Andreas Salcher: Die fünf Erfolgsprinzipien für 2021
Das Jahr 2020 war zu den meisten Menschen nicht besonders freundlich - zu Gastronomen, Hoteliers, Künstlern, Einzelhändlern oder Eltern schulpflichtiger Kinder sogar besonders grauslich. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern. Dafür können wir uns 2021 in der Kunst des guten Lebens üben. Fünf Erfolgsprinzipien dafür.
Andreas Salcher
"Wer sich selbst nicht für super hält, der wird 2021 kein Superheld."
1. Die unterschätzte Macht der Selbstdisziplin
Das Wort Disziplin hat oft einen negativen Klang. Bilder von der unbarmherzigen Erziehung der Kinder bei den Spartanern oder der beinharten Ausbildung der US-Marines tauchen auf. Nüchtern betrachtet ist Disziplin unabdingbar, wenn man vom Anfängerniveau auf ein höheres kommen will. Das gilt auf allen Gebieten, vom Sport bis zur Kunst und natürlich auch im Management.
Wie wichtig Selbstdisziplin für den Lebenserfolg ist, wissen wir seit dem berühmten Marshmallow-Experiment durch Walter Mischel im Jahr 1968. Dabei wurden Kinder mit einer Süßigkeit (Marshmallow) vor die Wahl gestellt, diese entweder sofort zu essen oder eine zweite zu bekommen, wenn sie es schafften, den Verzehr zehn Minuten hinauszuschieben. Jene Kinder, die den "Belohnungsaufschub" schafften, erwiesen sich dann im Leben als deutlich erfolgreicher. Die gute Nachricht: Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Fähigkeit zur Selbstdisziplin nicht wie der IQ genetisch veranlagt ist, sondern sich im Laufe des Lebens steigern lässt. Zwei Strategien haben sich als besonders wirksam erwiesen:
Der erste Schritt zur Selbstdisziplin besteht darin, sich übergeordnete motivierende Ziele zu setzen. So ist die Frage "Warum ist es notwendig, diese Aufgabe zu erfüllen?" auf die Zukunft und eine höhere Ebene gerichtet. Dagegen drückt uns die Frage "Wie soll ich das nur schaffen?" auf eine niedrigere Ebene. Wenn Sie die nächste Stufe auf der Karriereleiter im Blickfeld haben, gewinnt die Arbeit an der perfekten Vorstandspräsentation, die Sie schon lange aufschieben, durch diesen Perspektivenwechsel eine neue Bedeutung. Dann werden Sie sich auch nicht mit der ersten Version zufriedengeben, sondern diese hoch motiviert mehrmals überarbeiten.
Selbstdisziplin ist dann am effektivsten, wenn wir uns gute Gewohnheiten antrainieren und schlechte abstellen. Das klingt banal? Wir unterschätzen die Anstrengung, die es uns kostet, Versuchungen zu widerstehen, denn selbst wenn wir ihnen letztlich doch nachgeben, kostet das viel Energie und frustriert uns. Sobald dagegen die guten Gewohnheiten zu Routinen werden, erfordern sie keine Anstrengung mehr. Das funktioniert wie ein Autopilot. Fähigkeiten wie Frustrationstoleranz, Beharrlichkeit und Fokussierung lassen sich wie ein Muskel trainieren. So könnten wir das Jahr damit beginnen, den Tag nicht mit dem Bearbeiten von E-Mails ohne klare Prioritäten zur starten; Zeiträume der Erholung fix einplanen, statt bis zur Erschöpfung zu arbeiten; uns selbst verpflichten, täglich zumindest 30 Minuten Bewegung zu machen; einen Tag in der Woche völlig auf Fernsehen zu verzichten und dafür ein Buch zu lesen. Selbstdisziplin ermöglicht uns, jenen Zielen in unserem Leben mehr Raum zu geben, die Wachstum statt Stagnation fördern.
2. Mut zur Originalität
Die Forschung hat gezeigt, dass außergewöhnlich kreative Kinder weder bei ihren Lehrern noch bei Mitschülern besonders beliebt sind. Sie gelten oft als Störenfriede oder Sonderlinge. Um der Isolierung in der Klasse zu entgehen, passen sie sich immer mehr den Regeln an und behalten ihre originellen Ideen für sich. Im Gegensatz zur Schule hat Innovation für die meisten Unternehmen einen hohen Stellenwert, zumindest offiziell. Chefs schätzen kreative Mitarbeiter, solange sich diese kooperativ zeigen. Sobald sie jedoch den Status quo massiv angreifen, stoßen sie auf Ablehnung und Widerstand. Dabei wissen wir von Joseph Schumpeter, dass Originalität ein Akt der schöpferischen Zerstörung ist.
Doch wie erkennt man als Verantwortlicher die oft schmale Grenze zwischen einem Querdenker und einem Querulanten? Und wie können Sie selbst mit kreativen Ideen den Widerstand der höheren Etagen überwinden? Der Wharton-Psychologe Adam Grant empfiehlt in seinem Buch "Nonkonformisten. Warum Originalität die Welt bewegt" zwei Strategien: Scheuen Sie sich nicht, Ihre unkonventionellen Ideen immer zu wiederholen, und schaffen Sie Anknüpfungspunkte an Bestehendes. In der Regel fördert das die positiven Reaktionen, weil Innovationen mit der Zeit nicht mehr so bedrohlich klingen. Gewinnen Sie zumindest einen Gegner für Ihre Idee. Dieser kann viel glaubhafter argumentieren, weil er die Bedenken der Skeptiker besser nachvollziehen kann. Zweifellos ist es einfacher, originelle Ideen abzuwehren. Doch Konzepte, die Sie bis zu dem Punkt gebracht haben, wo Sie jetzt stehen, werden Ihr Unternehmen nicht weiterbringen.
3. Reflexion und Selbsterkenntnis
Bei einer Research-Reise ins Silicon Valley hatte ich die Möglichkeit, ein intensives Gespräch mit einem Human-Relations-Manager von Google zu führen. Ich war überrascht, welche hohe Priorität dort dem Thema Reflexion gegeben wird. Vorgesetzte fordern und fördern in den Mitarbeitergesprächen die kritische Selbstreflexion. In den meisten traditionellen Unternehmen sind alle vom Chef bis zum Mitarbeiter meist viel zu sehr mit der Befriedigung der immer dominanteren Managementsysteme beschäftigt, um die nötige Zeit zum Reflektieren zu finden. Welche Bedeutung hat Reflexion in Ihrem Leben? Wie viel Ihrer Zeit investieren Sie in die Sicherung Ihres Wohlstandes und wie viel in die Entwicklung Ihrer Persönlichkeit? Wie könnte eine Methode aussehen, die Ihnen Freude am täglichen Abenteuer der Selbsterforschung bereitet und nicht nach kurzer Zeit zur lästigen Pflichterfüllung wie dem Bearbeiten von Excel-Dateien wird? Tun Sie sich leichter mit der Verstandesebene, dann wird Schreiben und Nachdenken gut passen. Hat sich Meditation oder Körperarbeit schon einmal bewährt?
Und wenn das alles wenig realistisch scheint, dann sollte Ihnen der Gedanke Mut machen, dass es zumindest eine rituelle Handlung gibt, die Sie bisher auch unter größtem Stress jeden Tag durchgehalten haben. Zähneputzen. Putzen wir nicht zumindest einmal am Tag die Zähne, fallen diese aus. Das tut verdammt weh und wird teuer. Vernachlässigen wir dagegen unsere Seele, weil wir uns nie Zeit für die Reflexion über unser Leben nehmen, wird sie verkümmern. Eine App, die die täglich notwendige Reflexionsarbeit für uns leistet, ist leider noch nicht erfunden. Wenn wir diese Arbeit ständig aufschieben, dann sind die Folgen mindestens so schlimm wie bei der Vernachlässigung unserer Zähne. Ein Jahr ohne Reflexion ist ein verlorenes Jahr.
4. Die Zeitautonomie in der neuen Arbeitswelt nutzen
Starre Arbeitszeiten sind psychologisch betrachtet eine Zumutung, weil sie unser Bedürfnis nach Selbstbestimmung beschneiden. So benachteiligt ein früher Arbeitsbeginn jene Hälfte der Menschheit, die dem genetisch veranlagten Chronotypus der "Nachteule" angehört. Allerdings haben sich viele so daran gewöhnt, dass sie die Chancen der neuen Zeitautonomie im Homeoffice nicht optimal für sich nutzen. Der Schüssel zur Zeitautonomie steckt in einem Zitat von Robert Musil: Leben heißt auswählen.
Was heißt das konkret? Stellen Sie sich bei jeder Aufgabe, die Sie täglich im Homeoffice wie bisher im Büro bearbeiten, zwei einfache Fragen: Muss ich das wirklich tun, weil es einen wichtigen Beitrag für das Unternehmen leistet? Will ich es tun, weil ich es für notwendig erachte? Wenn die Antwort zweimal Nein ist, dann eliminieren Sie diese Tätigkeit einfach. Dadurch gewinnen Sie Zeit für Dinge, die wirklich wichtig sind. Und wenn Sie eine Nachteule sind, schlafen Sie länger und arbeiten dafür länger mit mehr Freude.
5. Sei dir selbst ein guter Freund
Sich selbst ein guter Freund zu sein heißt: uns so sehen zu können, wie wir wirklich sind, nicht besser, aber auch nicht schlechter; jene Teile von uns zu akzeptieren, die wir nicht ändern können, und uns dafür darauf zu konzentrieren, die Kluft zwischen jenem Menschen, der wir heute sind, und jenem, der wir sein könnten, kleiner zu machen; unsere großen Träume nie aus den Augen zu verlieren und darauf zu vertrauen, dass Kräfte in uns stecken, die wir gar nicht ahnen können.
Etwas prosaischer formuliert: Wer sich selbst nicht für super hält, der wird 2021 kein Superheld.

Andreas Salcher ist Bildungsexperte, Bestsellerautor, Unternehmensberater und regelmäßiger trend-Autor. Sein jüngstes Buch mit dem Titel "Der talentierte Schüler und seine ewigen Feinde" ist im August 2019 erschienen. Andreas Salcher beschreibt darin, wie Schulen zu Orten werden könnten, an denen Kinder jeden Tag mit Freude lernen.
Der Essay ist ursprünglich in der trend-Ausgabe 51-52/2020 vom 18. Dezember 2020 erschienen.