„Wir beobachten eine Abkehr von klassischen Mitarbeiterprofilen!“

AUSTRIA'S BEST MANAGED COMPANIES: Eine Aufgabe, eine Person gilt nicht mehr: Die klassischen Jobprofile sind im österreichischen Mittelstand am Rückzug – neue Unternehmenskulturen entstehen, sagt Deloitte-Expertin Anna Nowshad.

Anna Nowshad, Partnerin im Consulting bei Deloitte Österreich.

Anna Nowshad, Partnerin im Consulting bei Deloitte Österreich.

trend: Die Pandemie hat die Art der Zusammenarbeit in den Unternehmen auf den Kopf gestellt. Welche neuen Formen der Arbeit beobachten Sie beim österreichischen Mittelstand?
Anna Nowshad: Die mittelständischen Unternehmen haben in diesen herausfordernden Monaten sehr viel Flexibilität an den Tag gelegt und gezeigt, dass sie den unterschiedlichsten Herausforderungen gewachsen sind. Die neuen Entwicklungen – Stichwort Homeoffice – haben sowohl positive als auch herausfordernde Aspekte. Auf jeden Fall zeigt sich: Fixe Aufgaben nach der Devise „ein Mitarbeiter, ein Job“ sind mit den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr so einfach vereinbar. Es zahlt sich aus, über die Abteilungsgrenzen hinauszublicken und die passenden Kompetenzen für die jeweilige Aufgabe im ganzen Unternehmen zu suchen.

Ist Homeoffice ein Dauerzustand oder eine Übergangslösung?
Wir sehen zwei Entwicklungen: Es gibt Unternehmen, die so rasch wie möglich die gesamte Belegschaft wieder am Arbeitsplatz versammeln wollen – diese sind aber in der Minderheit. Denn der Großteil tendiert zu hybriden Lösungen, mit der Verbindung von Anwesenheit und Remote Working. Fakt ist: Ein vollständiges Remote Working gibt es im Mittelstand nicht. „Best Managed Companies“ schaffen es dabei sehr gut – immer mit Beachtung der regulatorischen Vorgaben – ihre Spielregeln festzulegen, welche Ausstattung die Mitarbeiter bekommen, wie die Zusammenarbeit in Teams funktioniert und wie das Thema Arbeitszeit gehandhabt wird.

Wie sollte man jetzt die Belegschaft aufstellen? Welche Jobprofile passen zu den neuen Rahmenbedingungen?
Wir beobachten eine Abkehr von klassischen Mitarbeiterprofilen. Vielmehr geht es darum: Wer ist am Markt überhaupt verfügbar? Wie baue ich eine Rolle um die Stärken und Potenziale dieser Person herum? Der Belegschaftsbegriff wird breiter gedacht. Beispielsweise spielen derzeit in produzierenden Unternehmen, die auf flexible Arbeitskräfte angewiesen sind, Überlegungen eine große Rolle, wie diese Personen an das Unternehmen gebunden werden können und welche Verantwortung der Arbeitgeber gegenüber „Mitarbeitern auf Zeit“ hat. In Österreich müssen hier auch viele rechtliche Vorgaben berücksichtigt werden. Stichwort neue Rahmenbedingungen: Gerade die hervorragend geführten Unternehmen sind in der Regel bei der praktischen Umsetzung der Digitalisierung auf einem guten Weg. Für sie geht es in der Regel dabei nicht darum, Jobs zu ersetzen, sondern um Effizienzsteigerung, Bewältigung neuer Markt­erfordernisse und bestmögliche Nutzung der vorhandenen Ressourcen und Potenziale.

Nach dem Auslaufen der Kurzarbeit gerät der Fachkräftemangel wieder in den Fokus. Welche Skills sind in den mittelständischen Unternehmen gefragt?
Kurzarbeit ist kein Instrument, das per se Flexibilität fördert. Wir sehen aber gerade jetzt viel Bewegung am Arbeitsmarkt, zumal viele „Best Managed Companies“ Kurzarbeit nur für spezielle Bereiche oder übergangsweise eingesetzt haben. Viele Mitarbeiter haben vor einem möglichen Jobwechsel auch die Entwicklung der Pandemie abgewartet. Derzeit ist im Mittelstand alles sehr stark nachgefragt, was mit IT, Technik und Big Data zu tun hat. Ein reines Rekrutieren nach Skills ist aber heute nicht mehr erfolgversprechend. Denn diese Fähigkeiten überholen sich ständig. Besser ist es, Kompetenzen und Potenziale zu suchen! Wer kann vernetzt denken? Wer kann mehr, als nur programmieren? Anstatt eine „fertige“ Person zu suchen, die bereits alles kann, gilt es vielmehr, gemeinsam zu wachsen und sich zu verändern.

Gibt es am Arbeitsmarkt heute überhaupt jene Talente, die von der Wirtschaft gebraucht werden?
Auch hier muss man aktiv sein: Viele Mittelständler kooperieren mit Bildungsstätten und holen junge Menschen früh ins Unternehmen. Dann gilt es, die interne Entwicklung zu fördern, Fähigkeiten möglichst breit einzusetzen. Es zahlt sich aus, in unterschiedlichen Zukunftsszenarien zu denken und sich die Frage zu stellen – wie sieht meine Personalstrategie in diesem und wie in jenem Szenario aus?

Stichwort Unternehmenskultur: Wodurch zeichnet sich eine sinnstiftende Kultur aus? Wie kann diese aufgebaut und auch gelebt werden?
Wir haben in der Praxis gesehen, dass gut geführte Unternehmen vor allem eines auszeichnet: Sie haben alle einen starken Unternehmenszweck. Alle Mitarbeiter wissen, wer der Eigentümer ist und welcher Geschäftszweck verfolgt wird, welche Strategie gewählt wurde und wie sie zur Erfüllung dieses Zwecks beitragen. Sehr wichtig ist außerdem die Transparenz: Auch wenn die Zahlen einmal nicht so gut sind, müssen alle wissen, dass sie an einem Strang ziehen und einen wichtigen Beitrag leisten. Dazu gehört auch, den Mitarbeitern Vertrauen und Eigenverantwortung zu übergeben und sie so die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung des Unternehmens mitgestalten zu lassen. Das ist kulturbildend und bindet die Mitarbeiter. Hierfür braucht es einen ständigen Dialog und nicht hierarchieabhängiges Denken – denn Mitarbeiter sind meist an den Kundenbedürfnissen, den operativen Produktionsabläufen oder so mancher Schwachstelle in IT-Systemen am nächsten dran.

Womit punkten hervorragend geführte Unternehmen im Bereich „Kultur & Commitment“? Wie heben sie sich ab?
Sie alle legen ein großes Augenmerk auf die Kommunikation und binden ihre Mitarbeiter in erfolgskritische Prozesse – beispielsweise rund um Innovationen – umfassend ein. Gemeinsam ist den „Best Managed Companies“ die Offenheit gegenüber Neuerungen: Sich neu zu erfinden, ist ein wichtiger Baustein des Erfolges – Ideen dazu können überall in der Organisation entstehen. Statt Ideen versickern zu lassen, schaffen es diese Unternehmen, hinzuhören und gemeinsam zu gestalten – unabhängig davon, wer diese Idee hatte und auf welcher Hierarchiestufe sich diese Person befindet. Zur Kommunikation: Hier sind Klarheit und Transparenz zwei wichtige Säulen, die „Best Managed Companies“ gemeinsam haben. Das bedeutet beispielsweise, Prozesse, die zu Entscheidungen führen, für Mitarbeiter nachvollziehbar zu machen – gerade bei so emotionalen Themen wie Gehalt oder Beförderungen.


Zur Person

Anna Nowshad ist Partnerin im Consulting bei Deloitte Österreich und leitet im Human Capital den Bereich Organisation, Transformation & Talent. Im Mittelpunkt ihrer Projekte stehen neue Formen der Arbeit im Zusammenhang mit Digitalisierung und Technologie sowie die Transformation von Organisationen, Belegschaftsstrukturen und Führung.


Austria’s „Best Managed Companies“

Are you best in class?

„Best Managed Companies“ ist ein international etabliertes Programm, das aktuell in mehr als 30 Ländern hervorragend geführte Unternehmen auszeichnet. Die teilnehmenden Unternehmen werden von einer unabhängigen Expertenjury in den vier Schwerpunktbereichen Strategie, Governance & Finanzen, Produktivität & Innovation sowie Kultur & Commitment bewertet. Unternehmen, die in all diesen Bereichen überzeugen können, werden ausgezeichnet. Der Bewerbungsprozess wird von jeweils zwei erfahrenen Beratern von Deloitte begleitet. Zentrales Element ist ein Workshop gemeinsam mit dem Top-Management, um bestmögliche Bewerbungsunterlagen zu erstellen. Dabei wird die Führungsarbeit der jeweiligen Unternehmen mit international erprobten „Leading Practices“ abgeglichen. Interessierte Unternehmen können sich bereits jetzt für das Programm 2022 vormerken lassen.

Nähere Informationen: www.deloitte.at/bestmanaged

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