Grün ist für Apple die neue Superkraft
Sauberer Strom aus eigenen Anlagen, Recycling in der Produktion und Millionen für Umwelt-und Sozialprojekte. Apple treibt die Tech-Industrie beim Umweltschutz an.
SONNENRING. Das Hauptquartier in Cupertino wird zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie versorgt, zum Teil von einer 17-Megawatt-Anlage auf dem Dach sowie dem neuen Solarpark California Flats. Überschüssiger Strom geht ins öffentliche Netz.
Die Zeiten ändern sich. Aufgeklärte Verbraucher fragen nicht mehr nur nach dem Listenpreis, sondern auch nach den Umweltund Sozialkosten. Apple hat diesen Wandel früh bemerkt. Initialer Anlass war ein Imagedesaster. 2010 war der skandalöse Umgang mit chinesischen Wanderarbeitern beim Zulieferer Foxconn ruchbar geworden. CEO Tim Cook war selbst nach China gefahren und fing in der Folge an, Lieferanten systematisch zu überprüfen. Als ihm ehemalige Apple-Manager damals Heuchelei vorwarfen und dass die Zustände bekannt gewesen wären, gab er sich empört: "Dass uns diese Zustände egal seien, ist falsch und beleidigend. So sind wir nicht."
In den vergangenen zehn Jahren leitete Cook einen glaubwürdigen Strategiewandel ein, dessen Ergebnisse selbst kritische Beobachter von Greenpeace oder Amnesty International anerkennen. Die beschworenen Werte sollen nicht nur in der eigenen Hausordnung stehen, sondern auch für zahllose Zulieferer weltweit gelten. "Wir werden an die Grenzen des Möglichen gehen, um neue und kreative Lösungen zu finden, weil wir wissen, dass die Zukunft davon abhängt", betonte Cook unlängst erneut die Dringlichkeit.
Umgesetzt wird dieser Change von einer Frau. Cook installierte 2013 einen Vorstandsposten für die Umwelt- und Nachhaltigkeitsagenda in direkter Berichtslinie an ihn und ausgestattet mit allen Befugnissen. Lisa Jackson, die unter Präsident Obama die Umweltbehörde (EPA) geführt hatte, bringt nicht nur politischen Background mit. Als Chemieingenieurin hat sie auch das fachliche Know-how.
Drei Säulen
Die Managerin weiß den Gestaltungsspielraum zu nutzen und hat die Umweltstrategie auf drei Säulen gestellt: den CO2-Fußabdruck verbessern und konsequent auf saubere Energiequellen umstellen, maximales Rohstoffrecycling und umweltschonendes Design und den Einsatz neuer chemischer Ansätze in der Fertigung. Der Konzern unterstützt etwa eine Methode in der Aluminiumproduktion, wo beim Schmelzen kein Treibhausgas, sondern Sauerstoff freigesetzt wird.
Geschraubt wird an allen Ecken und Enden. Tatsächlich hat Jackson vom Zehnjahresplan bereits einiges umgesetzt: Einer der wichtigsten Hebel war eine rasche Umstellung auf Grünstrom. Der kommt aus den hauseigenen Solar- und Windparks und wird in eigenen Batteriespeichern vorgehalten. Der Konzern gründete dafür die Tochtergesellschaft Apple Energy, die nichts anderes ist als ein hauseigener Energieversorger.

Apples neuer Solarpark California Flats für die eigene Stromversorgung des Headquarters, aber auch für das öffentliche Netz, wohin der überschüssige Strom eingespeist wird.
Das zahlt auf das grüne Image ein, ist angesichts der durchwachsenen Zustände US-amerikanischer Energieversorger aber auch ein Schritt zu Autonomie und Versorgungssicherheit. Mittlerweile darf der Konzern in den USA überschüssigen Strom ins öffentliche Netz einspeisen und verkaufen und tut sich damit sogar neue Erlösquellen auf.
Nachdem der eigene Bedarf zur Gänze aus erneuerbaren Quellen gedeckt ist, werden nun die Zulieferer verpflichtet, bis 2030 ebenfalls auf die Nutzung erneuerbarer Quellen zu setzen. In Europa rennt Jackson damit vielerorts offene Türen ein: Die Pläne ihrer deutschen und österreichischen Zulieferer wie Varta, AT&S oder Infineon sind mindestens so ambitioniert. Infineon etwa will nicht erst bis 2030 CO2-neutral wirtschaften, sondern 2025 schon 70 Prozent weniger Emissionen haben. "Ich bewundere die europäischen Regierungen und die Bürger in der EU, dass sie Standards setzen und sich nicht denken, sollen sich doch die anderen den Kopf darüber zerbrechen", zollt Jackson Respekt.

Apple ist auch eines der treibenden Mitglieder im globalen Verbund RE100, wo sich mehr als 130 einflussreiche Industriekonzerne - von den Big-Tech-Firmen der USA bis zu BMW, Ikea, Nestlé oder Coca-Cola - beraten, pushen und eigene Umweltkonferenzen abhalten.
Jacksons Agenda ist über die Jahre immer länger geworden: Sie ist nicht nur für die Umwelt zuständig, sondern auch für alle damit verbundenen politischen und sozialen Belange. Für Jackson ist der Zusammenhang evident. "Systemischer Rassismus und Klimawandel sind keine getrennten Probleme, und sie werden auch keine getrennten Lösungen zulassen", schreibt sie im jüngsten Apple-Umweltbericht. Der Konzern investiert 100 Millionen Dollar für mehr Chancengleichheit in der Wirtschaft und Ausbildung, unterstützt unter anderem schwarze Kleinunternehmer oder Universitäten.
Investiert wird aber auch in China, als Partner des Asia Green Fund zahlt der Konzern Millionen für umweltfreundliche und energieeffiziente Fertigungsanlagen. In einem Wiederaufbaufonds (Restore Fund) dotiert Apple mit bis zu 200 Millionen Dollar Projekte, die etwa Wiederaufforstung betreiben.
Grün mit Nachdruck
Neben sozialer und ökologischer Rendite behält der Konzern die finanzielle fest im Blick. Jackson sagt: "Grün wirtschaften ist auch gut für das Geschäft." Allein auf die intrinsische Motivation seiner Leute verlässt sich der Konzern hier nicht. Apple-Führungskräfte, die die formulierten Sozial- und Umweltziele verfehlen, werden das heuer erstmals an ihren Boni merken: zehn Prozent weniger oder - bei Erreichen - zehn Prozent mehr. Und dass die vielen kleinen und große Aktionäre wie Berkshire Hathaway oder BlackRock die grünen Bilanzen lesen, "motiviert" sicher auch.
"The Times They Are a-Changin'" - und Cook weiß um die Macht der Bilder. So wie er sich nach dem Foxconn-Desaster in den chinesischen Fabriken vorstellte, so bewusst wählte er 2018 seine Begleitung zum Präsidentendinner ins Weiße Haus: Zu Donald Trump nahm er Lisa Jackson mit.

TREFFEN IN WIEN. Lisa Jackson war am 1. Juli zu Gast beim Austrian World Summit und sprach mit Host Arnold Schwarzenegger über ihren Job.
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