„Privat heißt im Netz nicht, dass man privat ist“
Mit dem „Opera“ Browser wurde Jon von Tetzchner weltbekannt. Mit „Vivaldi“ will er die Geschichte wiederholen und das Internet besser und sicherer machen. von Tetzchner über sein neues Projekt und die Gefahr, wenn Daten gesammelt und missbraucht werden.
Jon Stephenson von Tetzchner, Gründer und CEO von Vivaldi
trend:
Man kennt Sie als Erfinder des „Opera“ Browsers. Vor einem Jahr haben Sie mit „Vivaldi“ einen neuen Browser gestartet. Wie hat sich der entwickelt?
von Tetzchner:
Ich bin zufrieden. Wir wachsen stetig und entwickeln uns laufend weiter. Sicher könnte es schneller gehen, aber ich bin überzeugt, dass unser Weg richtig ist und dass ein gutes Produkt am Ende Erfolg haben wird.
trend:
Sie machen sich seit Jahren für den verstärkten Datenschutz im Internet stark. Seit kurzem kooperieren Sie mit der Suchmaschine DuckDuckGo, die dafür steht, keine Daten aus den Suchanfragen der Benutzer zu sammeln. Was steht dahinter?
von Tetzchner:
Datenschutz ist ein signifikantes Problem – wie man auch sehr gut an Affäre rund um Facebook sieht. Wir sammeln keine Daten, und das gilt auch für DuckDuckGo bei der Suche. Deshalb kooperieren wir jetzt „Privat-Modus“ mit DuckDuckGo. Die meisten Leute sind sich ja gar nicht bewusst, dass sie im „Privat-Modus“ alles andere als privat sind. Es werden zwar keine Cookies von den besuchten Websites gespeichert, aber das bedeutet noch lange nicht, dass man sicher ist und keine Daten mitgelesen werden.
trend:
Kann durch die Kooperation das Problem gemildert werden?
von Tetzchner:
Wir sind sehr auf die Sicherheit unserer Benutzer und den Datenschutz bedacht. Aber wir machen uns nichts vor. Als kleiner Browser-Anbieter können wir herzlich wenig dazu beitragen, dass sich die Dinge ändern. Selbst wenn wir 100 Millionen Benutzer hätten – wovon wir weit entfernt sind. Man muss das anders angehen, über den Weg der Regulierung.
trend:
Wo und wie müsste eine solche Regulierung ansetzen?
von Tetzchner:
Es gibt gleich zwei Probleme. Das erste ist, dass Konzerne überhaupt derartige Super-Profile von ihren Benutzern erstellen, aus denen sie alles Mögliche herauslesen können. Das zweite ist, dass sie diese gesammelten Daten an andere weitergeben. Die Erosion der Privatsphäre im Internet ist ein ernst zu nehmendes Problem.
trend:
Facebook hat soweit jetzt bekannt ist Daten von rund 50 Millionen Benutzern an das Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica weitergegeben.
von Tetzchner:
Das ist sehr erschreckend, aber in gewisser Weise auch nicht überraschend. Die Leute waren sich über viele Jahre hinweg gar nicht richtig bewusst, dass es überhaupt ein Problem gibt. Möglicherweise hat der Facebook-Skandal daher am Ende auch einen positiven Effekt und trägt dazu bei, dass sich das ändert.
trend:
Wie ernst sehen Sie die Bedrohung durch die Art, wie Unternehmen wie Facebook oder Google Daten sammeln?
von Tetzchner:
Die Art wie das geschieht – und wie auch Facebook oder Google agieren – entspricht der Definition einer Spyware, eines Trojaners. Wenn man früher Personen ausspionieren wollte, musste man eine Spyware am Computer installieren. Facebook oder Google müssen das gar nicht mehr machen. Sie verfolgen ihre Benutzer auch über verschiedene Geräte hinweg, und sogar in die reale Welt. Und sie sind leider nicht die einzigen, die das tun.
Es ist erschreckend, wie das Problem jetzt auch auf die reale Welt übergreift. Zum Beispiel mit Bluetooth-Beacons in Supermärkten: Während wir mit unseren Smartphones in den Taschen durch ein Geschäft gehen kommunizieren diese mit den Beacons im Geschäft und sammeln Daten. Wo wir waren, in welchen Abteilungen wir uns wie lange aufgehalten haben und welche Produkte wir uns angesehen haben. So werden auch in der realen Welt Daten zu unseren persönlichen Interessen gewonnen.
Facebook und Google agieren wie Spyware und verfolgen die Benutzer.
trend:
Sie haben es schon angesprochen – es ist ein Problem, dass Daten gesammelt werden und ein weiteres, dass Daten genutzt werden. Das geschieht auch mit politischen Motiven, wie man bei den Wahlen in den USA gesehen hat. Cambridge Analytica soll außerdem auch vor der Brexit-Abstimmung entsprechend mitgemischt haben.
von Tetzchner:
Das Ausmaß, in dem Daten von Unternehmen genutzt werden, um politische Entscheidungen zu beeinflussen, hat man an den Präsidentenwahlen in den USA gesehen. Untersuchungen haben gezeigt, dass im Zuge der Trump-Kampagne via Social Media täglich bis zu 40.000 verschiedene, auf einzelne Interessen zugeschnittene Kampagnen verschickt wurden. Wenn man überlegt, wie viele Detailinformationen man haben muss, um derart viele unterschiedliche, auf die Interessen der Empfänger zugeschnittene Kampagnen gestalten kann, dann ist das erschreckend.
trend:
Wie könnte eine Regulierung dagegen vorgehen, was müsste sich ändern?
von Tetzchner:
Das ist eine schwierige Frage. Unternehmen sollten jedenfalls nicht die Möglichkeit haben, uneingeschränkt Daten zu sammeln und zu nutzen. Und es sollten außerdem Datenbanken geführt werden müssen, in denen alle Kampagnen gespeichert werden. Damit man später nachvollziehen kann, was geschehen ist und wie und zu welchem Zweck Daten genutzt wurden.
trend:
Wie geht es mit Vivaldi weiter? Wird irgendwann einmal auch eine mobile Version geben? Die meisten Internetzugriffe kommen mittlerweile ja von Smartphones.
von Tetzchner:
Der mobile Browser hatte bei uns nicht oberste Priorität. Wir haben uns wie gesagt zunächst darauf konzentriert, einen Browser für Power-User zu bauen, der den Benutzern mehr Funktionen bietet und damit die Möglichkeit gibt, das Internet besser und einfacher zu verwenden. Wir arbeiten aber aktuell an einer mobilen Version für Android. Das ist für uns eine ziemliche Herausforderung, weil Vivaldi eben ein so mächtiger Browser ist, der den Benutzern die Kontrolle zurückgeben und viele Möglichkeiten eröffnen soll.
trend:
Wann wird der mobile Browser fertig sein?
von Tetzchner:
Ich möchte dazu keine Zeitangaben machen. Wir sind kein Unternehmen, das große Ankündigungen macht. Wir arbeiten daran, und wenn wir finden, dass er fertig ist, wird es ihn geben. Ich habe schon eine frühe Version auf meinem Smartphone installiert, aber die ist noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Die Schwierigkeit ist, die Funktionalität von Vivaldi auf die Smartphones zu bringen. Aber wir werden das hinbekommen, zumindest für Android.
trend:
Und für iPhones und andere iOS Geräte?
von Tetzchner:
Mit iOS Geräten ist es schwierig, weil unser Browser auf Chromium aufgesetzt ist. Apple lässt keine Browser zu, die nicht auf iOS aufsetzen. Es werden immer nur Browser unterstützt, die auf dem eigenen System aufbauen. Es gibt zwar Chrome für iPhones, aber das ist ein ganz anderer Browser. Das gleiche gilt übrigens auch für Android oder Microsoft Geräte: Es werden immer nur die Browser unterstützt, die auch auf dem jeweiligen System aufbauen. Das macht es für neue, kleine Anbieter wie uns schwierig. Aber wir werden durchhalten und unseren Weg gehen. Es braucht nur seine Zeit.
Vivaldi Browser
Den Vivaldi Browser gibt es aktuell in der Version 1.14, sowohl in 32bit als auch in 64bit Varianten. Er läuft auf den Betriebssystemen Windows (Windows 7+, XP und Vista), Mac OS X (10.9+) und Linux.
Zu den besonderen Funktionen gehören unter anderem im Bereich der Navigation eine Schnellwahl, Kurzbefehle oder ein Vorlauf für Suchergebnisse. Vivaldi bietet außerdem erweiterte Funktionen für intelligentes Browsen, die Tabverwaltung, Kurzbefehle und unterstützt Mausgesten zur Steuerung der wichtigsten Browserfunktionen.
Im Privat-Modus garantiert Vivaldi mit der neu eingegangene Kooperation mit der Suchmaschine DuckDuckGo, dass keine Daten zu von den Benutzern gestellten Suchanfragen gesammelt werden.
Download: vivaldi.com