"Technologie kann die Welt nachhaltiger machen"

Kann Technologie die Welt retten? Wenn schon nicht retten, dann zumindest ein gutes Stück besser machen, meint Robert Rosellen, Leiter des Geschäftsbereichs Enterprise bei Microsoft Österreich. Beispielhaft sind die Initiativen Microsofts, den Planeten aufzuräumen.

Thema: Digitalisierung: Vorwärts in die Zukunft
Robert Rosellen, Enterprise Commercial Lead Microsoft Österreich

Robert Rosellen, Enterprise Commercial Lead Microsoft Österreich

Mitte Jänner dieses Jahres trat Microsoft CEO Satya Nadella mit einer ehrgeizigen und aufsehenerregenden Erklärung an die Öffentlichkeit: In nur zehn Jahren, bis 2030, soll Microsoft zu einem CO2-negativen Unternehmen werden und durch verschiedene Maßnahmen bis zum Jahr 2050 so viel CO2 aus der Atmosphäre zurückgeholt haben wie der Konzern seit seiner Gründung im Jahr 1975 verursacht hat. Anfang August legte Microsoft noch ein Schäuflein nach: Bis 2030 soll das Unternehmen zusätzlich Abfallneutrales Unternehmen sein und durch Vermeidung und Wiederverwertung von Abfall eine Zero-Waste-Company werden.

Im Gespräch mit dem trend erklärt Robert Rosellen, Leiter des Geschäftsbereichs Enterprise bei Microsoft Österreich, wie der Technologie-Konzern seine Ziele erreichen will und Technologie helfen kann, die Erde sauberer und lebenswerter zu machen.


trend: Die Erklärung von Microsoft CEO Satya Nadella, Microsoft in den nächsten zehn Jahren zu einem CO2-negativen Unternehmen zu machen klingt ziemlich gut. Aber als wie realistisch kann diese Ankündigung gewertet werden?
Robert Rosellen: Es steckt sicher viel Ambition darin. Aber wichtig ist, dass wir als Unternehmen Verantwortung für unsere CO2-Bilanz übernehmen und klar sagen, dass neutral nicht genug ist. Wir sind ja bereits klimaneutral. Der elementare Schritt ist, dass wir ab 2030 mehr CO2 entfernen als wir produzieren. Wenn man bedenkt, dass wir als Technologieunternehmen gleichzeitig immer mehr Rechenkapazitäten benötigen, dann ist das schon eine beachtliche Ambition. Nach dem Announcement im Jänner ist man mittlerweile aber einen Schritt weiter und bewertet viele Ideen. Das geht natürlich nicht mit einem Klick. Als Unternehmen stehen wir aber absolut hinter dem Committment. Wir nehmen unsere Initiativen ernst und setzen Initiativen in vier Bereichen - Müll, CO2, Wasser und Artenvielfalt - und gehen fordern unsere Ziele auch von unseren Lieferanten ein.

Microsoft will bis 2050 auch historisch gesehen CO2-negativ sein.
Ja, und CO2-negativ zu sein, das Rad der Zeit zurückzudrehen und der Erde etwas zurückzugeben wird nur funktionieren, wenn wir in Technologien investieren. Nicht nur in Softwaretechnologien, sondern auch in Unternehmen und Partnerschaften, die uns helfen, etwas zurückzuholen.

Zum Zeitpunkt der Ankündigung gemacht war Corona noch eine lokale Epidemie in China. Dann kam die Pandemie und mittlerweile geht die Sorge vor einer zweiten Welle um. Viele Unternehmen haben technologisch gesehen seither große Sprünge gemacht.
Corona hat unsere Aktivitäten nochmals bestärkt und beschleunigt. Wir haben gesehen, welche Auswirkungen ein Virus haben kann. Nie zuvor war die Gesellschaft bereit, solche Einschnitte hinzunehmen. Mittlerweile haben wir auch wieder einen anderen Dialog mit der Wissenschaft. Wenn nun alles hinterfragt und auf den Kopf gestellt wird, dann bitte richtig. Mit der Überlegung, wie wir nicht nur Businessprozesse und Lieferketten, sondern auch unsere Umwelt nachhaltig gestalten können.


Es ist wichtig zu sehen, was Technologie ermöglicht.

Weltweit steigt aber auch wegen des vermehrten Einsatzes von IT-Lösungen im Zuge der Digitalisierung der Energieverbrauch. Berechnungen des Think Tanks „The Shift Project“ zufolge steigt der der Carbon-Footprint der Technologie jährlich um neun Prozent, wenn man die für die Herstellung, den Betrieb und die Nutzung von Servern, Netzwerken oder Terminals benötigte Energie in die Kalkulation mit einbezieht.
Ich glaube, es ist viel wichtiger zu sehen, was Technologie alles ermöglicht. Dass wir massiv Kosten senken und CO2-Emissionen reduzieren, indem wir zum Beispiel lernen, nicht mehr so viel zu reisen und stattdessen Videokonferenzen abhalten. Das ist eine ganz triviale Berechnung.

Es gibt also kein schwarz-weiß.
Eindeutig nicht. Mit unserem Programm konzentrieren wir uns außerdem nicht nur auf den Klimawandel, sondern wir wollen die Welt grundsätzlich nachhaltiger machen. Mit der Initiative des Planetary Computers können wir heute zum Beispiel einer kleinen Organisation wie SilviaTerra – zwölf Förstern in Nordamerika – die Möglichkeit geben, jeden Baum in ihrem Wald zu inventarisieren und zu identifizieren. Die Daten und Satellitenbilder aus dem Planetary Computer können mit anderen Daten wie Wasser- und Niederschlagsmenge, Wind oder anderen Umweltdaten kombiniert werden. Dadurch haben die Landbesitzer die Möglichkeit, den Wald, der wie wir wissen maßgebliche Auswirkungen auf das Klima hat, viel nachhaltiger zu bewirtschaften.

Um die CO2-Emissionen von Reisen einzusparen könnte man aber statt einer Videokonferenz über Computer auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Fahrrad fahren.
Wichtig ist, dass man immer weiß, welche Folgen das eigene Handeln hat. Wir stellen daher auch zu allen Technologien wie unseren Cloud-Programmen Transparenz-Module zur Verfügung, die den Kunden zeigen, welche konkreten Auswirkungen die Nutzung hat. Das ist ein extrem wichtiges Mittel. Mit Hilfe des Transparenz-Calculators hat der Endkunde die Möglichkeit, den Energie-Einsatz und die CO2-Emissionen aus seiner individuellen Nutzung zu bewerten.


Technologie kann helfen, Dinge transparent zu machen.

Das kommt einer CO2-Auszeichung gleich. Was mich zu der Frage bringt: Sollte es eine CO2-Auszeichung für, Server, PCs, Laptops, Smartphones und digitale Services geben? Eine Kennzeichnung ähnlich der Verbrauchsangaben für Autos oder der Energie-Effizienz von Elektrogeräten?
Ich halte bei all diesen Dingen Transparenz für wichtig. Ohne Daten und Transparenz kann man keine Bewusstseinsänderung herbeiführen. Deshalb sollte man das durchaus konstruktiv überlegen. Ich halte es auch für richtig, dass es bei unseren Lösungen transparente CO2-Kennzeichnungen gibt. Es darf nicht zu kompliziert sein, aber wenn man keine Daten und keine Informationen hat, dann kann man auch keine Verhaltensänderung herbeiführen. Das ist elementar.

Transparenz als Schlüssel für eine grünere Zukunft?
Definitiv. Technologie kann helfen, die Dinge transparent zu machen und das ist vonnöten. Wir gehen diesbezüglich auch in ganz unterschiedliche Projekte, unterstützen alles, was helfen kann, die Welt nachhaltiger zu machen. Ein Beispiel zum Thema Waste-Management sind die Hackathons, die wir mit der Organisation Clean Ocean durchgeführt haben. Sie haben gezeigt, wie einfach Technologie helfen kann, Plastik zu identifizieren. Die Analyse von Satellitenbildern und daraus entwickelte Algorithmen ermöglichen es, die vorhandenen Kapazitäten effizienter einzusetzen, mit dem eigentlichen Ziel, die Meere von Plastikmüll zu befreien an den Stellen beginnt, an denen es besonders viel Müll gibt.

Wie hat sich die Parterschaft mit Clean Ocean entwickelt?
Für Clean Ocean war es gut zu sehen, wie Technologie, Künstliche Intelligenz und auch unser Programm „AI for Earth“ helfen kann, die eigenen Ziele zu erreichen. Die technologischen Möglichkeiten die wir heutzutage haben sind toll. Vieles von dem wäre noch vor sechs Jahren unmöglich gewesen. Damit können wir einen sehr guten Beitrag leisten. Als Technologieanbieter haben suchen wir jetzt genau solche Partnerschaften mit NGOs und Unternehmen. Wir überlegen, wo es sinnvolle Projekte gibt und erstellen Roadmaps für Unternehmen und die Industrie, wie sie noch nachhaltiger werden können.


Wir haben in Österreich ganz ähnliche Iden wie in den USA.

Wären vielleicht Carbon- oder Waste-Audits, bei denen etwa Microsoft anderen Unternehmen den ressourcenschonenden Einsatz von Technologie vorzeigt, eine Überlegung wert?
Ich weiß nicht, ob das unsere Rolle ist. Aber dass der Verbrauch stärker dokumentiert wird unterstreicht doch nur die Ernsthaftigkeit eines Unternehmens. Es wäre ein richtiger Schritt, das formalisiert und klar strukturiert zu haben. Nicht um Dinge komplizierter zu machen, aber einfach um nachhaltig berichten zu können. Die Angelegenheit ist aber nicht ganz trivial. Es müssen viele Messpunkte zusammengebracht werden. Das ist auch unsere Rolle: Den Unternehmen zu helfen, verschiedenste Prozesse zu digitalisieren. Dann kann man die Effekte messen und festhalten.

Künstliche Intelligenz ist dabei ein Schlüssel. Im Rahmen des AI for Earth Programms hat Microsoft in den letzten zwei Jahren bereits über 500 Projekte in 70 Ländern gefördert. Sind es darunter auch welche in Österreich?
Wir sind an einigen Projekten dran, die allerdings noch nicht kommuniziert werden. Ich bitte dafür um Verständnis. Wir suchen aber weitere Partnerschaften und in Österreich gibt es dazu auch enorm viel Wissen und bei den Unternehmen ein entsprechendes Bewusstsein. Ich versuche zum Beispiel mit meinen Leuten in Österreich eine Initiative wie das SilviaTerra Projekt umzusetzen. Wir haben da ganz ähnliche Ideen wie in den USA. Auch im Bereich der Landwirtschaft versuchen wir Referenzprojekte zu unterstützen. Es gab auch ein Projekt, bei dem der Ausschuss bei der Produktion von Kaffeekapseln durch den Einsatz von Computer-Tomographen und schneller Bilderkennung reduziert wurde. Wichtig für uns ist, dass Technologie hilft, in Prozessen Dinge aufzuzeigen. Dann kann eine Änderung folgen, etwa der Rohstoff- und den Energie-Einsatz reduziert werden.

Microsoft hat auch den mit einer Milliarde Dollar dotierten Klima- und Innovationsfonds aufgelegt, mit dem über vier Jahre weltweit Projekte finanziert werden sollen. Wie ist der angelaufen?
Das Programm läuft jetzt rund ein halbes Jahr und grundsätzlich sehr gut. Wir gehen auch dabei in sehr unterschiedliche Bereiche, haben etwa in den USA mit einem Solar-Anbieter investiert, prüfen den Einsatz von Wasserstoff als Energiequelle für die bisher mit Diesel betriebenen Notstromgeneratoren in Rechenzentren. Grundsätzlich versuchen wir Unternehmen zu identifizieren, die einen ähnlichen Weg wie wir nachhaltig gehen wollen.


Technologie kann die Welt jetzt wirklich nachhaltiger machen.

Und der Fokus liegt dabei auf Projekte mit NGOs und kleineren Unternehmen?
Nein, das ist ganz unterschiedlich. Wir haben Ende Juli auch mit großen Unternehmen wie Nike, Starbucks oder Unilever die Allianz für Netto-Null, „Transform to Net Zero“, geschlossen, um gemeinsam Playbooks und Roadmaps zu entwickeln, wie ein solches Ziel erreicht werden kann. Nachhaltigkeit kann keiner alleine. Wenn aber das Grundverständnis gleich ist, dann kann man auch wirklich etwas erreichen. Wir fördern aber auch Technologien, um CO2 aus der Luft herauszuholen. Wir gehen dabei mutig und ambitioniert in Projekte.

Die CO2-Rückgewinnung aus der Luft ist ein sehr gewagtes Projekt. Es gibt soweit ich weiß etwa in Island Versuche, CO2 aus der Luft zu holen und unterirdisch zu speichern.
Das ist tatsächlich nicht trivial. Da steckt auch sehr viel Physik und andere Wissenschaft dahinter und ich kann nicht über alles sprechen, das wir machen. Ich möchte aber mitgeben, dass wir in alle Richtungen gehen und alle Möglichkeiten prüfen, helfen Technologien dafür zu entwickeln. Wir können noch nicht wissen, was in 20 Jahren sein wird. Dann werden wir aber sicher einiges dazugelernt haben. Da stehen wir als Firma absolut dahinter.

Kann Technologie nun die Welt retten?
Der sinnvolle und verantwortungsvolle Einsatz der Technologie gibt uns Möglichkeiten, die noch keine Generation vor uns hatte. Er kann uns helfen, Dinge schnell zu erkennen und dann den Wandel zu steuern. Technologie ist aber nur ein Enabler dafür. Der Mensch muss auch gewillt sein, Einschnitte zu machen oder sich zu ändern. Ich hoffe auch, dass wir mit unseren Initiativen Impulse setzen. Schließlich wird es auch für Investoren immer wichtiger, wie nachhaltig ein Unternehmen ist. Dabei geht es nicht um ein grünes Mascherl, sondern tatsächlich darum, wie nachhaltig und verantwortungsbewusst Unternehmen sind. Ich bin jedenfalls aufgrund dessen was wir bei Corona gesehen haben positiv gestimmt: die Gesellschaft ist dadurch agiler geworden, ist bereit für Veränderungen. Und mit der uns heute zur Verfügung stehenden Technologie können wir die Welt jetzt wirklich nachhaltiger machen. Der Boden ist jetzt der beste dafür.

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