Wettstreit um das erste E-Passagierflugzeug entbrannt
Wer wird der erste Flugzeubauer, der eine elektrisch betriebenes Flugzeug zulässt? Boeing oder Airbus dürften nicht die Ersten sein, wie es derzeit aussieht. Ein Neuling aus Kalifornien könnte alle überrunden. Aber auch die Briten haben gute Karten. Welche Entwickler bisher gescheitert sind.
Tesla der Lüfte? Die britische Fluggesellschaft easyJet könnte mit Hilfe eines US-Start-ups die erste Airline mit einem Elektro-Passierflugzeug sein.
In der Corona-Krise geht es für die Luftfahrtbranche ums nackte Überleben. Aber im Hintergrund läuft noch ein ganz anderer Kampf. Nämlich welche Airline und damit welcher Flugzeughersteller in den nächsten Jahren als erster ein Passagierflugzeug mit Elektroantrieb in den Himmel bringt. Denn der Druck auf die Branche den Schadstoffausstoß massiv zu reduzieren, steigt, vor allem nach der Pandemie.
Derzeit sieht es so aus, als ziehen die Amerikaner den Europäern bei diesem Wettstreit davon. Doch die erste Zulassung eines elektrisch betriebenes Passagierflugzeug dürfte nicht den großen Flugzeugbauern Boeing oder Airbus gelingen, sondern einem Neuling: Dem US-Unternehmen Wright Electric. Hinter dem Start-up aus Kalifornien steht künftig auch der finanzielle Einsatz des amerikanischen Staates. So hat das US- Energieministerium das Unternehmen nun für ein Förderprogramm ausgewählt, dass die Entwicklung elektrischer Antriebssysteme für kommerziell eingesetzte Flugzeuge forciert. Das Ministerium ist nicht der einzige Geldgeber. „Die Batterietechnologie schreitet mithilfe zahlreicher US-Behörden, die die Erforschung der elektrischen Luftfahrt finanzieren, voran,“ sagt Johan Lundgren, easyJet-Chef und Partner von Wright Electric. Gemeinsam plant der Tesla der Lüfte mit der Airline 2030 die ersten Maschinen in den Verkehr zu bringen.
186-sitziges E-Flugzeug geplant
Anfang des Jahres hat Wright Electric ein Entwicklungskonzept für ein Antriebssystem eines 186-sitzigen Elektroflugzeuges mit dem Namen „Wright 1“ präsentiert. Seit fünf Jahren wird daran geforscht. Das Flugzeug ist für Flugstrecken bis zu 1.300 Kilometer konzipiert. „Diese Streckenlänge würde in etwa 50 Prozent unseres Netzwerks abdecken“, erläutert David Morgan, Leiter des Flugbetriebes bei easyJet.
Große Fortschritte bei der Technik
Jahrzehntelang galten Visionen vom elektrischen Fliegen als unerreichbare Träume einzelner Erfinder mit zu großer Phantasie. Passierflugzeuge mit reinem Elektroantrieb - undenkbar. Batterie und Motor waren dafür viel zu schwer, kommt es doch gerade bei Airlines auf jedes Kilo an. Nun scheinen Elektroflugzeuge, die kerosin-betriebenen Passagierflugzeuge Konkurrenz tatsächlich machbar. Denn die Technik für Batterien und Elektromotoren hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht. So ist die Leistungsfähigkeit der Motoren mittlerweile deutlich gestiegen. Würde ein Verbrennungsmotor in einem VW Golf von einem gleich schweren Elektroantrieb ersetzt, würde der Hochleistungs-Elektro-Motor rein rechnerisch 2.000 PS aus dem Motor herausholen, rechnen Experten vor. Die Energiedichte von Lithium-Ionen-Batterien hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt.
Erste Elektromotorflugzeug der Welt zugelassen
Der Wettstreit um die ersten Elektroflugzeuge ist in den vergangenen Monaten so richtig entbrannt. Im Sommer wurde das erste Elektromotorflugzeug der Welt zugelassen. Der slowenische Flugzeughersteller Pipistrel hat am 10. Juni die weltweit erste Typenzertifizierung eines vollelektrischen Flugzeugs bekannt gegeben, wenn auch erst ein Leichtflugzeug. Zugelassen von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA). Wenig später gab es in Großbritannien den ersten Testflug eines Kleinelektroflugzeugs.
Vorgefertigte Vorstellungen davon, was im zukünftigen Flug möglich ist, wurden zerstört
Airbus stampft Pläne an und denkt über Wasserstoff-Antrieb nach
Doch es gibt auch Vorhaben die scheitern. Die Kooperation von Airbus und Siemens zählen dazu. Zuerst vielbeachtete, mit dem ambitionierten Ziel angetreten, elektrische Flieger zu bauen. 200 Mitarbeiter forschten am Prototyp E-Fan X, einem kleinen Passagierflugzeug mit Hybridantrieb. Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe waren vorgesehen. Bis 2030 wollte man emissionsloses Fliegen möglich machen. Doch dann wurde im Vorjahr das Vorhaben still und leise abgeblasen. "Vorgefertigte Vorstellungen davon, was im zukünftigen Flug möglich ist, wurden zerstört", gab Grazia Vittadini, Technikchef von Airbus, in einem Interview offen zu. Man wolle die gewonnenen Erkenntnisse über Hybrid-Technik, Hochspannungssysteme und Batterien aber weiterentwickeln. Zugleich bezeichnete Vittadini Wasserstoff wäre eine Möglichkeit und große Chance.
Engländer bremsen Kontinentaleuropäer aus
Was die Kontinentaleuropäer nicht schaffen, könnte den Engländern gelingen. Der britische Triebwerkshersteller Rolls Royce arbeitet fieberhaft an einem Elektroflugzeug. Der Erstflug der „Accel“ steht offenbar kurz bevor. Im nächsten Jahr soll damit gar ein Geschwindigkeitsrekord aufgestellt werden. Wichtige Bodentests wurden bereits abgeschlossen. Das Ziel der Entwickler ist überall das gleiche: "Rolls Royce will bei der Elektrifizierung des Flugverkehrs eine Führungsrolle spielen", heißt es in einer Stellungnahme. Der Triebwerkspezialist haben dazu ein cleverer Schachzug gelungen. Sie haben im Vorjahr von Siemens die Sparte „Elektroantriebe für die Luftfahrt“ übernommen. Die Briten arbeiten damit nach dem Ausstieg von Airbus am geplanten Verkehrsflugzeug E-Fan X an jenem Antriebssystem einfach weiter. Über hohe staatliche Förderungen wie Electric Wright in den USA verfügen die Engländer jedoch nicht.Dafür über einen schlagkräftigen Konzern - es bleibt spannend.
Prototyp mit vielversprechendem Antrieb abgebrannt
Aber nicht nur Airbus und Siemens haben am elektrifizierten Weg nach oben Enttäuschungen erlebt. Ein Versuch des israelischen Hersteller Eviation Aircraft, der mit dem Prototyp „Alice“ durchstarten wollte, ist kläglich gescheitert. Das obwohl das Flieger als eines der innovativsten und am weitesten entwickelten mit Elektroantrieb galt. Das 500 Stundenkilometer schnelle E-Flugzeug sollte an die 1.000 Kilometer schaffen und als Zubringer fungieren. Bereits 2022 war der erste Passagierflug geplant. Nur Anfang Jänner ist der große Hoffnungsträger im Hanger ausgebrannt. Ursache für das tragische Ende großer Pläne soll ein Fehler im Batteriesystem gewesen sein.
easJet reduziert C02-Ausstoß um 30 Prozent
Da die ökologische Notwendigkeit Emissionen stark zurückzufahren anhält, gehen Airlines schon jetzt neue Wege und bieten zumindest C02-neutrale Flüge an. EasyJet ewa hat seit November letzten Jahres laut eigenen Angaben als erste große Airline, die CO2-neutrale Flüge über das gesamte Netzwerk eingeführt. Die Airline erreicht dieses Ziel, indem sie die CO2-Emissionen des für alle ihre Flüge verwendeten Treibstoffs kompensiert. Die Fluggesellschaft betrachtet das aber nur als Übergangsmaßnahme, bis neue Technologien zur Dekarbonisierung des Luftverkehrs zur Verfügung stehen. In der Zwischenzeit konzentriert sich die Airline darauf, die Flotte mit treibstoffeffizienten Triebwerken aufzurüsten, die leiser sind und weniger Treibstoff verbrauchen, als die bisherigen. Seit dem Jahr 2000 hat easyJet die CO2-Emissionen pro geflogenem Passagierkilometer so um 34 Prozent reduziert und hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2022 eine Reduzierung um 38 Prozent zu erreichen.