Alois Czipin: Große Potenziale bleiben liegen

Unternehmensberater Alois Czipin erklärt aus seiner Beratungstätigkeit. dass Unternehmen mehr auf die Planung als auf das Berichtswesen setzen sollen. Und vor allem stets die zwei Grundgesetze der Produktivität beachten müssen.

Alois Czipin, Czipin Produktivitätssteigerungs-GmbH

Alois Czipin, Czipin Produktivitätssteigerungs-GmbH

UNPRÄZISE BERICHTE. Ich beschäftige mich nunmehr mehr als 40 Jahre mit dem Thema Produktivität. Meine Erkenntnis: Unternehmen stecken wesentlich mehr Zeit in unpräzise Berichte als in saubere Planung - und das gilt ganz besonders für Personalressourcen außerhalb der Produktion.

Da verlassen sich die meisten Führungskräfte auf ihr Bauchgefühl. Ich habe wenige erlebt, die mir beispielsweise auf Anhieb sagen konnten, wie viele Arbeitsstunden sie am Vortag zur Bewältigung des Arbeitsvolumens in ihrer Abteilung benötigt hätten und wie viel Zeit auf Basis des erwarteten Arbeitsanfalls für den kommenden Tag notwendig ist. "You get what you measure" heißt ein Grundgesetz der Produktivität! Dieser entfaltet erst dann seine volle Wirkung, wenn auch ein zweiter Grundsatz angewandt wird: "Plan your work, and work your plan!"

Dazu passt folgende Geschichte: Ich befinde mich in der Vorstandetage eines Großunternehmens. Seit Jahren bemühe ich mich, dort ins Geschäft zu kommen, bisher ohne Erfolg. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass die Qualität der erbrachten Dienstleistungen in der Auftragsabwicklung nicht sehr gut ist: Rückrufe bei Anliegen erfolgen meist erst beim dritten Mal, Wartezeiten in der Hotline sind eine Geduldsprobe. Ich weiß auch, dass die Produktivität des Sektors, in dem das Unternehmen tätig ist, im internationalen Ranking im untersten Drittel angesiedelt ist.


Aktivitäten, deren Dauer und Frequenz müssen definiert sein.

Diesmal läuft das Gespräch jedoch anders: Mein Gesprächspartner hört mir aufmerksam zu und stellt kritische, aber interessierte Fragen. Ich erkläre anhand eines Schaubildes, wie ein System zum flexiblen Kapazitäts- und Produktivitätsmanagement aussieht und wie wir ein solches System fallspezifisch entwickeln und implementieren. Ich erwähne, dass Produktivitätssteigerungen von 20 Prozent und mehr möglich sind und eines unserer Grundprinzipien "Plan your work, and work your plan" lautet. Und ich betone, dass die Aktivitäten, deren Frequenz und deren Dauer definiert sein müssen, um richtig planen zu können.

Mein Gegenüber sagt: "Im nächsten Termin werden Ihnen meine Kollegen zeigen, wie sie aktuell mit dem Produktivitäts- und Kapazitätsmanagement umgehen."

Zwei Wochen später findet dieser Termin statt. Die wesentlichen Kennzahlen werden präsentiert: Anzahl der gearbeiteten Stunden, Bearbeitungsvorgänge pro Stunde, Abwesenheit des Personals in Prozent etc. Die Daten werden täglich erfasst. Uns fällt auf, dass die Kennzahl "Aufträge pro Stunde" stark schwankt - von Tag zu Tag oft um 30 Prozent.

Auf Nachfrage erfahren wir, dass keine Kategorisierung der Komplexität der Aufträge erfolgt und daher angenommen wird, dass die Schwankungen auf den Mix der Aufträge zurückzuführen sind. Wir fragen weiter, wie auf diese Abweichungen reagiert wird. Die Antwort: mit mehr oder weniger Überstunden - abhängig davon, wie sich das Volumen entwickelt. Mit keinem Wort werden Maßnahmen erwähnt, die auf die Produktivität wirken - zusätzliche Analyse von spezifischen Prozessabläufen, Schulungsmaßnahmen und Gespräche für einzelne Mitarbeiter oder Teams usw.

ZIELE FORMULIEREN. Der Grundsatz "You get what you measure" zeigt auch in diesem Fall: Unpräzise Messungen führen zu irrelevanten Schlüssen. Die Festlegung von wirksamen Maßnahmen kann auf dieser Basis nur ungenügend erfolgen. Eine weitere Frage unsererseits: "Wissen Sie, wie lange einzelne Aktivitäten dauern sollten?" Antwort: "Da benutzen wir Schätzungen, die aber nicht sehr verlässlich sind. Und: Nebentätigkeiten wie Meetings oder Auskünfte machen zwischen 30 und 40 Prozent der Arbeitszeit aus."

Wir führen aus, dass aus unserer Erfahrung ohne genaue Aktivitätslisten mit realistischen Planzeiten kein Kapazitätsmanagement betrieben werden kann. Denn Managen heißt, klare Ziele zu formulieren und auf Basis von Ziel-Ist-Vergleichen Maßnahmen zu formulieren, die auf die Effizienz und/oder die Kundenzufriedenheit einen positiven Einfluss haben.

Das Prinzip "Plan your work, and work your plan" wird in der Praxis viel zu wenig verfolgt. Der Hintergrund ist, dass eine große Scheu besteht, Aktivitäten und Planzeiten an der Basis zu sammeln und damit ein System zu entwickeln, das die Produktivität eindeutig abbildet. Es herrscht die Meinung, dass ein solches System und die damit verbundene Denkweise das Vertrauen zu den Mitarbeitenden untergraben und den kreativen Freiraum einschränken.

Die Folge dieser Einstellung: Große Verbesserungspotenziale von 25 Prozent und mehr bleiben liegen. Im beschriebenen Beispiel ist nach unserem Projekt die Produktivität um 30 Prozent gestiegen.


Der Beitrag ist der trend. edition+ Ausgabe vom Mai 2023 entnommen.

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