"Wir werden andere Planeten besiedeln"

Bülent Altan, Gründer von Global Space Ventures, Raumfahrtexperte und ehemaliger Entwicklungsingenieur von Elon Musks SpaceX, über die Kolonisation des Weltalls, die Massenproduktion von Satelliten und Space-Start-ups.

"Wir werden andere Planeten besiedeln"

Bülent Altan, Gründer des Investmentunternehmens Global Space Ventures, vormals lange Jahre im Einsatz bei Elon Musk im SpaceX-Raumfahrtprojekt.

trend: Wie arbeitet es sich mit Elon Musk?
Bülent Altan: Ganz toll, ich kenne niemanden wie ihn. Bei all seinen Projekten - SpaceX, Tesla, The Boring Company - gibt er 100 Prozent. Er verfügt über profundes technisches Wissen, liest unglaublich viel und versammelt intelligente Leute um sich, die häufig die Besten auf ihrem Gebiet sind. Er gibt sich nie mit dem Status quo zufrieden. Bemerkt Musk, dass du bei einer Antwort auf seine Frage Vermutungen einfließen lässt oder zu wenig recherchiert hast, stellt er schlicht alles in Zweifel. Das geht so weit, dass du wissenschaftlich nachweisen musst, wenn etwas nicht machbar ist. Ihn zufriedenzustellen, ist definitiv eine Herausforderung, gleichzeitig ist Musk mit diesem Zugang das wohl größte Asset für seine Unternehmen.

Warum haben Sie SpaceX verlassen?
Altan: Ich begann 2004, blieb bis 2014 und kehrte 2016 für eineinhalb Jahre zurück. Als ich anfing, waren wir gerade einmal 40 Mitarbeiter, das Ganze war eine große Herausforderung. Es gab damals keine New-Space-Unternehmen, der Begriff existierte noch nicht einmal, und SpaceX war ein Ort, wo zu 100 Prozent praxisnahes Arbeiten möglich war. Ich war dabei, als ein kleines Unternehmen zum großen Disruptor, zum Einhorn wurde. Es war ein unglaubliches Erlebnis, und ich habe jeden Tag genossen. Aber nach zehn Jahren wollte ich den Rest der Welt sehen und schauen, ob ich auch etwas anderes gut kann. Ein wenig ist es auch die Suche nach dem Gefühl, das ich in den ersten Tagen von SpaceX hatte.

Was ist Ihre Mission bei Global Space Ventures?
Altan: Meine Mission hängt jetzt mehr mit der Industrie im breiteren Sinn zusammen und meiner Leidenschaft, Projekten zum Erfolg zu verhelfen. Wir wollen als Venture-Capital-Unternehmen die aussichtsreichsten Start-ups im Bereich Raumfahrt unterstützen. Die Industrie steckt noch in ihren Kinderschuhen, und Investment in diesem Bereich funktioniert ein wenig anders. Fünf Consulter können nicht einfach eine Due-Diligence-Prüfung machen, es bedarf dazu ganz bestimmter Expertise. Gleichzeitig gibt es eine Menge neuer Start-ups und große Nachfrage nach smart und sachkundig eingesetztem Geld.


Eine transatlantisch aufgestellte Industrie kann zum größten Gewinner werden.

Ihr Team ist transatlantisch aufgestellt. Wird es ein Büro in Europa geben, vielleicht sogar in Österreich?
Altan: Es wird auf jeden Fall ein europäisches Büro geben. Unser Hauptquartier ist in Los Angeles, unser Europa-Stützpunkt wird mit 90-prozentiger Sicherheit München. ESA und NASA blicken auf eine lange Geschichte der Zusammenarbeit zurück, und wir wollen diese wiederbeleben. Richtig aufgezogen kann eine transatlantisch aufgestellte Industrie zum größten Gewinner werden.

Von welchen Raumfahrtthemen sind Venture-Unternehmen derzeit begeistert?
Altan: Wir konzentrieren uns auf Start-ups, bei denen sich Investments innerhalb von zehn Jahren rechnen können. Das heißt, es gibt Themen, die uns zwar am Herzen liegen, etwa bemannter Raumflug oder Asteroidenbergbau, in die wir aber nicht investieren, weil sie zu langfristig angelegt und riskant sind. Unser Augenmerk liegt auf Satellitenmassenproduktion und dem dadurch zu erwartenden Kostenrückgang. Das betrifft im Bereich Kommunikation die Themen Breitband, Internet der Dinge sowie mobile Kommunikation mit niedrigeren Bandbreiten. Hinzu kommt die Vielzahl an Überwachungssatelliten mit Technologien zur visuellen Beobachtung wie Synthetic Aperture Radar oder Radio-Okkultation, die unter anderem zur Wettervorhersage verwendet wird. All diese Satelliten benötigen zudem eine Lieferkette und bodenbasierte Dienste wie Antriebstechnologien, Radar und Solarmodule. Darüber hinaus sind wir an Start-ups interessiert, die Satellitendaten zu Produkten verarbeiten. Schließlich ist da noch das Thema Raketenstarts. Wir glauben zwar, dass der Markt für große Player mit SpaceX und möglicherweise Blue Origin und Rocket Lab bereits ziemlich gesättigt ist. Platz für ein oder zwei kleine Unternehmen sollte es aber noch geben.

Laut einem Report von Morgan Stanley könnte Massenproduktion den Preis großer Satelliten auf 500.000 Dollar drücken. Wie schnell könnte das eintreten?
Altan: Das geschieht bereits: Satelliten in der Gewichtsklasse von 150 bis 500 Kilogramm, die zwischen einer halben und einer Million Dollar kosten. Wir sprechen hier über eine halbe Million Dollar, als ob es wenig Geld wäre, weil wir es mit den Kosten von vor ein paar Jahren vergleichen. Das ist immer noch der Preis von zehn Autos. Ich verstehe nicht, warum ein Satellit so viel kosten muss. Mit Massenproduktion und einer guten Versorgungskette könnte es billiger gehen.


Daten sind die nächste Revolution.

SpaceX schickte Ende März seine Falcon-9-Rakete in der Version Block 5 erfolgreich ins All. Können Sie die Erneuerungen kurz erläutern?
Altan: Da ich nicht daran gearbeitet habe, kenne ich die Details nicht. Fest steht, dass das Update des Antriebs ein enormer Schritt ist. Die erste Stufe von Falcon 9 ist damit zweimal so leistungsstark wie die erste Version der Rakete und nahezu dreimal so stark wie Falcon 1. Hinzu kommt der wiederverwendbare Hitzeschild.

Welche wirtschaftlichen Einsparungen gelangen damit in Reichweite? Sind zwei Starts innerhalb von 24 Stunden denkbar?
Altan: Ich glaube, das ist möglich. Man muss sich vor Augen führen, dass bisher bei allen Raketen die erste Stufe verloren war. Und in dieser steckt rund die Hälfte der Kosten. Spart man nun diese Hälfte ein, sieht die Rechnung natürlich toll aus. SpaceX ist damit ein Wegbereiter für die gesamte Raumfahrtindustrie. Geplant ist, dass Falcon 9 zehn Flüge lang kein Auswechseln von Teilen benötigt, sondern nur neuen Treibstoff.


Rund die Hälfte der Weltbevölkerung hat noch keinen Zugang zu Breitband.

Analysten von Bank of America Merrill Lynch gehen davon aus, dass die Raumfahrtindustrie innerhalb der nächsten 30 Jahre ein Volumen von 2,7 Billionen Dollar erreicht. Halten Sie das für realistisch?
Altan: Ich glaube, ja. Die Zahlen hängen mit Beobachtungen in der Telekommunikationsbranche zusammen. Daten sind die nächste Revolution, sie fließen in alle Entscheidungs- und Businessprozesse ein. Der einfachste Weg, um globale Daten zu produzieren und weltweit zu verteilen, ist der Weltraum. Dieser ist freilich nicht die einzige Datenquelle, aber, wie ich glaube, eine sehr wichtige. Hinzu kommt, dass rund die Hälfte der Weltbevölkerung keinen Zugang zu Breitband hat. Satelliten sind der perfekte Weg, um dünner besiedelte Gebiete effizient anzubinden. Wenn ländliche Regionen plötzlich eine tolle Internetanbindung haben, könnte dies auch helfen, der fortschreitenden Urbanisierung entgegenzuwirken.

Elon Musk will nach einem ersten Testflug zum Mars seinen Lebensabend am Roten Planeten verbringen. Liegt das im Rahmen des Möglichen?
Altan: Ich glaube, die Kolonisierung anderer Planeten wird geschehen. Der Mars ist ein besonderer Fall, weil er der erste relativ bewohnbare Planet in unserer Nähe ist. Er ist nicht perfekt: die Gravitation liegt bei 0,5 G, und es ist weiterhin ein großes Fragezeichen, ob sich Menschen dort fortpflanzen können. Es bedarf einiger Vorbereitungen, um den Mars zu einer brauchbaren Option zu machen. Er ist der erste Planet, auf dem wir Kolonisierung ausprobieren können. Wir werden herausfinden, wo die Grenzen des bemannten Raumfluges liegen, um später schließlich andere Planeten zu kolonisieren.


Zur Person

Bülent Altan ist Gründer des Investmentunternehmens Global Space Ventures. Altan wuchs in Istanbul auf, wo er eine österreichische Highschool besuchte. Ab 2004 arbeitete er insgesamt elf Jahre lang bei SpaceX an der Bordelektronik der Falcon-Trägerraketen, des Raumschiffs Dragon und für das Satellitenprogramm.

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