmen wünscht sich zwar einer im Jänner und Februar 2019 vom Beratungsunternehmen Deloitte durchgeführten Umfrage zufolge mehr Frauen in der Führungsebene. Der Umfrage zufolge sähen sogar 93 Prozent der Befragten einen Wettbewerbsvorteil darin, Frauen in Führungspositionen zu haben - unabhängig von der Unternehmensgröße. Doch nur wenige Firmen werden diesem Anspruch dann auch gerecht.
Gleichstellung auf Lippenbekenntnisse
442 Personen wurden im Rahmen der Umfrage zum Thema "Frauen und Führung" befragt. Dabei wurde auch erhoben, inwiefern sich die seit über einem Jahr geltende Geschlechterquote für Aufsichtsräte nun auch schon auf die Führung in Unternehmen ausgewirkt hat. In Aufsichtsräten muss die Frauenquote ja seit über einem Jahr bei 30 Prozent liegen. Fakt ist aber, dass die gesetzlich vorgeschriebene Quote oft nicht erreicht wird.
Elisa Aichinger und Gunda Wentner, Managementberatungs-Expertinnen bei Deloitte, beobachten die Szenerie bereits seit Jahren und finden Erklärungen, warum die Führungsebenen noch immer Männerdomänen sind. Eines vorweg: Es liegt nicht an den Frauen, sondern in erster Linie an den Unternehmen, Frauenförderung zu betreiben - ob mit oder ohne Quote.
„Ein wesentlicher Punkt ist das Fehlen von konkreten Zielsetzungen", sagt Aichinger: "84 Prozent der Befragten Unternehmen sind davon überzeugt, dass es notwendig ist, messbare Ziele zu formulieren, um den Frauenanteil zu erhöhen." Nur etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen hätten demnach diese Ziele auch tatsächlich formuliert. "Das zeigt leider einmal mehr, dass sich in vielen Unternehmen die Gleichstellung auf Lippenbekenntnisse beschränkt."
Trotz aller guten Vorsätze sei die Chancengleichheit in vier Fünftel der Unternehmen nicht gegeben. Über die Hälfte der Unternehmen (52,7 Prozent) haben noch immer keine messbaren Zielen gesteckt, den Frauenanteil zu erhöhen. (siehe Grafik, u.)

Für die Karriere von Frauen ist noch immer die Vollbeschäftigung das Hauptkriterium. Als wesentliche Karrierehemmnisse gelten noch immer die schwierige Vereinbarkeit Familie und Beruf (68,1 Prozent), konservative Rollenbilder sowie Vorurteile (60 Prozent) und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen (60,4 Prozent). Ebenso entscheidend waren für die Befragten auch die fehlenden Ambitionen und das Selbstvertrauen der Frauen (52,9 Prozent). Unternehmenskultur (49,8 Prozent), Verhalten der Führungskräfte (43,2 Prozent) sowie die Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit waren als weniger relevant für Karrierehemmnisse genannt worden.
Die Sache mit der Vollbeschäftigung
„Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie schlechte Rahmenbedingungen im Bereich der Kinderbetreuung und bei den Angeboten von Ganztagsschulen sind tatsächlich ein häufig genannter Grund, der die Karriere von Frauen bremst", sagt Wentner, "Kinderbetreuung ist in Österreich nach wie vor Frauensache. Diese bedauerliche Realität wird auch von unserer Umfrage bestätigt."
Konservative Rollenbilder führten auch dazu, dass Frauen sich oft in der Teilzeitfalle finden. Wentner: "Ein Faktor, den mehr als die Hälfte der Befragten an Chancengleichheit anknüpft: Gleiche Karrieremöglichkeiten setzen eine Vollzeitbeschäftigung voraus."
Karrierehürden für Frauen werden häufig eher auf gesellschaftlicher und individueller Ebene gesehen. Karrierehemmnisse im Umfeld des Unternehmens sehen die Befragten weniger und sind als Argument am Ende des Rankings. "Das greift aber zu kurz" sagt Wentner. "Gerade Unternehmen müssen ihre Verantwortung beim Thema Gleichstellung von Mann und Frau wahrnehmen. Die Einflussmöglichkeiten der Wirtschaft sind beträchtlich.“

Die Teilzeitfalle - die Blockade für die Frauenkarriere.
Hoffnung schöpft die Managementberaterin Aichinger dennoch: „Auf der Pro-Seite ist zu vermerken, dass zumindest die Mehrheit der befragten Unternehmen den Nachholbedarf erkannt hat und plant zu handeln." Die Erhöhung des Frauenanteils steht demnach bei 60 Prozent der heimischen Unternehmen auf der Agenda (siehe Grafik, u.). Besonders große Unternehmen würden einen höheren Frauenanteil anstreben. "Sie haben die Nutzen diverser Teams bereits erkannt. Jetzt ist die breite Unternehmerschaft gefragt hier nachzuziehen“, sagt Aichinger.
Fast 70 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass Frauen im Führungsteam einen Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen sein können. Was offenbar nicht ohne Wirkung bei der Leitung in Unternehmen bleibt.
Immerhin will über die Hälfte der befragten Unternehmen (siehe Grafik, u. re.) in den "kommenden Jahren" den Frauenanteil in der Führung erhöhen (59 Prozent). Mit steigender Unternehmensgröße steigt dabei auch der Wille, den Frauenanteil in der obersten Führungsebene zu erhöhen. Bei KMU sind 49 Prozent der Unternehmer für eine Steigerung des Frauenanteils, bei Großunternehmen immerhin 64,1 Prozent.
