Alois Czipin: Unüberbrückbare Auffassungsunterschiede
Alois Czipin, Unternehmensberater mit Schwerpunkt Produktivität, berichtet in der trend-Serie "BusinessCLASS" über seine Erfahrungen bei Change-Prozessen. So sind Änderungen an der Unternehmensspitze bei einem Kunden immer heikel. Aber es schmerzt auch, wenn der Kunde mit den Beratern unzufrieden ist.
Alois Czipin, Czipin Produktivitätssteigerungs-GmbH
BITTE WARTEN! Die Akquisition dieses Projektes zieht sich schon sehr lange, und langsam verliere ich den Glauben, dass überhaupt noch etwas daraus wird. Schon vor zwei Jahren fand der erste Kontakt statt.
Das Ergebnis damals: Bitte warten, es sind noch einige strategische Veränderungen umzusetzen, ohne die ein Vorhaben zur Produktivitätssteigerung keinen Sinn ergibt. Verständlich -nur habe ich diese Aussage schon zu oft gehört. Meist verlaufen solche Opportunities im Sand.
Nicht so in diesem Fall: Nach der Umsetzung strategischer Maßnahmen beginnt der Verkaufsprozess aufs Neue. Mit einem neuen Angebot und einer überzeugenden Präsentation bekommen wir den Zuschlag. Ich bin happy, dass es gelungen ist, dieses Mandat zu gewinnen - und das gegen das Who's who der Beraterszene.
Unser Fitness-Check zeigt, dass viele ungelöste Probleme im Ablauf und in der Steuerung existieren. Das Ergebnis: Die Produktivität könnte um 15 Prozent gesteigert werden. Ein Team von drei Mitarbeitern macht sich an die Arbeit. In den ersten Monaten stellen sich sehr rasch Erfolge ein. Mit der Einführung von Kontrollen an den Maschinen gelingt es, die Sensibilität der Mitarbeiter für die Erbringung der Soll-Leistungen zu schärfen. Die ersten beiden Meilensteine werden ohne Probleme passiert. Immer wieder spreche ich mit dem Klienten, der sich mir gegenüber zufrieden mit dem Fortschritt des Projektes zeigt.
Nach und nach fällt mir aber in unseren wöchentlichen Reviews auf, dass der Elan nachlässt. Ich erfahre, dass die Umsetzung von weiteren Maßnahmen auf immer stärkeren Widerstand stößt. Der Werksleiter ist zu schwach, um sich durchzusetzen, der Klient ist zu wenig vor Ort, um uns wirksam unterstützen zu können. So wird es immer mühsamer. Der Projektleiter, der mit Feuereifer gestartet ist, verliert mehr und mehr die Freude, was die Sache nicht einfacher macht. Ich verteile die Verantwortlichkeiten neu, was zu einer spürbaren Verbesserung führt.
Mit dreimonatiger Verspätung kommen wir zum Abschluss des Projektes. Wir sind etwas unzufrieden, da manche Aufgaben zwar definiert, aber nicht vollständig umgesetzt sind. Mit der Zusage, die offenen Maßnahmen weiter zu begleiten, wird das Projekt abgenommen. Ich bin froh, dass die Sache so endet, und fahre beruhigt nach Hause. Auch die Indikatoren zeigen in die richtige Richtung, wenngleich immer wieder Stimmen zu hören sind, dass sich diese Verbesserungen nicht in den Finanzergebnissen wiederfinden.
Die Konfrontation
Zwei Monate später erreicht mich eine SMS, in dem mich der Klient informiert, dass er vom Eigentümer von heute auf morgen gefeuert wurde. Er nennt Auffassungsunterschiede als Grund. Ich bin alarmiert, denn ich weiß, wie heikel Staffelübergaben an der Unternehmensspitze sein können.
Einige Wochen bittet mich der neue Geschäftsführer per Mail, Unterlagen über die Projektergebnisse zu übermitteln und diese dann zu besprechen. Bei mir stellt sich mittlerweile ein sehr unangenehmes Gefühl in der Magengrube ein, denn mir ist klar, dass in diesem Meeting nur zwei Wege möglich sind: Kooperation oder Konfrontation.
In mir braut sich ein toxischer Mix an Emotionen zusammen.
Der Projektleiter und ich stellen uns dieser Aufgabe: Nach anfänglichem Austausch von Freundlichkeiten kippt das Gespräch in einen sehr feindlichen Modus. Jede einzelne der ergriffenen Maßnahme wird nicht nur hinterfragt, sondern als nicht durchdacht und dementsprechend wirkungslos hingestellt. In mir braut sich ein toxischer Mix an Emotionen zusammen.
Ich bin versucht, meinem Gegenüber ins Gesicht zu springen und ihm ordentlich die Meinung zu sagen. Ich bleibe aber nach außen ruhig und versuche es auf sachliche Art und Weise, die jedoch auf keinerlei Gehör stößt.
Nach endlos scheinenden zwei Stunden kommen wir zum Ende. Die Positionen könnten unterschiedlicher nicht sein: Wir behaupten, dass die erfolgten Veränderungen in die richtige Richtung gehen und noch einiger Anstrengung bedürfen, um sie zum Abschluss zu bringen. Unser Gegenüber meint, dass wir keine Ahnung haben und alles von Beginn weg falsch war.
Ich bin fassungslos und natürlich auch frustriert, da ich erkennen muss, dass es in diesem Fall unvorstellbar ist, auf jener Basis weiterzumachen, die in acht Monaten aufgebaut wurde. Ich gehe gedanklich an den Projektbeginn zurück und frage mich, was anders hätte laufen können. Außer der Tatsache, dass ich das Team hätte früher umstellen müssen, fällt mir nichts ein. Trotzdem schmerzt mich, dass jemand unzufrieden mit den Leistungen meines Unternehmens ist.
Der Beitrag ist der trend. PREMIUM Ausgabe vom 7.4.2023 entnommen.