Football und Waldbrände
Der Wiener Rechtsanwalt Robin Lumsden hat seinen Aufenthalt in Stanford bekanntlich um ein Jahr verlängert. Jetzt will er alles über die Blockchain-Technologie wissen. Einmal im Monat schreibt er weiterhin über seine Erlebnisse und Erfahrungen. Diesmal: ein Treffen mit dem österreichischen Football-Spieler Thomas Schaffer, der im Stanford-Team verteidigt.
Robin Lumsden (re.) im Bild mit dem Stanford-Football- Star aus Österreich, Thomas Schaffer.
Das Semester im Bereich Blockchain/Crypto und neue Technologien ist im vollem Gange. Mein durchschnittlicher Tagesablauf: Um sechs Uhr früh trainiere ich mit einer Gruppe supersmarter Navy Seals, Elitesoldaten, die ihr Wissen aus dem Studium zurück zum Militär nehmen. Da profitiere ich von meiner früheren "Karriere" im österreichischen Jagdkommando nicht nur sportlich, sondern auch kommunikativ. Als Soldat einer Spezialeinheit findet man hier besonders leicht Anschluss.
Danach arbeite ich meist einige Stunden an juristischen Causen und besuche im Anschluss Klassen auf der Uni. Am späten Nachmittag wird dann wieder solo an Fällen gearbeitet, auch an dem neuen Fonds, den ich mit Business-School-und Engeering-School- Absolventen und der Universität Stanford aktuell gründe. Die meisten Abende und die Wochenenden sind meiner Familie gewidmet - (fast) alles eine Frage von Zeitmanagement, das habe ich hier in meinem MBA-Programmen die letzten Jahre gelernt.
In Stanford auch noch Ende November ein Thema: die kürzlich absolvierten Midterm Elections, die Wahlen in der Mitte einer Präsidentschaftszeit, bei denen alle Abgeordneten im Repräsentantenhaus, etwa ein Drittel der Senatoren und etliche Gouverneure neu gewählt werden. Auch wenn die Demokraten nur eine Kammer im Kongress erobern konnten, haben sie sehr viel (in Europa unterschätze) Macht auf Staatenebene gewonnen und jetzt nicht nur in vielen Bundesstaaten die Exekutive über den Gouverneur, sondern auch die Legislative über deren Kammern fest in der Hand.
Dadurch könnten sie für die nächsten Präsidentenwahlen 2020 Jahren wichtige Wahlbezirksänderungen durchführen, die im US Mehrheitswahlrecht entscheidend sind. Man nennt dies "Gerrymandering": Nach Prognosen über das Wahlverhalten werden Wahlbezirke neu gezeichnet, um große Ansammlungen an Wahlgegnern an aussichtslose oder sehr sichere Bezirke zuzuordnen. Ergebnis: Deren Stimmen werden de facto irrelevant. Meiner Ansicht nach wird der Präsident durch die Vielzahl der von Demokraten auf unteren Ebenen gewonnenen Wahlen auf lange Sicht sehr geschwächt. Trump reagierte, wie zu erwarten war, hat einen großartigen Sieg vermeldet und die gleichzeitige Niederlage "vornehm" übergangen.
Die amerikanische Seele
Je länger ich in den USA mit meiner Familie lebe, desto augenscheinlicher werden uns die Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Kultur, auch im Bereich der Politik. Amerikaner lieben Wahlen und wählen viel öfter als wir. Es werden Richter, Staatsanwälte und sogar Hundefänger demokratisch gewählt, alles angeblich Garantien gegen eine "Fremdbestimmung" durch Eliten und Staat. Die amerikanische Seele wird dominiert von einem absoluten Freiheitsgedanken, der uns (noch) eher fremd ist. Es geht bei jeder Abstimmung um die Limitierung der Rechte des Staates gegenüber dem Bürger.
Die meisten Amerikaner haben große Sorge, der Staat könne sich zu sehr in ihre privaten Angelegenheiten, etwa Bewaffnung oder Erziehung, einmischen. Unter anderem erklärt sich das, dass jene Kräfte, die die schützende und sorgende Hand des Staates schätzen gelernt haben, den Unabhängigkeitskrieg verloren und großteils nach Kanada auswanderten - deshalb wirkt Kanada viel "europäischer".
Woche für Woche gehen 50.000 ins Stanford-Stadium zum Football-Team.
Während die US-Amerikaner sich eher vor dem Staat fürchten, sorgen wir in Europa uns ja eher vor einem Übermacht US-amerikanischer Großkonzerne. Anschaulich wird diese Differenz beim Thema Datenschutz: Da quälen wir Europäer die USA mit strengen GDPR-Regeln. Während wir damit eher die Macht von Google und Co. limitieren wollen, haben die Amerikaner kein Problem mit ihren großen Konzernen, sondern wollen mit Datenschutz eher die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten beschränken.
Sport in Stanford
Urtypisch auch die amerikanische Liebe zum Sport. Besonders Football. Woche für Woche lockt das Stanford-Football-Team 50.000 Zuseher ins am Campus befindlich Football-Stadium. Hier landen vor dem Spiel die eingangs erwähnten Navy Seals mit Fallschirmen, die Nationalhymne wird angestimmt, und 50.000 Stanford-Studenten oder -Alumni feuern ihr Team an.
Ich sah mir das letzte Spiel mit meinen Kids, Professorin Condoleezza Rice und einer Mischung aus Mandanten, Professoren und Freunden an, die alle über das Stanford-Netzwerk verbunden sind. Die Verbundenheit mit der Uni ist extrem stark, und ich kann über meine Uni-Zugehörigkeit jeden ehemaligen Absolventen ungezwungen kontaktieren. Phil Knight, der Gründer von Nike, hielt für uns eine Vorlesung und kam danach zu einem Spiel. Ich scherzte mit ihm, dass ich leider als Jugendtennisspieler nur adidas als Sponsor hatte, aber Nike (durchaus verständlich) nie an mir interessiert war.
Extrem lässig ist auch, dass hier ein Österreicher in der Stanford-Football-Mannschaft mitspielen "darf". Thomas Schaffer ist "Defensive End" und damit Woche für Woche ein Held. Ich kenne ihn noch aus Österreich, als er bei den "Südstadt Rangers" war, einer Mannschaft, bei der ich während meines Studiums einige Jahre als Quarterback in der Jugendmannschaft spielte. Schon damals war Schaffer ein Ausnahmetalent. So beschloss er, in die USA für Highschool-Football zu übersiedeln und nutzte seine Chance auf einen Topcollege-Platz. Besser konnte er nicht treffen: Stanford ist die beste akademische Uni (sorry, Harvard) und die beste Sport-Uni der Welt: Studenten aus Stanford gewannen bei den letzten Olympischen Spielen 26 Medaillen.
Das Derby
Das große Football-Derby Stanford gegen Berkeley wurde dieser Tage wegen schlechter Luftqualität aufgrund der größten Waldbrände der letzten 60 Jahre vertagt. Obwohl wir zwei Autostunden von der Kernzone des Feuers entfernt leben, wurden die Schulen meiner Kinder ganz gesperrt. Ich musste uns auch Atemmasken besorgen, mein Training mit den Navy Seals wurde ins Fitnesscenter verlegt.
Trump nutzte die Gelegenheit, um den neuen demokratischen Gouverneur Gavin Newsome vorzuwerfen, die Brände wären vermeidbar gewesen. Dass der Brand vier Tage nach der Bestellung Newsoms ausbrach, hat der Präsident unter den Tisch fallen lassen. Donald Trump ist eben anders, auch für Amerika.
Zur Person
Robin Lumsden, 42, ist Rechtsanwalt in Wien und auch in New York und Washington D.C. zugelassen. Er ist Co-Founder des Stanford Digital Assets Fonds in Kalifornien und Generalkonsul von Jamaika.
Der Beitrag ist der trend.PREMIUM-Ausgabe 48/2018 vom 30. November 2018 entnommen.