Physik-Nobelpreis geht an Quantenphysiker Anton Zeilinger
Der 77jährige Anton Zeilinger bekommt gemeinsam mit zwei weiteren Physikern den Nobelpreis. Die Auszeichnung ist heuer mit umgerechnet knapp 920.000 Euro dotiert.
Stockholm. Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger (77). Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekannt. Zeilinger wird gemeinsam mit dem französischen Physiker Alain Aspect und dem US-Physiker John F. Clauser u.a. für Experimente mit verschränkten Photonen geehrt.
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— The Nobel Prize (@NobelPrize) October 4, 2022
The Royal Swedish Academy of Sciences has decided to award the 2022 #NobelPrize in Physics to Alain Aspect, John F. Clauser and Anton Zeilinger. pic.twitter.com/RI4CJv6JhZ
Die Auszeichnung ist heuer so wie im Vorjahr mit zehn Millionen Schwedischen Kronen (knapp 920.000 Euro) dotiert. Am 10. Dezember 2022 wird der Nobelpreis in Stockholm offiziell im Rahmen einer Feier verliehen.
Der Beamer
Anton Zeilinger zählt zu den renommiertesten österreichischen Wissenschaftern und leistete bahnbrechende Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik. Er war von 1999 bis 2013 Professor für Experimentalphysik an der Universität Wien, von 2004 bis 2013 Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) und von 2013 bis 2022 Präsident der Akademie der Wissenschaften (=> Das komplette Porträt von Anton Zeilinger lesen Sie am Ende des Textes).
Zeilinger gilt seit gut zwei Jahrzehnten als Kandidat für den Nobelpreis für Physik. Große Beachtung fanden seine wissenschaftlichen Experimenten und Schriften zur Teleportation, was im allgemeinen Sprachgebrauch mit "Beamen" bezeichnet wird. Die erste Teleportation eines Teilchens hat Zeilinger mit einem Schlag auch in der breiten Öffentlichkeit berühmt gemacht. Hilfreich waren dabei die Vergleiche mit "Beamen" aus der TV-Serie "Star Trek".
Ein weiterer Höhepunkt in Zeilingers Wissenschaftskarriere war das Experiment zur Teleportation, das er im Jahr 2017 zusammen mit Wissenschaftlern im 7600 Kilometer entfernten China durchgeführt hatte. Dieses Experiment hatte für großes Aufsehen in der Wissenschaft gesorgt und ihn nachdrücklich für den Nobelpreis empfohlen.
Die Pionierarbeiten
Der Nobelpreis ergeht an die Preisträger unter anderem für Pionierarbeiten in der Quanteninformation. Übergeben wird der Preis alljährlich am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters Alfred Nobel, in Stockholm.

Anton Zeilinger, anl. eines Live-Experiment: "Erstes interkontinentales Quanten-Videotelefonat" mit Chunli Bai (Präs. Chinesische Akademie der Wissenschaften) am Freitag, 29. September 2017, in Wien.
Einige der mit dem Nobelpreis geadelten Experimente von Anton Zeilinger sind von so hohem Schauwert, dass sie in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Ausstellungen waren - etwa bei der wichtigsten Kunstschau der Welt, der documenta in Kassel im Jahr 2012. Zeilinger wählte dafür fünf Prinzipien der Quantentheorie, die "von immenser mathematischer Schönheit" sind, wie der Wiener Physiker damals schrieb.
Die 5 Experimente von Anton Zeilinger
- "Licht in einem Glas-Faser-Interferometer: Das Wellenbild und Kontinuum"
Ein Lichtstrahl wird mit Hilfe eines Strahlteilers auf zwei verschiedene Glasfasern verteilt. Die beiden Strahlen werden schließlich in einem Koppler wieder überlagert - und zwei Ergebnisse dieser Wellenüberlagerung sichtbar gemacht: einer der beiden Strahlen zeigt die Summe der beiden Teilwellen, der andere die Differenz. "Das ist die Demonstration des Wellenbildes und von Interferenz", sagt Zeilinger, "die Leute sollen sehen, dass die Summe der beiden konstant ist." - "Licht an einem Strahlteiler: Das Teilchenbild und Quantenzufall"
Licht wird an einem Strahlteiler wieder in zwei Wege geteilt. Am Ende der beiden Wege steht jeweils ein Detektor. Diese Signalisieren das Ankommen eines Lichtteilchens (Photons), bei einem leuchtet "0" auf, beim anderen "1".
Welchen Weg ein Photon nimmt, ist völlig zufällig, jeder der beiden Detektoren hat eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, ein Photon zu registrieren. Zeilinger erinnert daran, dass Albert Einstein diese völlige Zufälligkeit nicht mochte, was er in dem berühmten Satz "Gott würfelt nicht" zum Ausdruck brachte. - "Das Doppelspalt-Experiment: Wahrscheinlichkeitswelle und Teilchendetektion" Licht wird durch zwei enge Spalten geschickt. Auf der anderen Seite dieses Doppelspalts steht eine Kamera, die einzelne Photonen registrieren kann. Jedes ankommende Photon wird auf einem Bildschirm als Punkt dargestellt.
Mit der Zeit entsteht ein Muster aus hellen (viele Lichtteilchen) und dunklen (wenige Lichtteilchen) Streifen - ein sogenanntes Interferenzmuster. Welchen Weg das Photon genommen hat, weiß man nicht, "das Licht geht als Wahrscheinlichkeitswelle durch den Doppelspalt, ein Photon passiert in einer Superposition sowohl den linken als auch den rechten Spalt", so Zeilinger.
Das Interferenzmuster entsteht nur, wenn man den Weg nicht kennt. Schließt ein Besucher eine der beiden Spalten, kennt man den Weg des Lichts und es entsteht kein Streifenmuster mehr. - "Licht strahlt durch einen Polarisator: Die Messung verändert den Zustand" Licht, das üblicherweise ja in alle möglichen Richtungen schwingt, wird durch mehrere Polarisationsfilter geschickt. Zuerst wird es vertikal polarisiert: nur Lichtwellen, die in vertikaler Richtung schwingen, können passieren.
Der zweite Polarisator lässt nur horizontal schwingendes Licht durch - deshalb kommt in Kombination der beiden Filter kein Licht mehr durch. Stellt man schließlich einen dritten, auf 45 Grad orientierten Polarisator zwischen die beiden, kommt nun doch Licht durch.
"Damit wollen wir demonstrieren, dass das Licht keine Erinnerung über seine frühere Geschichte hat", so Zeilinger, "solche Systeme haben nur eine sehr beschränkte Informationsspeicherkapazität, für mich das Wesentliche der Quantenphysik." - "Verschränkte Photonen: Einstein's spukhafte Fernwirkung bei der Arbeit. Die Quelle"
In diesem Experiment wird jenes Phänomen demonstriert, das Erwin Schrödinger als das wesentlichste Charakteristikum der Quantenphysik bezeichnet hat: die Verschränkung.
Dabei wird Licht in einem speziellen Kristall in zwei Lichtstrahlen zerlegt, die einzelnen Photonen sind darauf hin verschränkt. Das bedeutet, dass sie über beliebige Distanzen miteinander verbunden bleiben. Demonstriert wird das wieder mit Hilfe der Polarisation. Einer der beiden Lichtstrahlen geht zur Station "Alice", der andere zur Station "Bob".
Misst man an einer der beiden Stationen die Polarisation des Photons, ist dieses völlig zufällig entweder vertikal oder horizontal. Sobald man das aber weiß, ist augenblicklich auch der Zustand des anderen Photons bekannt - ein Umstand, den Albert Einstein "spukhafte Fernwirkung" nannte. Für Zeilinger zeigt das Experiment, dass ein lokal realistisches Weltbild in der Quantenwelt nicht möglich ist.
Die Physik-Nobelpreise 2021
Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung zur Hälfte an zwei Meteorologen, den Deutschen Klaus Hasselmann und den aus Japan stammenden US-Forscher Syukuro Manabe (USA), zur anderen Hälfte an den Italienischen Physiker Giorgio Parisi.
Die Wissenschafter wurden für ihre "bahnbrechenden Beiträge zum Verständnis komplexer physikalischer Systeme" ausgezeichnet.
Hasselmann und Manabe erhielten den Preis "für das physikalische Modellieren des Klimas der Erde, die quantitative Analyse von Variationen und die zuverlässige Vorhersage der Erderwärmung", Parisi für "die Entdeckung, wie das Zusammenspiel von Unordnung und Fluktuationen physikalische Systeme von der atomaren bis hin zur planetarischen Ebene bestimmt".
Anton Zeilinger - Das Porträt
Anton Zeilinger wurde am 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis (OÖ) geboren. Er studierte Physik und Mathematik an der Universität Wien, seine Doktorarbeit machte er am Atominstitut bei Helmut Rauch, dem "Urvater der Quantenoptik in Österreich", wo er nach der Promotion (1971) als Assistent arbeitete. In diese Zeit fielen auch erste Forschungsaufenthalte im Ausland, u.a. am Massachusetts Institute of Technology (MIT) bei dem späteren Nobelpreisträger Clifford G. Shull (1994).
Weitere Auslandsaufenthalte folgten, ehe er 1990 in seine Heimat zurückkehrte, als Ordinarius der Universität Innsbruck. 1998 wechselte er an die Uni Wien und leitete dort das Institut für Experimentalphysik. 2003 gründete er außerdem gemeinsam mit Physiker-Gruppen der Universität Innsbruck um Rainer Blatt, Peter Zoller, Rudolf Grimm und Hans Briegel das Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
2010 wurde Zeilinger gemeinsam mit John Clauser und Alain Aspect - und damit die drei diesjährigen Physik-Nobelpreisträger - mit dem Wolf-Preis ausgezeichnet, und zwar für ihre Arbeiten zur quantenphysikalischen Verschränkung, die heute "fundamentale Grundsteine für viele moderne Quanteninformationstechnologien sind, die weltweit intensiv erforscht werden", wie es damals hieß. 2013 bis Juni 2022 stand er der ÖAW zwei Perioden lang als Präsident vor.
Fachlich gilt Zeilinger vor allem als begnadeter Experimentator, dem es in ausgefeilten Versuchen gelingt, neue Zusammenhänge aufzudecken und gängige Theorien zu bestätigen oder zu widerlegen, wobei er sich auch immer wieder an Grundfragen der Quantenphysik vorwagt. Er arbeitet damit in einem der spannendsten und am schnellsten wachsenden Bereiche der Physik. Diese Auseinandersetzung führte zu einer Reihe von Spin-Offs, die international Aufsehen erregten. So entstand etwa Anton Zeilingers wohl bekanntestes Experiment auf dem Weg zur Realisierung der "GHZ-Zustände": die Teleportation.
Anton Zeilinger - Die wichtigsten Lebensstationen:
- 20. Mai 1945 in Ried im Innkreis geboren
- 1955 Umzug nach Wien
- 1971 Promotion an der Universität Wien
- 1986 Erstmalige Beschreibung des "GHZ-Zustands" (Verschränkung von drei Teilchen)
- 1990 Universitätsprofessor an der Universität Innsbruck und Vorstand des Institutes für Experimentalphysik
- 1997 Erstes geglücktes Experiment der Teleportation von Lichtteilchen
- 1998 Universitätsprofessor an der Universität Wien und Vorstand des Institutes für Experimentalphysik
- 1999 Erstes geglücktes Experiment zur abhörsicheren Übermittlung von Schlüsseln
- 2001 Aufnahme in den Orden "Pour le Merite"
- 2001 Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
- 2003 Gründung des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW
- 2007 Verleihung der neu geschaffenen Isaac-Newton-Medaille des britischen Institute of Physics
- 2010 Verleihung Wolf-Preis
- 2013-2022 Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
- 2014 Aufnahme in die National Academy of Sciences (NAS) der USA
- 2017 Erstes quantenverschlüsseltes Videotelefonat
- 2017 Verleihung John-Stewart-Bell-Preis
- 2019 Verleihung Micius-Preis
- 2022 Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Physik