Logistik im Wandel: Digitalisierung eröffnet neue Wege

Die Auswirkungen von Digitalisierung, Servitization und des riesigen weltweiten Datenvolumens sind in der Logistik-Branche bereits allenorts sichtbar. Die Digitalisierung verbessert Flexibilität, Schnelligkeit und Kontrollierbarkeit von Logistikprozessen.

Thema: Digitalisierung: Vorwärts in die Zukunft
Logistik im Wandel: Digitalisierung eröffnet neue Wege

Aller Anfang ist schwer. Als im 19. Jahrhundert Franz Josef von Gerstner den Salztransport vom Salzkammergut nach Böhmen modernisieren wollte, plante er statt eines Kanals eine Eisenbahn. Die Pferdewagen, die damals die Post zustellten und Fahrgäste transportierten, bekamen Konkurrenz. Das gefiel nicht allen. So soll 1835 ein ärztlicher Gutachter über den "Adler", der mit circa 30 km/h dahinbrauste, gesagt haben: "Die raschen Bewegungen können bei den Passagieren geistige Unruhe hervorrufen der Staat muss sie beschützen." Die Bahn hat sich trotzdem durchgesetzt.

185 Jahre später bestimmen Digitalisierung, Big Data und Nachhaltigkeit die weltweite Logistik. Digitale Technologien sorgen für mehr Wirtschaftlichkeit, verbessern die Kommunikation und die Beziehungen zu den Kunden und eröffnen neue Geschäftsfelder. Und zwar für jede Branche und Betriebsgröße, auch für jene, die im Alltag nur wenig mit Technologie zu tun haben.

Das ist vielen Unternehmen bewusst, trotzdem bleiben sie auf ihrem Weg der Digitalisierung oft bei der Verwaltung hängen -mehr als zwei Drittel der heimischen Unternehmen haben nicht einmal einen konkreten Plan in der Schublade.



Digitalisierung braucht eine Strategie, Konsequenz und einen Change im Mindset des gesamten Teams.
Ricardo-José Vybiral
CEO KSV1870 Holding

Ricardo-José Vybiral, CEO KSV1870 Holding


Das vergangene Jahr hat allerdings bei den heimischen Unternehmen einen deutlichen Schub gebracht, wie das aktuelle Ranking der Schweizer Wirtschaftshochschule IMD zeigt. Dieses stuft Österreich bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 17 ein, noch vor Deutschland. Im Vergleich zu 2019 bedeutet das eine Verbesserung um drei Plätze. An der Spitze der 63 Staaten liegen übrigens die USA und Singapur.

DIGITALE CHANCEN. Diesen Aufwärtstrend sieht Ricardo-José Vybiral vom KSV1870 auch bei den Logistikunternehmen. Viele unterschätzen aber das Potenzial, denn digitalisieren kann man nicht nur die Verwaltung, sondern den "gesamten Servicebereich, Geschäftsprozesse, Vertriebskanäle oder die Produktion", erklärt Vybiral.

Dadurch eröffnet sich die Chance, die Kontrollierbarkeit, die Flexibilität und die Schnelligkeit der Prozesse positiv zu beeinflussen, im Bereich der Logistik bedeutet das etwa bessere Koordination und Routenplanung, schnelleren Versand und Beladen von Lkw. Das führt wiederum zu steigender Transparenz bei Versand-und Zulieferketten und macht internationale Vernetzung verstärkt möglich, "was gerade für diese Branche einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellt", so Vybiral. Wichtig ist dabei "eine Strategie, Konsequenz und ein Change im Mindset des gesamten Teams". Damit das Digitalisierungsprojekt nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, weil es als riesiges, unüberwindbares Mysterium daherkommt, rät Vybiral außerdem dazu, klein anzufangen: "Es funktioniert nicht, gleich das große Ganze zu digitalisieren -es geht nur Step by Step, teilweise durch Trial und Error."

LOGISTIK 4.0. Datenkompetenz, Analytics und künstliche Intelligenz werden zukünftig noch mehr an Bedeutung gewinnen. Das bestätigt die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS). Sie beobachtet seit 20 Jahren die Entwicklungen in der Logistik und leitet daraus wesentliche Tendenzen ab.

Derzeit sehen die Experten acht Trends. So macht die fortschreitende Digitalisierung Objekte mithilfe neuer Technologien, Internet of Things und Mobile Computing smarter. Durch die Vernetzung von Menschen und Dingen entstehen ständig neue Daten, die nach sorgfältiger Analyse nicht nur zu Effizienzsteigerungen und grundlegenden Veränderungen der Geschäftsmodelle, sondern auch zu neuen Produkten und Dienstleistungen führen können. Die vermehrte Serviceorientierung beschert Käufern beim Erwerb eines Artikels zusätzliche Extraleistungen und erhöht die Bindung der Kunden. Diese wiederum verlangen verstärkt grüne Produkte und umweltschonendes Handeln.



Wie bei der Onlinebestellung liegt es auch bei uns nahe, dass die Kunden wissen wollen, wo sich ihre Schätze gerade befinden und wann sie ankommen.
Birgit Vikas
CEO Kunsttrans


KUNSTVOLL. Die Vorteile der Digitalisierung weiß auch Birgit Vikas zu schätzen. Sie ist Geschäftsführerin des Wiener Unternehmens Kunsttrans, das seit 150 Jahren Kunstwerke jeder Größe und Form sicher an ihren Bestimmungsort bringt. Den größten Unterschied bei ihrer Arbeit im Vergleich zu vor 20 Jahren sieht sie in der Geschwindigkeit der Abwicklung eines Transportauftrages und in der technischen Entwicklung der Verpackung.

So konnten früher Änderungen, die nicht bis etwa zwei Wochen vor Ausstellungsbeginn kommuniziert wurden, nicht mehr berücksichtigt werden. "Heute ist es möglich, Kunstwerke binnen 24 bis 48 Stunden um die ganze Welt zu transportieren", weiß Vikas. Natürlich ist das auch eine Preisfrage; aufgrund des globalen Flugverkehrs und der permanenten Erreichbarkeit ist es aber praktisch jederzeit möglich, einen Transport zu organisieren.

Die 8 Trends in der Logistik

  1. Digitalisierung Neue Technologien machen Objekte intelligenter und smarter, datengetriebene Dienstleistungen steigern die Effizienz und ermöglichen neue Geschäftsmodelle.
  2. ServitizationKunden kaufen nicht nur mehr ein Produkt, sie bekommen auch Dienstleistungen dazu. Das verbessert Umsatzchancen und erhöht die Kundenbindung
  3. Nachhaltigkeit Kunden wollen vermehrt nachhaltige Produkte und Dienstleistungen. Es gilt, neue Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln und z. B. durch emissionsarme Fahrzeuge Klimagase zu reduzieren.
  4. Informationsgesellschaft Das Datenvolumen wächst rasant. Aufgabe der Logistikbranche ist es, aus Big Data einen Mehrwert zu generieren und neue Produkte zu entwickeln
  5. Autonomes Fahren Das ist technisch bereits möglich und wird zu erheblichen Veränderungen in der Industrie führen. Zu klären sind etwa Haftungsfragen durch die Teilnahme am öffentlichen Verkehr.
  6. 3D-Druck Additive Verfahren verarbeiten immer größere Mengen an Materialien und ermöglichen individuellere Produkte. Hohes Innovationspotenzial!
  7. Diversifizierung Belegschaften werden heterogener. Das schafft Potenziale für die Globalisierung, aber vor allem kleinere Unternehmen müssen lernen, diese Diversität zu beherrschen.
  8. Robotik Die Nachfrage nach Industrierobotern steigt. Ihr Einsatz außerhalb von Sicherheitszäunen und in Kooperation mit den Menschen führt zu neuen Anwendungen.

Was die Verpackung betrifft, so waren um die Jahrtausendwende Transportkisten aus Holz State of the Art, heute verwendet Kunsttrans Kisten, "in denen die Kunstwerke auf Stoßdämpfern fast schweben, das Raumklima über Tage gehalten und die Kunstwerke somit vor allzu schnellen Temperaturänderungen geschützt werden können".

Was sich Birgit Vikas vornimmt? "Nicht nur unsere Lkw werden digital erfasst und können über GPS rund um die Uhr überwacht werden, in Zukunft werden wir das auch bei den Kunstwerken machen." Mit fortschreitender Digitalisierung soll es für die Kunden dann die Möglichkeit geben, den Transport live zu verfolgen:"Wie bei der Onlinebestellung liegt es auch bei uns nahe, dass die Kunden wissen wollen, wo sich ihre Schätze gerade befinden und wann sie ankommen."

Abgesehen von diesen technischen Entwicklungen sind mittlerweile auch in der Kunstspedition die Themen "Nachhaltigkeit" und "grüner Fingerabdruck" von großer Bedeutung. "Aus welchem Rohstoff erzeugt man das Verpackungsmaterial?" und "Wie gut ist es ökologisch abbaubar?" sind Fragen, die den Logistikern von Kunsttrans immer öfter von den Kunden gestellt werden.

ZUSTELLUNG MIT E-SCOOTER. Auch beim Paketdienst GLS ist Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema und längst auch fest in der Unternehmensstrategie verankert. "Nachhaltigkeit ist einer unserer zentralen Unternehmenswerte und Teil unserer strategischen Ausrichtung", erklärt Klaus Schädle, der als Group Area Managing Director der GLS-Gruppe für Österreich zuständig ist (siehe auch Interview rechts). Da der Transport naturgemäß einen großen Teil zu den Gesamtemissionen des Unternehmens beiträgt, werden die Routen regelmäßig optimiert, die Flotte nach und nach auf E-Fahrzeuge umgerüstet und die Standorte mit Photovoltaikanlagen ausgestattet. "Schon heute setzen wir in Städten wie Salzburg, Graz, Innsbruck und Linz E-Bikes und E-Scooter ein", so Schädle.

Voraussetzung für die umweltschonende lokale Verteilung der Güter sind genügend Lagerflächen oder reservierte Plätze in den Städten - was sich allerdings mitunter noch als Herausforderung darstellt. Auch dürfen mancherorts in den Fußgängerzonen nach wie vor keine Lastenräder ganztags unterwegs sein. Um bei all der technischen und ökologischen Umstellung also tatsächlich möglichst umweltfreundlich arbeiten zu können, sind die Logistiker, so resümiert Schädle, auch "auf die Kooperationsbereitschaft der Städte angewiesen".


Der Artikel ist der trend-Ausgabe 51-52/2020 vom 18.12. 2020 entnommen

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