Digitalisierung: Österreichs Abstand zur EU-Spitze wächst
Im jährlichen Digitalisierungs-Ranking der EU-Kommission liegt Österreich unverändert im Mittelfeld. Doch der Abstand zur Spitze wächst, wie der Digital Economy and Society Index 2017 zeigt
Digitalisierung: In der EU sind die Unterschiede bisweilen groß, Österreich liegt im Verglich der EU-Kommission auf Rang zehn.
„Österreich ist bei der Digitalisierung innerhalb der EU weiter im Vormarsch“, freute sich SPÖ-Staatsekretärin Muna Duzdar am Freitag über die Veröffentlichung des „Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft“. Tatsächlich liegt Österreich in dem jährlichen Ranking der EU-Kommission unverändert auf Platz zehn und damit lediglich im besseren Mittelfeld. Einen „Vormarsch“ um eine Platzierung gibt es lediglich in einer der fünf Unterkategorien, den öffentlichen Diensten. Dafür hat man etwa bei der Digitalisierung der Wirtschaft gleich vier Plätze eingebüßt (Platz 14).
Aussagekräftiger als die Platzierungen sind aber ohnehin die Detailergebnisse. Vergleicht man die österreichischen Werte mit jenen des Spitzenreiters Dänemark ist Duzdars „Freude“ gleich noch weniger nachvollziehbar. In drei der fünf Kategorien wurde der Abstand im vergangenen Jahr größer.
Vor einer wachsenden Kluft innerhalb der EU warnte dann auch Digitalkommissar Andrus Ansip. Während die besten Länder auch weltweit führend seien, würden andere immer mehr zurückfallen, sagte er bei der Präsentation der Ergebnisse in Brüssel. Im Gegensatz zu den europäischen Spitzenreitern liegt der EU-Durchschnitt auch hinter globalen Konkurrenten wie den Vereinigten Staaten, Australien und Japan, so die Kommission.

Digital Economy and Society Index (DESI) 2017 Ranking
Der Index bewertet die Digitalisierung in den EU-Mitgliedsstaaten in fünf Bereichen: Konnektivität (die technische Infrastruktur), Humankapital (die Verbreitung digitaler Skills), Internetnutzung, sowie die Digitalisierung der Wirtschaft bzw. des öffentlichen Dienstes.
Gut schneidet Österreich beim öffentlichen Dienst (Platz 5) und dem Humankapital (Platz 7) ab. Bei ersterem lobt die Kommission vor allem das digitale Angebot, in der Nutzung liege man hingegen lediglich im EU-Durchschnitt. Beim Humankapital punktet Österreich sowohl bei der Verbreitung von grundlegenden digitalen Fähigkeiten als auch bei den IT-Spezialisten.
Nachholbedarf besteht bei der Konnektivität (Platz 15) und der Digitalisierung der Wirtschaft (Platz 14). Bei der Internetnutzung hinkt Österreich am deutlichsten hinterher und landet gar nur auf Platz 20 der 28 EU-Staaten.
Gefahr für den Binnenmarkt
In der Kluft zwischen den „digitalen Spitzenreitern“ und den Nachzüglern sieht Ansip ein Problem für den europäischen Binnenmarkt: „Alle Mitgliedstaaten sollten mehr investieren, um den digitalen Binnenmarkt voll ausschöpfen zu können. Wir wollen bei der Digitalisierung kein Europa der zwei Geschwindigkeiten.“
Gerade der eCommerce-Sektor wächst denn auch langsamer als erhofft. Das liegt vor allem an der starken Fragmentierung des europäischen Marktes. Statt eines gemeinsamen Binnenmarkts gibt es nach wie vor große rechtliche Unterschiede, vom Urheberrecht bis zum Verbraucherschutz, sowie eine geografische Aufteilung durch Unternehmen selbst, etwa bei Paketdiensten.
Service
Download
Digital Economy and Society Index 2017 - Österreich: Die Detailergebnisse zum Download.
Europäische Kommission, 4 Seiten, veröffentlicht am 3. März 2017
Zum Download klicken Sie hier
Bitte beachten Sie, dass für Downloads von trend.at eine einmalige Registrierung sowie ein Login erforderlich sind.
Kernaussagen zu Österreich
- Generalbefund: Österreich nimmt im DESI 2017 wie im vergangenen Jahr Platz 10 ein. In den meisten Bereichen hat Österreich dem EU-Durchschnitt entsprechende Fortschritte vorzuweisen. Bei den digitalen öffentlichen Diensten, bei denen Österreich besonders gut abschneidet, gehört das Land nun zu den besten 5 in Europa. Die Nutzung von Internetdiensten ist etwas weniger fortgeschritten.
- Konnektivität: Österreich befindet sich nach wie vor im EU-Durchschnitt. Bei der Verfügbarkeit schneller Breitbandverbindungen schneidet das Land gut ab. Wesentlich weniger gut sind die Ergebnisse bei der Nutzung, was im Falle von Festnetz-Breitbandanschlüssen möglicherweise auf ein erhebliches Maß an Substitution durch mobile Breitbanddienste zurückzuführen ist.
- Humankapital: Immer mehr Österreicher nutzen das Internet, die digitalen Kompetenzen nehmen langsam zu und die Zahl der IKT-Spezialisten steigt.
- Internetnutzung: Die österreichischen Internetnutzer greifen offenbar auf einige Online-Dienste weniger zurück, als es im EU-Durchschnitt der Fall ist, tätigen jedoch in überdurchschnittlichem Maße ihre Bankgeschäfte und Einkäufe online.
- Digitale öffentliche Dienste: Österreich hat sein bereits gutes Angebot an digitalen öffentlichen Dienstleistungen weiter ausgebaut. Allerdings liegt die Nutzung elektronischer Behördendienste weiterhin nur knapp über dem EU-Durchschnitt.
Digitaler Binnenmarkt
Die EU-Kommission hat den digitalen Binnenmarkt bei ihrem Amtsantritt 2014 deshalb zu einer der zehn Prioritäten erklärt. Seitdem hat sie eine Reihe von Gesetzesvorschlägen vorgelegt, von denen einige bereits beschlossen sind. Dazu zählen die weitgehende Abschaffung von Roaming-Gebühren ab Juni 2017 und einheitliche Datenschutzregelungen, die ab Mai 2018 in Kraft treten werden. Bei anderen Vorschlägen, etwa zur Einschränkung des Geoblockings im Onlinehandel, konnten sich die EU-Institutionen und die Regierungen der Mitgliedsstaaten bisher noch nicht einigen.
Bei einigen dieser Gesetzesentwürfe wird der Nutzen für den Binnenmarkt allerdings angezweifelt. Die österreichischen Wirtschaftsverbände lobbyieren etwa seit Monaten heftig in Wien und Brüssel gegen die so genannte Geoblocking-Verordnung. Während die Kommission damit den grenzüberschreitenden eCommerce ankurbeln will, befürchten sie zusätzliche rechtliche Unsicherheiten, die Unternehmer sogar vom Onlinehandel im eigenen Land abschrecken könnten. In anderen Vorschlägen sehen wiederum Verbraucherschützer Verschlechterungen für die Konsumenten.
Die österreichische Bundesregierung hat mit der „Digital Roadmap“ auch eine Digitalstrategie. Damit habe man, so Duzdar, „weitere wichtige Maßnahmen gesetzt, um noch weiter an die Spitze innerhalb der EU heranzurücken“. Und dann wäre die Freude der Staatssekretärin ja tatsächlich berechtigt.