„2021 kommt es in der Autoindustrie zur brutalen Auslese“

Die Pandemie hat Gewinne und Absatz in der Autoindustrie halbiert. Für 2021 sagt ein Unternehmensberater von EY sagt den großen Meltdown voraus, mit Übernahmen, Massenentlassungen und Werksschließungen - auch für die Zulieferbranche. Wann Licht am Ende des Tunnels erwartet wird.

„2021 kommt es in der Autoindustrie zur brutalen Auslese“

Gewinn halbiert, bis zu 60 Prozent weniger Umsatz
Die Pandemie hat der weltweiten Autoindustrie ein tiefrotes zweites Quartal beschert: Nach einem operativen Gewinn von 21,8 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum wiesen die 17 größten Autokonzerne der Welt im abgelaufenen Quartal insgesamt einen operativen Verlust von 10,8 Milliarden Euro aus. Nur sechs Unternehmen schrieben schwarze Zahlen, ein Unternehmen – Tesla – konnte seinen Gewinn steigern.Beim Umsatz war die Entwicklung noch eindeutiger: Alle untersuchten Unternehmen verzeichneten Umsatzeinbußen, die von fünf Prozent (Tesla) bis 57 Prozent (Mitsubishi) reichten. Die deutschen Konzerne verbuchten zusammen einen Umsatzrückgang um 32 Prozent, im Durchschnitt lag der Umsatzrückgang der analysierten Unternehmen bei 41 Prozent. Die französischen und die US-Konzerne verzeichneten sogar Einbußen von 49 bzw. 50 Prozent.

Frische Anleihen lassen Cashpolster dennoch steigen
Immerhin: Trotz der mehrmonatigen Absatzkrise können die Autokonzerne auf ein großes Finanzpolster zurückgreifen. Zum Ende des zweiten Quartals 2020 verfügten die Unternehmen über Zahlungsmittel in Höhe von 250 Milliarden Euro, 26 Prozent mehr als drei Monate zuvor.
Die höchste Liquidität wies Toyota mit gut 56 Milliarden Euro auf, gefolgt von Volkswagen mit 43 Milliarden Euro und Daimler mit 22 Milliarden Euro. Möglich wurde dieser Zuwachs an verfügbarer Liquidität unter anderem durch die Ausgabe neuer Anleihen. Das sind Ergebnisse einer Analyse der Finanzkennzahlen der 17 größten Autokonzerne der Welt, die das Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY quartalsweise erstellt.
Die Zahlen zum zweiten Quartal zeigen, wie massiv die Corona-Krise die Automobilindustrie getroffen hat, betont Gerhard Schwartz, Leiter des Bereichs Industriegüter bei EY Österreich: „Einen derartigen Einbruch bei Umsatz, Gewinn und Absatz hat es noch nie gegeben. Die Pandemie hat die weltweite Automobilindustrie zeitweise fast zum Stillstand gebracht – mit entsprechend katastrophalen Folgen für die Umsatz- und Gewinnentwicklung.“

Europa mit dem größten Rückgang beim Absatz
Besonders groß waren die Einbußen in Westeuropa, wo der Absatz um 53 Prozent zurückging. In den USA lag das Minus bei 34 Prozent. In China gelang ein kleines Absatzplus von einem Prozent, nachdem dort im ersten Quartal ein überdurchschnittlich starker Rückgang von 38 Prozent verzeichnet worden war.

Schneller China-Aufschwung: Deutsche Autobauer im Vorteil
Im zweiten Quartal entwickelte sich der chinesische Absatzmarkt zum wichtigsten Stützpfeiler der Autobranche – auch der deutschen Hersteller. „Alle drei deutschen Autokonzerne konnten im zweiten Quartal in China zulegen, während der Absatz in den anderen Regionen massiv einbrach. Der Anteil Chinas am weltweiten Absatz der deutschen Autobauer kletterte dadurch von 33 auf 51 Prozent“, stellt Schwartz fest. Die deutschen Autokonzerne konnten zudem überdurchschnittlich stark von der Markterholung in China profitieren: Ihr Absatz legte dort um fünf Prozent zu, während der chinesische Gesamtmarkt nur um zwei Prozent stieg. „Nie war der chinesische Markt so wichtig für die Automobilindustrie wie in diesen Monaten“, so der Industrieexperte von EY. „Die starke Präsenz in China und die gute Entwicklung auf dem dortigen Markt sorgte auch dafür, dass der weltweite Absatzrückgang bei den deutschen Autokonzernen mit 32 Prozent weniger heftig ausfiel als bei den meisten anderen großen Autokonzernen.“ Insgesamt verzeichneten die 17 analysierten Unternehmen einen Absatzrückgang von 39 Prozent – die französischen Hersteller, die kaum in China tätig sind, verbuchten sogar einen Absatzeinbruch von 51 Prozent.

Deutliche Erholung im dritten Quartal erwartet
Die massiven Absatzrückgänge auf den westlichen Märkten und die nur relativ zaghafte Erholung auch im laufenden dritten Quartal verstärken das ohnehin seit Jahren schwelende Problem der Überkapazitäten, betont Schwartz. „Das dritte Quartal wird zwar deutlich besser ausfallen als das zweite.

Absatz frühestens 2022 auf Vorkrisenniveau
Die Margen werden dennoch stark unter Druck stehen und sich auch mittelfristig wohl nur langsam erholen, der Absatz wird frühestens 2022 wieder das Vorkrisenniveau erreichen“. Hohe Investitionen in die Elektrifizierung, Digitalisierung und Produktpflege drücken zusätzlich die Gewinne.

Krise beschleunigt Konsolidierung und Stellenabbau
Jetzt komme alles auf den Prüfstand, sagt der EY-Experte: „Investitionen, die nicht unbedingt nötig sind, werden verschoben. Und die Konsolidierung beschleunigt sich – diese Krise werden nicht alle Autohersteller und erst recht nicht alle Zulieferer überleben.“ Die Konzerne würden näher zusammenrücken und sehr viel enger zusammenarbeiten müssen als bisher.


An Werksschließungen führt kein Weg vorbei – brutale Auslese wird kommen

2021 droht großes Erwachen
"An Werksschließungen führt kein Weg vorbei", ist Schwartz überzeugt: „Es gibt keinen Grund, Kapazitäten vorzuhalten, die auf absehbare Zeit nicht gebraucht werden und die massiv die Margen belasten.“ Entsprechend rechnet er mit Arbeitsplatzverlusten im großen Stil: „Das große Erwachen wird wohl erst im nächsten Jahr kommen. Dann wird es eine brutale Auslese geben.“

Tesla im zweiten Quartal mit höchster Marge
Tesla war im zweiten Quartal mit einer Marge von 5,4 Prozent der profitabelste Autokonzern der Welt vor Hyundai (2,7 Prozent) – nur sechs Unternehmen erzielten überhaupt positive Margen. Die niedrigsten Margen wiesen drei japanische Konzerne auf – Mazda (minus 12,0 Prozent), Nissan (minus 13,1 Prozent) und Mitsubishi (minus 23,2 Prozent).


Börsenwert Tesla nähert sich 400 Milliarden Dollar
Den eigenen Börsenwert steigern konnten seit Jahresbeginn nur zwei Unternehmen – Tesla und Hyundai. Tesla ist zudem mit einer Marktkapitalisierung von 382 Milliarden Euro der mit Abstand höchstbewertete Autokonzern der Welt – obwohl das Unternehmen beim Umsatz nur den vierzehnten Platz belegt. Toyota (187 Milliarden Euro), Volkswagen (84 Milliarden Euro), Daimler (52 Milliarden Euro) und BMW (43 Milliarden Euro) folgen im Ranking nach Börsenwert auf den Plätzen zwei bis fünf.

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