"Sport soll nicht Krampf sondern Vergnügen sein - wie Shopping"

Intersport-Chef Matthias Boenke: Warum ihn der Expansionshype der Sportdiskonter kaltlässt, was textile 3D-Drucker bald können und warum selbst Leistungssportler neuerdings gerne mit E-Bike trainieren.

Matthias Boenke, CEO Intersport Austria

Matthias Boenke, CEO Intersport Austria

trend: Auch wenn sich so mancher Sportartikelhändler eine blutige Nase geholt hat -Österreich scheint zum Aufmarschgebiet europäischer Anbieter zu werden, siehe etwa XXL Sports oder Decathlon. Das könnte ungemütlich werden: Alle wollen die Nummer eins angreifen.
Matthias Boenke: Wir sehen das sehr gelassen. Denn wir haben uns bewusst gegen die Diskontwelt positioniert, die jetzt einmal den einen oder anderen Versuchsballon loslässt. Wir wollen schlicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis haben, also "Best in Town" sein. Somit kann uns auch der Markteintritt neuer Mitbewerber nicht wirklich erschüttern.

trend: Aber das Haushaltsbudget der Kunden ist nun mal beschränkt. Das, was beim Diskonter weggeht, fehlt an anderer Stelle.
Boenke: Die Österreicher sind bereit, für hochwertige Sportausrüstung Geld auszugeben, das lesen wir aus unserer aktuellen Sportstudie. Die Österreicher sind aber auch anspruchsvoll bei der Beratung, und wir konzentrieren uns darauf, beiden Voraussetzungen zu entsprechen. Freilich -das Preisargument darf auch bei uns nicht aus dem Auge gelassen werden. Nicht umsonst haben wir jetzt unseren Eröffnungsreigen von 15 neuen Standorten auch mit Rabattaktionen für Tausende Artikel begleitet.

trend: Also doch ein beginnender Preiskampf?
Boenke: Nein, das wäre zu kurz gedacht für uns. Wir haben die mehr als 60 Prozent der sportbegeisterten Österreicher im Auge und wollen denen Spaß und Emotionen vermitteln, keine Billigatmosphäre. Sport soll nicht Krampf sein, sondern Vergnügen, genauso wie Shopping. Das Umsatzwachstum gibt uns Recht. 2016/17 haben wir erstmals über 600 Millionen Euro erreicht, über 500 Millionen davon in Österreich.


Wir waren bei der Expansion sehr vorsichtig. Die Gier sollte nicht das Hirn fressen.

trend: Das liegt schon auch daran, dass Intersport viele frei werdende Geschäftsflächen der ausgeschiedenen oder sich zurückziehender Mitbewerber übernommen hat.
Boenke: Nein, nur zum Teil. Auch auf bestehender Fläche haben wir Umsatzzuwächse erreicht. Unsere Strategie kommt einfach an. Wir waren mit der Expansion sehr vorsichtig, haben den Hype nicht mitgemacht, der bei manchen Kollegen in der Branche nach dem Aus von Mitbewerber Eybl entstanden ist. Die Gier sollte nicht das Hirn fressen.

trend: Was waren Ihrer Meinung nach denn die Hauptumsatztreiber bei Intersport?
Boenke: Da gibt es mehrere. Wichtig war und ist, ein Einkaufserlebnis im Shop zu ermöglichen. Das kann auch mal mit Virtual-Reality-Brillen sein, die ein Sporterlebnis ins Geschäft zaubern. Wir haben aber auch in der realen Welt die schönsten Sportgeschäfte und legen die Waren nicht nur in die Auslage. Wir kreieren "Places for Sports", von Kletterwänden bis zu Kältekammern zum Testen von Funktionskleidung. Wir müssen auch das Umfeld für Markenhersteller schaffen, die ihre Ware nicht in jedes x-beliebige Winkerl gelegt haben wollen.

trend: Sie setzen offenbar stark auf große Herstellernamen. Bei Mitbewerbern zählen die spannenstarken Eigenmarken allerdings mehr.
Boenke: Da unterscheiden wir uns vom Diskont. Uns reicht ein stabiler Eigenmarkenanteil von etwa 25 Prozent. Noch wichtiger als ein tolles Preis-Leistungs-Verhältnis ist dabei die Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern. Unser Angebot muss anders sein, da brauchen wir eine gewisse Exklusivität. Die können wir gut über unsere Eigenmarken wie McKinley, Genesis oder Pro-Touch oder eben auch über strategische Partnerschaften für innovative Markenhersteller absichern.


Unsere Händler sind selber meist begeisterte Sportler. Das verleiht uns hohe Glaubwürdigkeit bei den Kunden.

trend: Doch all diese Maßnahmen versuchen andere Mitbewerber auch.
Boenke: Aber keinem gelingen sie so gut wie uns. Einer unseren großen Vorteile ist unsere Authentizität. Intersport ist zwar eine globale Marke mit über zwölf Milliarden Euro Umsatz. Aber wir haben durch unsere Mitglieder starke lokale Anker. Das sind alles eigenständige Händlerpersönlichkeiten - und die sind selber meist begeisterte Sportler. Das verleiht uns hohe Glaubwürdigkeit bei den Kunden. Was wir auch mit unserem Slogan "Wir sporteln. Wie du" ausdrücken.

trend: Sie haben dabei vor allem auch eine viel stärkere Einkaufsmacht bei internationalen Sportartikelherstellern und können bessere Konditionen herausholen.
Boenke: Natürlich, aber nicht nur das: Für unsere Mitglieder erledigen wir Warenwirtschaft und Marketing, organisieren ein Kundenkartensystem, checken Lagerinfrastruktur und Businesspläne. In Summe können sie sich auf das konzentrieren, was wichtig ist: die Kunden.

trend: Wie sehen nun die großen Trends im Sportmarkt aus, denen Intersport-Kunden folgen?
Boenke: Es gibt einen großen Trend zu Individualisierung, dem wir mit unserem Geschäftsmodell natürlich voll entsprechen wollen. Es geht etwa um das Fitting der Skischuhe und zunehmend auch der Wanderschuhe. Der Trend wird weitergehen, und wir werden noch erleben, wie Textilien oder Schuhe aus dem 3D-Drucker direkt gemäß den Körpermaßen der Kunden vor Ort ausgedruckt werden. Noch dauert der Vorgang zu lange, und die Technologie dahinter ist zu teuer, aber in ein paar Jahren könnte das die Wirklichkeit sein.


Das E-Bike-Segment weist Wachstumsraten von 30 Prozent auf.

trend: Das scheint aber noch Zukunftsmusik, wenn ich beispielsweise an die bescheiden erfolgreichen Versuche im Schuhhandel denke, mit Fuß-Avataren die Passgenauigkeit zu erhöhen.
Boenke: Ja, aber manchmal ändern sich solche Dinge sehr rasch. Wer hätte gedacht, dass etwa die E-Bikes so ein großer Trend werden? Da positionieren wir uns als echter Mobilitätsanbieter, denn die Produkte sind mehr als ein Sportgerät. Das zeigt sich beispielsweise im urbanen Bereich, wo kurze Autofahrten durch das E-Bike ersetzt werden. Das Segment weist Wachstumsraten von 30 Prozent auf. In Summe macht es schon 15 Prozent des Umsatzes aus, der drittgrößte Bereich bei uns überhaupt. Wir hatten im schneearmen Dezember vor einem Jahr in Kitzbühel mehr Bikes als Ski verkauft.

trend: Also sind E-Bikes nicht mehr nur ein Pensionisten-Thema?
Boenke: Das ist definitiv vorbei. Mittlerweile erkennen auch Leistungssportler, dass man mit einem motorgestützten Bike effizienter trainieren kann, schließlich ist die Pulskontrolle viel leichter, man kann über längere Zeit im physiologisch optimalen Bereich aktiv bleiben.

trend: Der zweite große Trend betrifft wohl das Thema Sharing-Economy, also ausleihen statt kaufen.
Boenke: Ja, ausleihen statt kaufen ist ein echter Megatrend. Und er betrifft nicht nur Ski, sondern immer mehr auch Bikes und E-Bikes. Im Tourismus werden etwa die Leihbikes ein echter Zukunftstrend. Denn das Angebot, mit einem E-Bike durch die Berge zu radeln, wird immer öfter angenommen.

trend: Beim dritten großen Thema E-Commerce ist Intersport allerdings nicht ganz vorne mit dabei. Woran liegt die Zurückhaltung?
Boenke: Zugegeben, wir waren sehr mit unserer Reorganisation beschäftigt und haben unserem Auftritt in der digitalen Welt zu wenig Beachtung geschenkt. Aber mittlerweile machen wir auch im Web sehr gute Fortschritte. Beim Skiverleih sind wir mit unserer Verleihplattform www.intersportrent.at unangefochtener Marktführer. Der Konsument nimmt das Angebot von Jahr zu Jahr besser an. Von allen Verleihvorgängen bei Intersport Rent werden inzwischen 25 Prozent online getätigt. Auch unser Webservice Check &Reserve kommt außerordentlich gut an: Unsere Kunden wählen online bestimmte Waren aus und reservieren sie für eine Vor-Ort-Begutachtung im nächsten Shop. In solchen Kombinationen wird die Zukunft des Sportartikelhandels liegen.


Zur Person

MATTHIAS BOENKE, CEO Intersport Austria. Der 51-jährige Deutsche war lange bei Müller Milch tätig. Später bekam er die Repositionierung der englischen Sportschuhmarke New Balance aufgetragen. Zuletzt war er Chef des Vorarlberger Wäscheherstellers Huber Trikot in Götzis. Der Vater zweier Kinder lebt in Vorarlberg und pendelt nach Oberösterreich in die Intersportzentrale oder mit Vorliebe zu Besprechungen mit Sportartikelherstellern auf der ganzen Welt.


Der Artikel ist der trend-Ausgabe 50-52/2017 vom 15. Dezember 2017 entnommen.

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