Design Thinking in der Praxis: Casinos, MAM, Erste Bank, ÖBB

Die Kinderzahnbürste ist das mit Abstand bekannteste Beispiel, das mithilfe von Design Thinking entwickelt wurde. Aber auch in Österreich sind Unternehmen dadurch zu innovativen Produkten oder Dienstleistungen gekommen.

Design Thinking in der Praxis: Casinos, MAM, Erste Bank, ÖBB

Vier Beispiele, wie Design Thinking in österreichischen Betrieben praktiziert wird: Der Innovation Hub der Casinos Austria, Kreativ-Workshops des Babyartikel-Herstellers MAM, der Erste Hub der Erste Bank und das Ideenlab der ÖBB.

Casinos Austria: Valley-Spirit am Rennweg

Bettina Glatz-Kremsner, Vorstand Casinos Austria

Bettina Glatz-Kremsner, Vorstand Casinos Austria

Wer die Casinos-/Lotterien-Zentrale am Wiener Rennweg von außen sieht, dem fallen nicht unbedingt "Innovation" oder gar das "Silicon Valley" ein. Der schmucklose Glasbau könnte auch ein Ministerium beherbergen, allenfalls eine Bank. Doch im Inneren des Glasbaus hat sich in den letzten Monaten einiges bewegt, funktionelle Büromöbel sind einer bunten, lässigen Lounge-Atmosphäre gewichen.

Denn seit März dieses Jahres befindet sich im fünften Stock der Casinos-Zentrale auf rund 200 Quadratmetern der Innovation Hub des Hauses. "Ziel war es, dass die Leute dort transparent, kreativ und interdisziplinär miteinander arbeiten können", erläutert Firmenchefin Bettina Glatz-Kremsner ihr neuestes Projekt. Denn, so ihr Motto: "Wer nicht innoviert, verliert." Dass die Casinos-/Lotterien-Gruppe bis zur Gründung des Hubs nichts mit Innovationen am Hut hatte, weist Glatz-Kremsner zurück: "Wir sind viel innovativer als unser Ruf", meint sie und belegt das mit Produkten, die im Haus erfunden wurden: Kartenmischmaschinen, Rubbellose oder win2day etwa.

Bis vor Kurzem aber wurde das Thema Innovation in der IT-Abteilung "versteckt". Genau das wollte Glatz-Kremsner beenden und hat dem Thema personell, finanziell und räumlich mehr Platz im Unternehmen geschaffen. Innovation ist nun direkt dem Vorstand unterstellt, und 400.000 Euro werden im Budget dafür bereitgestellt.

Und eben der Hub, der vor allem während der "Awesomeness-Challenge" regen Zulauf hatte. Die Awesomeness-Challenge wurde im Frühjahr dieses Jahres von insgesamt 69 Teams aus je vier Personen des Hauses bestritten und hatte das Ziel, möglichst viele Ideen für Neuerungen, die letztlich der Kunde spürt, zu Tage zu fördern. Gewonnen hat ein Team, das einen neuen Weg zum Lotto ersonnen hat. Mehr darf die Casinos-Chefin aber nicht verraten, denn das Projekt ist geheim. Die Konkurrenz schläft ja nicht.

Aber wieso all der Aufwand, wo doch ohnehin bald die Novomatic das Sagen im Unternehmen hat? "Dadurch steigern wir den Unternehmenswert für jeden Eigentümer. Das ist auch für die Novomatic eine feine Sache", ist Glatz-Kremsner überzeugt.

Der Herbst steht jedenfalls auch ganz im Zeichen der Innovation: Das Siegerteam der Challenge darf im Oktober mit der Chefin ins Silicon Valley reisen. Mit im Gepäck findet sich bestimmt auch die ein oder andere innovative Idee.


MAM: Hightech-Kreativität

Manfred Schwarz, MAM-Innovationsleiter

Manfred Schwarz, MAM-Innovationsleiter

Der Wiener Babyartikelhersteller MAM ist eine Innovationsmaschine. Seit Kurzem gibt es auch eigene Räumlichkeiten für die Kreativ-Workshops. Das Wiener Unternehmen gilt als einer der Innovatoren im Bereich der Babyartikel. Das vom gelernten Kunststofftechniker Peter Röhrig geleitete Unternehmen hält über 60 Technologie-und 300 Designpatente. Viele Ideen sind in einem der unzähligen Kreativ-Workshops entstanden, die MAM jedes Jahr durchführt. Mal traf man sich dafür in einem der Besprechungsräume in der Zentrale in Wien oder mietete sich in einem Seminarhotel in der Umgebung ein. Optimale Bedingungen, um kreativ arbeiten zu können, waren das allerdings nicht. Jedes Mal mussten erst die sperrigen Besprechungstische hinausgeräumt werden, um mit den Teilnehmern bei Bedarf im Stehen arbeiten zu können, was gut ist, um den Energielevel zu heben. Für andere Aufgabenstellungen wurden abgetrennte Zonen für die Arbeit in Kleingruppen benötigt. Die Vorbereitungen waren lästig und zeitaufwendig, hatten aber immerhin keine Auswirkungen auf die Innovationskraft des Unternehmens. Einige der Produkte, die MAM in den vergangenen Jahren herausgebracht hat, gelten als kleine Revolution, etwa der Schnuller, der Zahnfehlstellungen korrigiert, oder die Babyflasche, die das Risiko von Koliken über eine Trinkflussregulierung senkt.

Dass das Unternehmen jetzt mit der Zeit geht und ein eigenes Innovationslabor geschaffen hat, liegt auch an den räumlichen Möglichkeiten, die sich mit der Erweiterung des im Burgenland angesiedelten Entwicklungszentrums ergeben haben. Dort fand Anfang August ohne große Feierlichkeiten und PR-Aktionen die Eröffnung des neuen Labs statt. Umso gründlicher waren die Recherchen, die im Vorfeld gelaufen sind. "Wir haben uns verschiedene Labs großer auch deutscher Unternehmen angeschaut, um von ihren Erfahrungen für unser eigenes Projekt zu profitieren", sagt Herfried Schwarz, Leiter Innovation bei MAM. Herausgekommen ist ein Raumensemble, das viel Fläche bietet, um kreativ arbeiten zu können.

Das Herzstück des MAM- Labors bildet eine Hightech-Tafel, an der Gruppen von bis zu acht Leuten an Projekten arbeiten können. Die Räume sind mit einer speziellen Farbe gestrichen, sodass Ideen einfach an die Wände geschrieben werden können.

Beim nächsten Workshop wird das allerdings nicht Teil der gruppendynamischen Übungen sein. Dieser steht vielmehr unter dem Motto "Mit den Händen denken". Mithilfe von Lego-Klötzen sollen sich Mitarbeiter und Kunden Problemen widmen, die MAM gerne in Zukunft lösen möchte.


Erste Bank: Das Beiboot des Konzerns

Boris Matte, Leiter Erste Hub

Boris Matte, Leiter Erste Hub

Das schnelle Ideenbeiboot der Erste Bank heißt BeeOne. In diesem Ende 2012 gegründeten Spin-off arbeiten 50 Designer, Entwickler und Markenspezialisten. Gemeinsam denken sie über die Banklösungen von morgen nach. Das Team in diesem bankeigenen Fintech arbeitet unabhängig vom Konzern. "Wir haben hier die Freiheit, unsere eigene Agenda zu setzen", sagt Boris Marte, der in seiner Funktion als Vorstand der Erste Stiftung das Konzept für die Innovationsstrategie der Bank geschrieben hat und heute den Erste Hub leitet -eine Art "Taskforce", wo die Arbeit der BeeOne-Leute mit der Konzernstrategie synchronisiert wird. War der Hub in den ersten Jahren direkt CEO Andreas Treichl unterstellt, ist seit heuer der Retailvorstand zuständig.

Auch räumlich hat sich mittlerweile einiges geändert. Mit der Eröffnung des Erste Bank Campus beim Wiener Hauptbahnhof sind auch die BeeOne-Leute aus ihrem bunten Office in der Neutorgasse in ein Stockwerk des neuen Campus übersiedelt. Ihre Aufgabe besteht darin, ihrer Kreativität, ihrem Einfallsreichtum freien Lauf zu lassen und möglichst viele Ideen für neue digitale Services zu generieren. Jeden zweiten Freitag im Monat findet das sogenannte Idea Shooting statt, ein informelles Frühstück, bei dem jeder BeeOne-Mitarbeiter seine neusten Vorschläge vor Kollegen und Bankern präsentieren kann. Dann wird entschieden, welche, davon weiterverfolgt werden. Mehr als 100 Vorschläge wurden bisher auf diese Weise gesammelt. Nur ein kleiner Teil davon schafft es jedoch bis zum marktfähigen Produkt. Die bisher größte Innovation aus dem BeeOne/Hub-Komplex ist die Onlinebanking-Plattform George, die von 700.000 Kunden genutzt wird und demnächst auch in der Slowakei und Tschechien ausgerollt werden soll. Zu George gehört auch ein eigener Store, in dem Kunden neuartige, von BeeOne angestoßene Finanzdienstleistungsprodukte erwerben können, etwa das Plug-in Snapshot, das eine Monatsbilanz der Ein- und Ausgaben liefert.

"Es ist ein ständiger Druck da, etwas Neues zu erfinden, Lösungen zu verbessern, weil sich der Markt so schnell dreht", sagt Marte. Um alles im Blick zu behalten, was sich im Fintech- Segment tut, wurde im Rahmen des globalen Researches ein eigener Blog ins Leben gerufen, der die neusten Entwicklungen abbildet. "Unser Anliegen ist es, dass wir als Erste Bank die Veränderung aktiv mitgestalten. Wir wollen nicht diejenigen sein, die Innovationen kopieren", so Marte.


ÖBB: Die Kraft der Ruhe

Kristin Hanusch-Linser, Leiterin ÖBB-Lab

Kristin Hanusch-Linser, Leiterin ÖBB-Lab

Gedeckte Farben, flauschiger Teppich, zurückhaltende Möblierung: Das noch unter Ex-CEO Christian Kern initiierte Ideenlab der ÖBB entspricht so gar nicht der gängigen Vorstellung einer hippen Kreativitätsstube. Die im Frühjahr neu eröffneten Räumlichkeiten strahlen vielmehr eine große Ruhe aus, die auch auf die Mitarbeiter abstrahlen soll. Denn nur, wer in sich ruht - so die dahinterliegende Idee -, hat die Kraft für originelle Gedanken, um die ÖBB zukunftsfit zu machen. "Innerhalb des Konzerns gibt es sehr viele tolle Ideen, die aber oftmals in den Prozessen und Strukturen steckenbleiben. Diese wollen wir jetzt durch unsere Open-Innovation- Initiative bündeln und damit ihre Umsetzung beschleunigen", sagt Kristin Hanusch-Linser, die Leiterin des Open Innovation Lab & Service Design Centers. Der Bereich ist im Vorstand der Holding angesiedelt. Über das Budget schweigt man sich aus, die volle Unterstützung von CEO Andreas Matthä wird betont.

Standen bisher vor allem technologische Neuerungen im Fokus, will man sich nun stärker solchen Themen zuwenden, die das Bahnerlebnis für den Kunden verbessern. Die Methode der Wahl ist das derzeit gehypte Service Design Thinking. Innerhalb der ÖBB wurden in den vergangenen Jahren über 240 Mitarbeiter auf diesem Gebiet geschult, 60 von ihnen haben darüber hinaus die Qualifikation eines Moderators erworben. Unter ihrer Ägide finden in dem neuen Lab mittlerweile drei bis vier Workshops die Woche statt. In interdisziplinären Teams denken die ÖBBler darüber nach, welche Dienstleistungen in den neuen Fernbussen angeboten werden können oder wie die Zufriedenheit mit den Zugtoiletten verbessert werden kann.

Duftende Bahn-Toiletten: Eine Innovation aus dem ÖBB-Ideenlab.

"Service Design ist eine Methode, die sehr schnelle Ergebnisse liefert", sagt Yvonne Pirkner, Mitarbeitern im Bereich Open Innovation. Plakativstes Beispiel hierfür: die neu gestalteten WCs in Nahverkehrszügen. Fototapeten und ein passender Duft verschönern hier seit einigen Monaten das bis dahin sehr nüchtern gehaltene Ambiente. "Unser erklärtes Ziel ist es, drei kundenorientierte Projekte bis 2017 umzusetzen", sagt Hanusch-Linser.

Dafür geht das Unternehmen auch ungewöhnliche Wege und lädt - wie jetzt Mitte August - eine Gruppe von ausgebildeten Servicedesignern aus dem eigenen Haus, aber auch aus anderen Unternehmen, zur Zugfahrt nach Alpbach, um die Anreise zum dort stattfindenden Forum künftig angenehmer gestalten zu können.

Von der Initiative erhoffen sich die ÖBB aber auch Input für ihre eigenen Produkte, etwa für die Anreise zu Konzerten, Sportveranstaltungen oder anderen Events.


Impulstag: Hands on Design Thinking

Sind Sie inspiriert? Wollen Sie selbst erfahren, wie Design Thinking funktioniert und was es bewegen kann? Kommen Sie zum Impulstag "Hands on Design Thinking" am 29. November 2016. Für weitere Informationen zur Veranstaltung klicken Sie hier oder auf die untenstehende Abbildung.

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